H. P. Lovecrafts Cthulhus Ruf

Gou Tanabe hat die zugrundeliegenden Originalgeschichte „Cthulhus Ruf“ von H. P. Lovecraft als Horror-Manga adaptiert und gezeichnet. Worum es darin geht, lässt sich mit einem Zitat aus Lovecrafts fiktivem „Necronomicon“ zusammenfassen: „Es ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.“ Wer Tanabe kennt, weiß, dass man Qualität in Bild und Wort erwarten kann!

von Markus Kolbeck

„H. P. Lovecrafts Cthulhus Ruf“ ist 2021 auf deutsch als Softcover im Carlsen Verlag erschienen. Der Umfang beträgt 280 Seiten und der Preis 18,- Euro. Wer mehr zum Texter und Zeichner Gou Tanabe (* 1975) erfahren will, der sei hier auf meine anderen Rezensionen seiner Mangas im Carlsen Verlag verwiesen (etwa. „H. P. Lovecrafts Berge des Wahnsinns 1 & 2“). Gleiches gilt für den Autor der Originalgeschichte, H. P. Lovecraft (1890-1937). Die Originalgeschichte ist ursprünglich 1928 im legendären Pulp-Magazin „Weird Tales“ veröffentlicht worden und gehört zu den besten von Lovecraft. Sie hat den Begriff des „Cthulhu-Mythos“ geprägt. Der Manga ist in angenehm zu lesenden westlichen Comic-Stil gezeichnet. Die Leserichtung ist – wie gehabt bei dieser Art von Comic – von hinten nach vorne, von rechts nach links, die rechte Seite immer zuerst. Der Manga hat eine Lesedauer von rund Zweieinviertelstunden. Er ist komplett bis auf das Vorwort in Schwarz-Weiß gehalten.

Inhalt

Für alle, die die Originalgeschichte  noch nicht kennen, will ich in die Handlung einführen: 1926 wohnt in Providence, Rhode Island, USA Francis Wayland Thurston, Großneffe des Archäologie-Professors George G. Angell, dessen Beerdigung bei. Angell ist mit 92 Jahren unter nie vollständig geklärten Umständen verstorben. Das Jahr 1926 ist der Ausgangspunkt für die anderen, folgenden Zeitebenen. Thurston sichtet das Vermächtnis seines Großonkels und stößt dabei auf Aufzeichnungen, die besagen, dass Angell von dem Bildhauer H. A. Wilcox eineinhalb Jahre vorher aufgesucht wurde. Wilcox zeigt dem Professor eine von ihm nach einem Traum angefertigte Tontafel und bittet ihn, die Inschrift darauf zu übersetzen.

Eine andere Aufzeichnung, die Thurston liest, ist der Bericht von Inspektor Legrasse von vor 18 Jahren. Darin wird geschildert, wie er auf einem Archäologen-Kongress eine Skulptur aus einem unbekannten Material  zur Identifizierung  herumreicht. Er habe diese Figur aus einer Razzia gegen einen Kult, der in den Sümpfen von New Orleans ein Jahr zuvor sein Unwesen trieb, beschlagnahmt und will jetzt mehr über den Kult, eine Gruppe von Voodoo-Anhängern, und die Skulptur wissen. Ich will noch offenlegen, dass in der Geschichte sich sonderbare Ereignisse wie Erdbeben und mysteriöse Träume sensitiver Personen (wie Künstlern) gehäuft haben. In den Träumen taucht oftmals ein gigantisches, ungeheuerliches Wesen auf, das dem der Skulptur von Legrasse und der Tontafel von Wilcox stark ähnelt. Abgeschlossen wird die Geschichte mit dem Auffinden des Berichts des norwegischen Schiffsoffiziers Gustaf Johansen durch Thurston, der weitere Nachforschungen angestrengt hat, in Oslo, Norwegen. Mehr sei hier nicht verraten!

Kritik

Die zugrundeliegenden Geschichte „Cthulhus Ruf“ ist – wie bereits eingangs geschrieben - eine der besten von Lovecraft, was auch dem Manga zugute kommt. Dramaturgische Höhepunkte werden durch auf eine oder zwei Seiten ausgedehnte Panels wiedergegeben. Tanabe hat aber hier und da in der Handlung ein klein wenig geändert, vor allem sind der actionbetonte Kampf der beiden Schiffsbesatzungen im Bericht von Johansen und die anschließende Erkundung von einer aus dem Meer aufgetauchten Stadt ausgebaut worden. Auch anderweitig findet man in Nuancen Neuinterpretationen. Tanabe ist hier seinen eigenen Weg gegangen, ohne sich einer Eins-zu-eins-Kopie des Originals unnötig zu verpflichten. Hier lebte der Zeichner seine Kreativität aus, was mir gefallen hat. Man kann aber in allen Phasen des Mangas die Originalgeschichte erkennen, also liegt keine zu weitgehende Verfremdung vor!

Was etwas irritierend ist, ist, dass Tanabe schon weit am Anfang der Geschichte das Aussehen der namensgebenden Ungeheuerlichkeit, Cthulhu, durch Traumschilderungen, Skulpturen und Berichte enthüllt. Das nimmt dem letzten Höhepunkt schon etwas an Eindrücklichkeit! Was auch auffällt, ist, dass Tanabe die Voodoo-Anhänger aus dem Bericht von Inspektor Legrasse als größtenteils dunkelhäutige Mulatten schildert. Diese Schilderung geht aber auf Lovecrafts Geschichte zurück. Dem Originalautor sagt man schließlich unter anderem eine rassistische Tendenz nach, die sich in seinen Werken wiederfindet! Jedoch tut es Lovecrafts Literatur in der Güte als Ganzes keinen Abbruch. Auch der Manga funktioniert trotzdem und ich glaube keinesfalls, dass Tanabe rassistische Tendenzen aufweist. Vielmehr scheint er sich an dieser Stelle für eine werktreue Wiedergabe entschieden zu haben.

Fazit: Zusammenfassend ist der Manga mindestens als spannend, mysteriös, dramatisch und gruselig zu bezeichnen, teilweise auch als actionbetont. Er stellt aber als Gesamtkunstwerk so viel mehr dar! Die Zeichnungen ziehen in ihrer Wirkung die Aufmerksamkeit auf sich, und die Schwarz-Weiß-Gestaltung trägt viel zur Atmosphäre bei. Alle Werke von Gou Tanabe sind eigentlich gelungen, auch dieses hier – trotz der Kritik! Allen, die Tanabe noch nicht kennen, sei „H. P. Lovecrafts Cthulhus Ruf“ als Einstieg in das Werk empfohlen! Aufgrund der inhaltlichen und visuellen Qualitäten empfehle ich es auch allen Fans der Reihe!

H. P. Lovecrafts Cthulhus Ruf
Horror-Manga
Gou Tanabe
Carlsen 2021
ISBN: 978-3-551-76716-5
280 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 18,00

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