H. P. Lovecrafts Der Hund und andere Geschichten

Beim Begriff „Manga“ wird der eine oder andere abwinken, aber der Band „H. P. Lovecrafts Der Hund und andere Geschichten“ mit Horror-Geschichten ist durchaus in einem ansprechenden, westlichen Comicstil gehalten. Lovecrafts Name tut sein Übriges, um einen näheren Blick auf dieses Werk zu rechtfertigen.

von Markus Kolbeck

„H. P. Lovecrafts Der Hund und andere Geschichten“ wurde 2014 im japanischen Original von Gou Tanabe (* 1975) adaptiert und gezeichnet auf der Grundlage von drei Kurzgeschichten von Howard Phillips Lovecraft (1890-1937). Lovecraft hat seine Geschichten vor allem in den 10er-, 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben. Der US-amerikanische Autor war Zeit seines Lebens weitgehend unbekannt geblieben, hat aber heute Kultstatus erlangt. Der Manga wurde erstmals 2019 als 176-seitiger Softcover-Band bei Carlsen verlegt und ist 2020 in zweiter Auflage erschienen. Er wurde 2018 für den Eisner-Award nominiert. Der Comic ist komplett in Schwarz-Weiß-Zeichnungen gehalten und lässt sich in rund Eineinviertelstunden durchlesen.

Ein Wort zur Leserichtung: Die Leserichtung ist bei diesem japanischen Manga anders, als man das gewohnt ist. Man liest ihn von hinten nach vorne, die rechte Seite zuerst, dann die linke. Die einzelnen Panels werden ebenfalls von rechts nach links gelesen. Ich denke, dass man sich schnell umorientiert hat und weiß wahrscheinlich diese Besonderheit sogar schnell zu schätzen, macht sie doch aus dem Comic etwas Besonderes.

Inhalt

Die drei Lovecraft-Kurzgeschichten, die in diesem Band adaptiert wurden, sind: „Der Tempel“ (von 1920 im Original, 67 Seiten Umfang in der Adaption), „Der Hund“ (von 1922, 64 Seiten) und „Stadt ohne Namen“ (von 1921, 34 Seiten).

„Der Tempel“ – Gou Tanabe hat diese Kurzgeschichte über ein U-Boot auf Feindfahrt und seine Besatzung vom Ersten in den Zweiten Weltkrieg verlegt. Der U-Boot-Kapitän nimmt von einem Toten einen kleinen Figurenkopf an sich. Es kommt zu Unglücksfällen an Bord, und zunehmend macht sich der Wahnsinn unter der Mannschaft breit. Am Schluss ist nur noch der Kapitän übrig und er macht eine ungeheure Entdeckung.

„Der Hund“ – Zwei exzentrische Grabräuber umgeben sich mit allerlei Besonderheiten wie Mumien, Totenschädeln und Grabbeilagen. Sie nehmen einer jahrhundertealten Leiche ein Jadeamulett ab. Einer der Grabräuber stirbt einen grässlichen Tod und der andere versucht, das Jadeamulett – als er die Zusammenhänge erkennt – zurück in das Grab der Leiche zu bringen. Schafft er es rechtzeitig?

„Stadt ohne Namen“ – Ein Forscher entdeckt in einer uralten Ruine einer Stadt einen Gang in den Untergrund. Nach langer Zeit des Abstiegs stößt er auf die Überreste der früheren Bewohner der Stadt. Dann erkennt er voller Schrecken, dass die Geister der ursprünglichen Bewohner überdauert haben!

Kritik

„Der Tempel“ – Von der Verlegung der Kurzgeschichte vom Ersten in den Zweiten Weltkrieg mag man halten, was man will. Ich persönlich finde dies unnötig. Das Grauen schleicht sich – gekonnt dargestellt – durch zunehmenden Wahnsinn unter der Besatzung ein. Brutale Szenen, wie Erschießungen, werden relativ zurückhaltend umgesetzt. Der Schluss ist etwas enttäuschend, hätte man sich doch mehr erhofft. Die zugrundeliegende Original-Kurzgeschichte gehört nicht zu den besten von Lovecraft. Umsetzung und Atmosphäre des Comics sind gelungen!

„Der Hund“ – Auch hier stimmen zeichnerische Umsetzung und die dadurch erreichte Atmosphäre vollauf. Dieser Manga ist der beste der drei Geschichten! Er lässt der Fantasie genügend Spielraum und deutet manchen Schrecken nur an. Wenn man die Original-Kurzgeschichte noch nicht kennt, entfaltet der Grusel wohl seine größte Wirkung, obwohl der Titel viel verrät.

„Stadt ohne Namen“ – Diese Geistergeschichte ist ebenfalls toll gezeichnet, leidet aber unter ihrer Kürze. Die Umsetzung des Grauens durch die Geisterwesen hat mich nicht völlig überzeugt, die Darstellung der schrecklichen physischen Überreste der ehemaligen Bewohner der Stadt schon. Die Ungewissheit, was den Forscher am Ende seines langen Abstiegs in den Untergrund erwartet, kommt gut beim Leser an. Dies ist der am wenigsten begeisternde Comic des Bandes.

Alle drei Kurzgeschichten sind meist hervorragend umgesetzt und gezeichnet. Gou Tanabe hat mit viel Aufwand seine atmosphärisch herausragenden Bildergeschichten illustriert. Sie leiden aber daran, dass die zugrundeliegenden Original-Kurzgeschichten von H. P. Lovecraft nicht zu den besten seines Werks gehören. „Der Hund“ ragt da allerdings positiv heraus. Ich hätte mir noch ein richtiges, informatives Nachwort gewünscht, es gibt jedoch lediglich ein kurzes Schlusswort von Tanabe.

Fazit:
Gou Tanabe ist mit diesem Band ein herausragendes Werk, was Stimmung und Umsetzung betrifft, gelungen. Es stellt zeichnerisch eine hervorragende Arbeit dar, hat sich der Zeichner doch große Mühe mit seinem Werk gegeben. Jedoch hätte man an den Schlussszenen der ersten und dritten Geschichte noch feilen müssen, aber dann hätten sich die Comics wohl zu weit vom Original entfernt. Die relativ geringe Lesedauer und der Kurzgeschichten-Charakter, der die Handlung sich nicht immer voll entfalten lässt, lässt mich nicht ein 100%-iges Lob zu diesem Band aussprechen! Ich kann ihn aber trotzdem allen Horror-Comic-Fans und Lovecraft-Liebhabern empfehlen!

H. P. Lovecrafts Der Hund und andere Geschichten
Horror-Manga
Gou Tanabe
Carlsen 2019
ISBN: 978-3-551-72174-7
176 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,00

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