Gruselkabinett 179: Flaxman Low – Der Fall Medhans Lea

In der 179. Episode der langlebigen „Gruselkabinett“-Reihe gibt es ein Wiedersehen mit Geisterjäger Flaxman Low, dem wir bereits bei einigen Fällen über die Schulter schauen durften. Mal sehen, ob sich dieser Ausflug in die Geisterwelt auch lohnt.

von Jens Krohnen

Der 1876 geborene Hesketh Vernon Prichard erlangte einige Bekanntheit als Abenteurer, Großwildjäger und Schütze. Als Major der britischen Armee diente er im ersten Weltkrieg. Darüber hinaus war er allerdings auch Schriftsteller. Gemeinsam mit seiner Mutter, Kate O’Brien Ryall Prichard, ersann er den fiktionalen Charakter Flaxman Low, der in den 1890ern in verschiedenen Geschichten auf Geisterjagd gehen durfte. Publiziert haben die beiden ihre Geschichten unter dem Pseudonym „E. & H. Heron“. Low gilt in der Literaturwissenschaft als erster Detektiv des Paranormalen. „Gruselkabinett“-Mastermind Marc Gruppe hat nun ein weiteres Abenteuer des Geisterjägers ausgewählt und vertont.

Es ist scheinbar ein Abend wie jeder andere, an dem Flaxman Low Besuch von drei alten Freunden erhält. Die Herren Mr. Harland, Dr. Nare-Jones und Mr. Sawelsan hatten ein gemeinsames Erlebnis, welches sie unbedingt mit dem mit dem Paranormalen vertrauten Low besprechen wollen. Bei einer gemütlichen Tasse Tee breiten die drei dann auch direkt ihre Geschichte aus: Mr. Harland, seit kurzem stolzer Pächter des Anwesens Medhans Lea in den Midland Counties, hatte seine beiden Freunde zu einer geruhsamen Partie Billard auf sein einsames Landhaus eingeladen. Während dieses Spiels ereigneten sich beunruhigende Vorfälle – panische Schreie und eine unheimliche Gestalt erschreckten die drei Spieler derart, dass sie das Haus fluchtartig verließen. Nun erhoffen sie sich Rat von Low.

Die 179. Ausgabe des „Gruselkabinetts“ ist eine rechte Mogelpackung. Tatsächlich erleben wir hier keine unheimliche Begegnung mit dem Übernatürlichen. Stattdessen werden die geisterhaften Umstände von den drei Augenzeugen ausführlich dargelegt. Dabei lässt sich Drehbuchautor Marc Gruppe durchaus Zeit für die Geschichte und führt sie in allen spukigen Einzelheiten genüsslich aus. Dennoch bleibt es natürlich offensichtlich, dass es einer in der Retrospektive erzählten Geschichte ein wenig an Spannung mangelt. Denn: Egal, wie grausig die Erlebnisse der drei Billardspieler auch sein mochten – heute sitzen sie bequem und aufgeräumt in Flaxman Lows Arbeitszimmer und genießen ihren Tee. Insofern fiebert man mit den Protagonisten dieser Geschichte nicht wirklich mit und bleibt immer ein wenig auf Distanz.

Dazu passt, dass auch Low kaum eine Rolle als die des Zuhörers einnimmt. Selbst die – für geübte „Gruselkabinett“-Hörer ohnehin naheliegende – Lösung des Geisterrätsels wird von einem der drei Freunde direkt auf dem Silbertablett mitgeliefert. Nachdem also sogar die Recherche nach den Hintergründen der retrospektiven Erzählstruktur zum Opfer gefallen ist, verwundert es auch nicht, dass auch die Auflösung des Falles in wenigen erzählenden Sätzen abgehandelt wird. Ein echter Spannungsbogen entsteht so nicht und auch die Figur des Flaxman Low, der gerade in „Der Fall Hammersmith“ begann, Kontur zu entwickeln, kommt hier kaum zum tragen. Immerhin ist das Trio der drei billardverliebten Freunde recht gut gezeichnet und bringt mit unterschiedlichen Charakterzügen ein wenig Humor in die Handlung.

Während „Der Fall Medhans Lea“ damit eine sehr klassische Geistermär ohne Überraschungen und wenig gelungenem Spannungsbogen bleibt, ist die technische Umsetzung dieser „Gruselkabinett“-Episode abermals hervorragend gelungen. Die Toneffekte und verwendeten Musikstücke passen hervorragend. Hier erkennt man Gruppes routinierte Handschrift. Und auch die Sprecher wissen ihre Rollen mit Leben zu füllen. Angenehm ist auch, dass sich die Sprecher der drei Freunde – Bodo Primus, Valentin Stroh und Jean Paul Baeck – gut voneinander unterscheiden lassen und so die Handlung problemlos nachvollziehbar machen. Das von Ralf Nievelstein gestaltete Cover reiht sich qualitativ in die lange Reihe gelungener Coverbilder ein. Technisch gibt es damit nichts zu meckern.

Fazit: „Der Fall Medhans Lea“ bietet eine sehr klassische Geistermär ohne Überraschungen und mit einer eher schwachen Spannungskurve. Für Einsteiger in die Reihe des „Gruselkabinetts“ vielleicht noch interessant, lässt es den langjährigen Hörer eher unbefriedigt zurück.

Gruselkabinett 179: Flaxman Low – Der Fall Medhans Lea
Hörspiel nach E. & H. Heron
Marc Gruppe
Titania Medien 2022
ISBN: 978-3785783894
1 CD, ca. 60 min., deutsch
Preis: EUR 7,99

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