Ein Tod in Grangor

Der Grangorer Kaufmann Sumudan de Vries hat es ganz nach oben geschafft. Seine Expedition zum legendären Südkontinent Uthuria war ein phänomenaler Erfolg und hat ihn zu einem der reichsten Männer in der Handelsstadt gemacht. Eine weitere Expedition wird zurückerwartet, deren Erfolg ihn noch reicher machen wird. Doch kurz vor der Rückkehr wird der Kaufmann tot aufgefunden. Wollten Rivalen aus der Kaufmannschaftsschaft seinen Tod, gab es Streit mit seinen Kindern oder war alles nur ein Zufall?

von Ansgar Imme

Mit der neuen fünften Edition des größten deutschen Rollenspiels „Das Schwarze Auge“ vom Ulisses Verlag hat auch ein Umdenken für die Abenteuer stattgefunden. Neben der Umstellung auf Vollfarbigkeit ist man von umfassenden, vielseitigen Abenteuern und Kampagnen, die oft viel Vorbereitung erforderten, auf kürzere, schneller spielbare Abenteuer umgestiegen beziehungsweise zurückgegangen wie zur Anfangszeit des Rollenspiels. Mit „Ein Tod in Grangor“ wird mit einem Kriminalabenteuer trotzdem ein durchaus anspruchsvolles Genre für eines der ersten Abenteuer veröffentlicht. Der 34-jährige Autor Marco Findeisen scheint gut dafür geeignet, ist er doch (zusammen mit Co-Autorin Eevie Demirtel) verantwortlich für die beiden Khunchomer Kriminalromane, die sehr gute Kritiken bekommen haben und auf deren dritten Teil viele Leser hoffen. Dazu hat der Autor auch an mehreren Spielhilfen für „Das Schwarze Auge“ mitgearbeitet.

Handlungsüberblick

Das Kriminal- und Detektivabenteuer breitet sich (nur) über 64 Seiten aus, zu denen auch Personenbeschreibungen, Karten, Stadtbeschreibung und Regeln gehören. Ein sehr kurzes Inhaltsverzeichnis, Erklärungen zum Aufbau und ein Vorwort des Autors leiten zur Zusammenfassung der Ereignisse, dem möglichem Verlauf des Abenteuers sowie zur Auswahl der Helden über. Auf den folgenden Seiten folgen zunächst Regeln zur Spurensuche, zum Einsatz von Gesellschaftstalenten sowie dann einige Seiten Stadtbeschreibung Grangors, die auch das unterschiedliche Wissen der Helden beschreiben.

Dann folgt der Start ins Abenteuer, wobei zunächst auf die mögliche Heldenmotivation, ihr Wissen über Sumudan de Vries und die Ankunft in Grangor mitsamt den scharfen Waffengesetzen eingegangen wird. Die Helden werden durch den Kontorleiter und eine Geschäftspartnerin von Sumudan de Vries gebeten, den Mord aufzuklären, da sich die Stadtgarde kaum um den seltsamen Tod des Handelsherrn kümmert und ihn als Unglück abtut. Dieser wurde aus dem Fenster seines Kontors gestürzt, ohne dass jemand anscheinend etwas davon gesehen hat.

Neben ersten Untersuchungen am Tatort außerhalb und innerhalb des Kontos können ersten Indizien gefunden werden, die zum größten Teil erst später relevant werden. Erste Fragen in der Nachbarschaft lenken die Ermittlungen auf die Tochter des Kaufmanns und später auch auf dessen Sohn. Beide haben mit ihrem Vater keine gute Beziehung mehr geführt und haben jeweils ihre Gründe, ihm eventuell Böses zu wollen. Aber auch ein ehemaliger Mitarbeiter, den de Vries vom Hof jagen ließ, und die neidische Konkurrenz kommen in Verdacht, etwas mit dem Mord zu tun haben.

So treibt es die Helden sowohl durch die Kaufmannspaläste der Lagunenstadt bis in dunkle Hinterhöfe und in die Kanäle, bei denen sie auch mit einer Unterweltbande in Kontakt kommen, die auch in den Tod verwickelt zu sein scheint. Die Spuren verdichten sich schließlich, sodass der Mörder gefasst werden kann. Doch plötzlich taucht ein weiterer Hinweis auf, der einiges wieder in Frage stellt. Viele Hinweise erscheinen in einem anderen Licht, und es liegt an den Helden, diese zu entwirren und den richtigen Mörder seiner gerechten Strafe zuzuführen.

Kritik: Aufmachung, Layout, Inhalt

Mit der fünften Auflage von „Das Schwarze Auge“ hat man auch einen anderen Layout- und Illustrationsstil gefunden. Mit der Vollfarbigkeit des gesamten Bandes (wie auch alle anderen bisherigen Erscheinungen der fünften Edition) sind natürlich auch alle Illustrationen und Pläne in Farbe enthalten, was an vielen Stellen positiv ist, da so noch mehr Konstraste geschaffen werden können und manche Zeichnungen erst durch Farbe richtig zur Geltung kommen. Das Cover weiß dabei durchaus zu gefallen, während die Illustrationen an vielen Stellen zu comic-haft und/oder dem Computer entsprungen zu sein scheinen. Während man in den ersten vier Editionen „Das Schwarze Auge“ am Stil der Illustrationen erkennen konnte, könnte dies jetzt auch ein beliebiges anderes Spiel sein. Aber eine neue Edition darf auch mal Neues ausprobieren, und es wird sich zeigen, ob dies bei der Spielerschaft ankommt. Nichts geändert hat sich leider an viel zu wenigen Karten oder Übersichtsplänen zum Abenteuer. Exzellent gelungen ist die neue farbige Karte der Stadt, die die alte, schon schöne Karte noch weit zu übertreffen vermag. Detailreichtum und tolle farbige Abstufungen schaffen ein Glanzstück, das den Kauf fast alleine lohnt. Nur sonstige Karten sucht man eben bis auf eine Übersichtskarte für einen Kampf vergebens. Hier wäre für die eine oder andere Szene wenigstens eine Skizze hilfreich gewesen.

Das Abenteuer an sich bietet eine spannende und abwechslungsreiche Handlung, die zudem genügend Überraschungen aufweist. Viele Hinweise und Spuren sind vorbereitet und warten auf die Entdeckung durch die Spieler. Dabei sind natürlich genügend rote Heringe dabei, aber es finden sich immer wieder neue Spuren, sodass das Abenteuer nicht groß ins Stocken geraten sollte und die Spieler sich nicht zu langweilen beginnen. Gleichzeitig wird nicht nur die mögliche Eintönigkeit einer Detektivgeschichte geboten, sondern an vielen Stellen können Spieler beziehungsweise deren Charaktere auch Talente einsetzen, Verfolgungen aufnehmen, mit Nichtspielercharakteren agieren und sich mit der Waffe in der Hand beweisen. Dabei lernen sie zudem die Stadt und ihre Bewohner von den vornehmen Patriziern bis zu den dunklen Ecken und ihren Halunken kennen. Insgesamt bietet der Autor zudem immer wieder Optionen an, wie eine Szene ausgehen kann und wie es dann weitergeht. Auch verschiedene Regeln werden vorgeschlagen, falls die Spieler nicht alles ausspielen wollen beziehungsweise die Intensivierung einiger Momente (Glücksspiel, Verfolgungsjagden etc.) gewünscht ist. Sehr gut gelungen ist dem Autor dabei auch die gesamte Beschreibung Grangors und seiner Bewohner, was an vielen Stellen ein schönes Flair schafft und Spielern vor Augen deutliche Bilder ermöglichen kann.

Deutlich verbesserungswürdig ist dagegen die Struktur des Bandes. Neben dem mageren Inhaltsverzeichnis werden Erklärungen wild über den Band verstreut, unzählige Regelelemente immer wieder eingebracht und die ersten etwa 20 Seiten nur mit der Beschreibung Grangors und Regeln gefüllt. Beschreibungen von wichtigen Personen findet man komplett über den Band verstreut. Hier wäre etwas Einheitlichkeit und klarer Aufbau hilfreich gewesen: Die Beschreibung Grangors, Regelelemente und alle Personenbeschreibungen hätten gut in den Anhang gepasst.

Fazit: Trotz einiger Missstände wie Struktur und Illustrationen hat es hier doch bereits zu Anfang der neuen Edition eine kleine Perle zur Veröffentlichung geschafft. Das Abenteuer ist spannend, hat überraschende Wendungen, fängt das Flair Grangors toll ein und bietet genügend Hinweise und Hilfen für den Spielleiter. Die grandiose Karte Grangors bildet den Bonus obendrauf. Wer Detektivabenteuern nicht komplett abgeneigt ist, sollte auf jeden Fall einen Kauf einplanen.

Ein Tod in Grangor
Abenteuerband
Marco Findeisen
Ulisses Spiele 2016
ISBN: 3957524113
64 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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