Gefangen in der Gruft der Königin

Escape-Rooms und Exit-Games sind „in“, wie man so schön sagt. Mit „Gefangen in der Gruft der Königin“ legt Ulisses nun die aventurische Variante eines Escape-Room-Spieles vor. Wie gelungen ist der Mix aus Fantasy und Moderne?

von André Frenzer

Die Autorin Jeanette Marsteller gab im Interview auf ulisses-spiele.de zu Protokoll, dass das Thema Escape Room eine ihrer beiden großen Leidenschaften darstellt. „Gefangen in der Gruft der Königin“ stellt nun ihren Versuch dar, diese Leidenschaft mit ihrer zweiten großen Liebe – dem Rollenspiel – zu verbinden. Dafür schuf sie einen klassischen Dungeon, der aber eben doch nicht ganz so klassisch ist. Aber wenden wir uns zunächst dem Inhalt zu – und schicken Spieler, die das Abenteuer noch erleben wollen, direkt vor zum Fazit.

Die Helden werden auf die eine oder andere Art auf seltsame Artefakte aufmerksam – wahlweise, weil sie von einer Gelehrten angeheuert werden, um die Herkunft dieser kostbaren Stücke zu ergründen, oder weil sie einer Norbardensippe helfen wollen. Die Artefakte stammen aus den Zeiten der längst untergegangenen Al’Hani, die einst Tobrien bevölkerten – und deren letzten Nachkommen die Norbarden darstellen. Nun sind einige Relikte auf dem Schwarzmarkt aufgetaucht, und so heften sich die Helden an die Fersen der Hehler, um schlussendlich die Abenteurerin Nella ausfindig zu machen. Diese ist vor wenigen Wochen auf ein verschüttetes Grabmal gestoßen, aus dem sie die wertvollen Artefakte geborgen hatte.

Mit diesem Wissen bewaffnet machen sich die Helden auf, um ebenfalls das Grabmal zu betreten. Immerhin erwarten Ruhm, Ehre und auch nicht unbeträchtlicher Reichtum jene tapferen Recken, die den finsteren Grabkammern weitere Geheimnisse der Al’Hani entlocken können. Doch es kommt – natürlich – anders als gedacht und unversehens findet sich die Gruppe in dem Grabmal eingesperrt wieder. Nun gilt es einen komplexen Rätselpfad der untergegangen Al’Hani zu lösen, der Pforte um Pforte öffnen wird – bis den Helden der Weg in die Freiheit offensteht.

In Sachen Rätseln zieht „Gefangen in der Gruft der Königin“ nahezu alle Register. Ob es al’hanische Zahlenrätsel sind, Worträtsel, Zahlenkreise oder Mosaike, die zusammengesetzt werden müssen: Rätselfreunde kommen hier auf jeden Fall auf ihre Kosten. Doch auch an die anderen, typischen Dungeon-Zutaten hat die Autorin dankenswerterweise gedacht. Was wäre ein Dungeon ohne Fallen und finstere Kreaturen, die ihn bevölkern? Während es die Fallen wirklich in sich haben und potenziell auch erfahreneren Helden durchaus gefährlich werden können, ist die Anzahl kämpfender Gegner allerdings sehr überschaubar ausgefallen. Das mag zu der Hintergrundgeschichte des Grabes passen und durchaus auch stimmig in das „Escape-Room“-Konzept passen; kampfstarken Gruppen werden die wenigen Gegner aber nichts entgegenzusetzen haben. Doch auch über Fallen, Gegner und Rätsel hinaus gibt es für die Helden einiges in der Grabkammer zu entdecken, verraten doch viele Schriftzeichen an den Wänden näheres aus der Geschichte der Al’Hani.

Die Aufbereitung des Abenteuers ist gut gelungen. Nicht nur erweist sich der Einstieg als äußerst flexibel – so werden drei verschiedene Auftraggeber, drei verschiedene Städte und auch völlig unterschiedliche Herangehensweise an die Hehler aufgeführt – nein, auch die Aufbereitung der streckenweise durchaus komplexen Rätsel für den Spielleiter ist gut gelungen. Übersichtstabellen und gut abgesetzte Kapitelinformationen sorgen für die nötige Übersicht. Und gerade im Hinblick auf die freie Entfaltung der Spielercharaktere im Dungeon verzeihe ich auch die stark gescriptete Szene, in der die Gruppe Nella stellt. Sehr inspirierend fand ich die Idee, den Geist einer al’hanischen Priesterin in der Grabanlage auftauchen zu lassen, die als eine Art „Spielleiter“ fungieren kann und den Charakteren Tipps und Hinweise für die Rätsel mitteilen kann. Weniger gut gefallen hat mir wiederum die regeltechnische Aufbereitung, doch hier muss ich auch zugestehen, dass ich eher regelleichtes Spiel bevorzuge. Für die Entzifferung der al’hanischen Schriftzeichen sind diverse Proben vonnöten und auch verschiedene Rätsel können theoretisch über mehr oder minder komplexe Probenmechanismen gelöst werden. Während zweiteres durchaus eine Option für Spieler sein kann, die sich schlicht verrannt haben und nicht weiterwissen ist ersteres – gerade, weil beliebig viele Versuche zur Entzifferung zur Verfügung stehen – oft unnötige Würfelei.

Die optische Aufbereitung hält keine großen Überraschungen parat. Die Bebilderung liegt auf dem gewohnt hohen Niveau und ist überaus gelungen. Lobend erwähnen möchte ich aber unbedingt die Handouts und liebevoll gestalteten Rätsel, die den Spielern an die Hand gegeben werden können. Korrektorat und Lektorat haben sehr ordentliche Arbeit geleistet, sodass ich für die technische Seite des Bandes eine gute Note vergeben kann.

Fazit: Natürlich ist „Gefangen in der Gruft der Königin“ ein recht spezielles Abenteuer. Eine gewisse Rätselfreude und Spaß am klassischen Dungeoncrawl sollte in der Gruppe natürlich vorhanden sein, um Gefallen an dem Abenteuer zu finden. Wer allerdings für sich und seine Gruppe beides bejahen kann, sollte hier unbedingt zugreifen. Und dank den vielen gut aufbereiteten Rätseln ist es auch für Spieler anderer Systeme einen Blick wert. Empfehlenswert.

Gefangen in der Gruft der Königin

Abenteuerband
Jeanette Marsteller
Ulisses Spiele 2018
ISBN: 978-3957529756
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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