Troyes Dice

„Troyes“ ist ein anspruchsvolles Strategiespiel, das mit eng verzahnten Spielmechanismen und vielfältigen Aktionsmöglichkeiten überzeugt – so urteilte Peter Berneiser 2011, damals noch als Rezensent des Ringboten, über das damals frisch erschienene Brettspiel. Knappe 10 Jahre danach hat das gleiche Autorentrio des Eurogames eine Roll-&-Write-Umsetzung unter dem Namen „Troyes Dice“ entwickelt.

von Oli Clemens

In der Würfelvariante des Spiels können ein bis zehn Personen gegeneinander antreten. Es werden dabei acht aufeinanderfolgende Tage simuliert, die sich in Vormittage und Nachmittage gliedern. So werden also bis zum Spielende insgesamt sechzehnmal die Würfel neu geworfen. Jedes Mal wählen die Spieler einen Würfel aus und führen damit eine Aktion durch. Wie auch im Brettspiel geht es darum, die richtige Balance zwischen den drei Ständen Adel, Klerus und Bürgertum zu finden, um am Ende der sechzehnten Würfelrunde die meisten Punkte zu haben.

Jeder erhält einen Wertungszettel, der auf den ersten Blick sehr überfrachtet wirkt. Unzählige Symbole reihen sich aneinander. Schnell hat man aber drauf, dass vor einem eine Grundstruktur aus drei Zeilen und sechs Spalten liegt. Die Zeilen sind in einen roten, einen gelben und ein weißen Bereich unterteilt. Diese repräsentieren die Stadtteile mit den verschiedenen Ständen. Zudem ist im unteren Viertel eine eigene Leiste für eingesammelte Gefolgsleute. In jeden Stadtteil tragen nun die Spieler in die abgebildeten Würfelfelder von links nach rechts die Zahlen von ein bis sechs ein. Als Startkapital bekommen die Spieler bereits Ressourcen: jeweils drei Einfluss, drei Denare und drei Wissen. Die sind auf den Wertungszetteln schon entsprechend markiert.



Mittig zwischen den Spielern wird das Sonnenrad platziert. Das ist eine Schablone mit halbrunden Aussparungen. Daran werden nach dem Zufallsprinzip die neun Stadtplätze angelegt, auf denen die Würfel später platziert werden. Das sind runde Plättchen, die entweder weiß, rot oder gelb sind und die Farben der Stände repräsentieren. Der Clou ist, dass einige davon auf der Rückseite eine andere Farbe haben. Im Verlauf des Spiels werden sie möglicherweise umgedreht. Das verändert dann die potenziellen Würfelaktionen. Insgesamt dauert die Spielvorbereitung für eine Runde „Troyes Dice“ etwa eine Minute. Perfekt, wenn man ein Spiel sucht, das nicht direkt in einen Aufbaumarathon endet.

Einer der Spieler bekommt den Titel Stadtausrufer und kümmert sich ab jetzt konsequent um die Würfel. Das sind insgesamt vier. Einer davon ist schwarz, die drei anderen durchsichtig. Zum Beginn eines Tages würfelt der Stadtausrufer diese und platziert sie auf den Bereichen des Sonnenrads, die hell unterlegt sind. Diese repräsentieren den Vormittag. Dabei wird darauf geachtet, dass die Würfel in aufsteigender Reihenfolge von klein nach groß gelegt werden. Der schwarze Würfel wirkt destruktiv. Das Stadtfeld, auf das er gelegt wird, kann in diese Runde nicht genutzt werden. Im späteren Verlauf des Spiels wird der Effekt sogar noch nerviger. Dann sorgt der Würfel sogar dafür, dass ungeschützte Würfelfelder auf dem Wertungszettel der Spieler zerstört werden.



Alle Spieler wählen dann nach Belieben eines der drei verbleibenden Ereignissen. Der durchsichtige Würfel nimmt dabei die Farbe des unter ihm liegenden Stadtplatzes an. Je nach seiner Position müssen nun Kosten zwischen null und zwei Denare gelöhnt werden. Im Anschluss führen Sie mit ihrem gewählten Würfel eine der möglichen Aktion im entsprechenden Stadtteil aus. Dabei kommen immer drei in Frage. Entweder kann ein Spieler mit dem Würfel Ressourcen in der gewählten Farbe in Höhe der Würfelzahl erhalten. Von den gelben Denaren wissen wir ja bereits, dass sie genutzt werden, um die Kosten für die Würfel zu bezahlen. Die roten Einfluss-Ressourcen können eingesetzt werden, um den Wert des Würfels nach oben oder unten zu manipulieren. Für zwei weiße Wissen-Ressourcen kann die Farbe des Würfels verändert werden. Neue Ressourcen werden in der entsprechenden Leiste eingekreist, verbrauchte durchgestrichen.

Alternativ kann ein Spieler mit seinem Ergebnis ein Nutzgebäude errichten, das Gefolgsleute anlockt. Jeder Gefolgsmann ist am Schluss einen Punkt wert. Die dritte Option besteht darin, Prestigegebäude zu bauen. Rote Festungen schützen alle Würfelfelder aller Farben in der dazugehörigen Spalte vor den zerstörerischen Angriffen des schwarzen Würfels. Gelbe Prestigegebäude sind große Markthallen, die eine sofortige Belohnung in Form von Ressourcen oder Gefolgsleute freischalten. Weiße Würfel errichten Kathedralen, die Persönlichkeiten anlocken. Diese generieren zum Schluss des Spiels Siegpunkte. Manche direkt nebeneinanderliegenden Prestige- und Nutzgebäude schütten zudem noch Boni aus, wenn sie beide errichtet werden, und auch bei den Gefolgsleuten warten Boni darauf abgegriffen zu werden. Hat man sich entschieden, umrahmt man die Silhouette der Gebäude auf dem Wertungsplan als Zeichen dafür, dass sie gebaut wurden.



Haben alle Spieler ihre Aktion durchgeführt, endet die Tageszeit. Dann wird der Stadtplatz, der durch den schwarzen Würfel blockiert wurde, auf die Rückseite gedreht. Im Anschluss beginnt der Nachmittag. Dieses Mal kommen die Würfel an die dunklen Anlegefelder des Sonnenrads. Endet auch diese Tageszeit, ist der erste Tag vorbei. Das Sonnenrad wird um eine Position um Uhrzeigersinn weitergedreht. In diesem Rhythmus werden insgesamt acht Tage durchgespielt. Danach folgt die Wertung. Wer die meisten Punkte aus Gefolgsleuten, Persönlichkeiten und übrig gebliebenen Ressourcen aufweist, gewinnt die Runde „Troyes Dice“. Da alle zur selben Zeit ihre Aktion durchführen können, gibt es eigentlich keine Wartezeiten. Das ändert sich, wenn die gefürchtete Analyseparalyse einsetzt, also wenn jemand seinen Zug auf die letzte Promille optimieren möchte. So können aus zwanzig Minuten Spielzeit schnell mal auch vierzig werden. Mit mehr als vier Personen würde ich es deswegen nicht spielen wollen.

Obwohl man eigentlich schnell ins Spiel kommt, hat mich das Studium der Spielanleitung erst einmal eher eingeschüchtert zurückgelassen. Diese ist sehr textlastig und vielschichtig. Dafür nimmt sie sich aber auch Zeit, das Spiel gut zu erklären und mit Beispielen und Hinweisen zu unterstützen. Hat man die Regeln erst verstanden, spielt sich „Troyes Dice“ sehr gradlinig und einfach. Seine Komplexität erhält es durch die vielen Optionen ein Würfelergebnis einzutragen oder sogar vorher noch manipulieren zu können. Das macht es definitiv zu einem Kennerspiel im Genre Roll-&-Write. Leider entsteht überhaupt keine Interaktion unter den beteiligten Spielern. Das machen andere Vertreter dieses Genres besser, die Vielspieler als Zielgruppe anvisieren.



Außer dem Sonnenrad und den neun Stadtplättchen, den vier Würfeln und dem wirklich dicken Wertungsblock liegt noch die Erweiterung „Bankette & Überfälle“ in der Spielschachtel. Bei dieser werden zusätzlich doppelseitige Plättchen an die Stadtplätze angelegt. Zum Beginn des Spiels bewirken sie positive Effekte. So kann ein Würfel etwa ohne Kosten genommen werden oder seine Zahl ohne den Einsatz von Ressourcen nach oben oder unten verändert werden. Hat aber erst einmal der schwarze Würfel auf ihnen gelegen, kehren sie sich bis zum Ende des Spiels in ihrer Wirkung um und erhöhen beispielsweise die Kosten oder machen das Verwenden von Ressourcen unmöglich. Damit kommt angenehmerweise ein bisschen mehr Abwechslung in die Partien. Deshalb sollte spätestens ab der dritten Partie die Erweiterung immer ins Grundspiel integriert werden.

Fazit: „Troyes Dice“ schafft es, ein anspruchsvolles Roll-&-Write mit vielfältigen Aktionsmöglichkeiten zu sein. Optisch orientiert es sich dabei an dem Stil seines Vorgängers. Die Wertungsblätter wirken zwar anfänglich überladen und unübersichtlich, aber schon mit der zweiten Runde sind die Symbole verständlich. Es fehlt dem Spiel jedoch an Interaktion unter den Spielern. Was auch fehlt, ist ein Satz von Bleistiften zum Zeichnen und Markieren. Die hätten sicher noch in die Schachtel gepasst. Insgesamt ist „Troyes Dice“ ein anspruchsvolles Roll-&-Write auf Kennerniveau, an dem sicher Spieler Spaß haben können, ohne den Eurogame-Vorgänger zu kennen.

Troyes Dice
Brettspiel für 1 bis 10 Spieler ab 12 Jahren
Sébastien Dujardin, Xavier Georges, Alain Orban
Pearl Games/Asmodee 2020
EAN: 3558380077077
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 24,99

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