Astrobienen

Die Evolution hat es gut mit uns Bienen gemeint, nachdem die Honig trunkenen Menschen von der Erde verschwunden waren. Den ersten Mondflug haben wir jedenfalls schon lange hinter uns gelassen, und jetzt gilt es, unser Bienenvolk im Weltraum in Arbeiterinneneinsetz- und -alterungsmanier erfolgreich aufzubauen. Das ist mal ein unverbrauchtes Thema, was uns der Feuerland-Verlag für den deutschen Markt erschlossen hat. Stellt sich also die Frage: To bee or not to (space) bee?

von LarsB

Stonemaier Games hatte bereits 2023 den Titel „Apiary“ veröffentlicht, den Feuerland nun als „Astrobienen“ seit Sommer 2024 im Verlagsprogramm hat. Designerin Connie Vogelmann hat hier nach „Schwingenschlag“ („Wyrmspan“) ihrem zweiten Titel Flügel verliehen – diesmal aber eben Spacebienenflügel. Mechanisch rotieren sich die fleißigen Astrobienen (sukzessive) ins Grab, Verzeihung, in die Schlafkammer. Wir schauen im Folgenden, ob dieser Spin genug Neues bietet.

Das Spielmaterial

Man merkt Astrobienen die Stonemaier-Herkunft an – und das noch weit vor der ersten Spielminute. Selten lassen sich Papptoken so geschmeidig auspöppeln wie hier. Die Regelhefte sind auf dem stonemeierischen Edelpapier gedruckt und lässt manch teuren Buchdruck schäbig wirken. Neben der Spielregel gibt es die Solospiel-Regeln sowie den Anhang mit Erläuterung aller Waben, Karten und Fraktionen auf jeweils 12 Seiten, dazu die Kurzregel, die den Einstieg wie auch den Wiedereinstieg leichter gestaltet. Alles bestens gegliedert und gelayoutet in einem handlichen Format und nicht zuletzt schlüssig übersetzt.

Im Inlay werden (fast) alle Spielmaterialien übersichtlich verstaut. Das verkürzt die Aufbauzeit und sieht einfach auch manierlich aus. Ohne Tüten geht es aber leider nicht ganz. Unter dem Inlay sind einige Stanzbögen zu platzieren, um einen dichten Abschluss mit dem Schachteldeckel zu realisieren. Wenn hier schon die Erweiterung vorausgedacht wurde, dann ist das eine hervorragende Lösung.

Spielerhilfen sind in Kartenform vorhanden, mit der Spielrundenstruktur beziehungsweise aller Symbolik.

Die Arbeiterinnen sind als vierseitige Bienenwürfelminiaturen schön ausgearbeitet. Der Wash bringt die Kontraste zum Vorschein, allerdings will der dadurch schmutzige Look nicht so recht zum restlichen, eher knallig-fröhlichen Material passen. Und ein bisschen erinnerten sie uns an unser Frettchen, als es sich in eine zu enge Toilettenpapierrolle hineingearbeitet, den Weg aber nicht mehr herausgefunden hatte.

Alle Ressourcen sind wunderschön anzusehen. Die Formen der Ressourcen repräsentieren die Ressourcen hilfreich. Alle Komponenten laden förmlich zu einer Partie „Astrobienen“ ein.

Der Spielablauf

Der Mechanismus des Arbeiterinneneinsetzens bei „Astrobienen“ unterscheidet sich in einigen Punkten vom blockierenden Arbeitereinsetzen in anderen Spielen und macht mechanisch den Kniff des Spiels aus. Blockade ist hier nämlich nicht! Arbeiterinnen schubsen andere Arbeiterinnen vom Einsetzfeld und arbeiten dann – je nach Betätigungsfeld – auch noch zusammen. Geschubste Bienen altern und werden dadurch erfahrener und mächtiger. Der Lebenszyklus der Bienenarbeiterinnen endet im Tiefschlaf – keinesfalls auf dem Friedhof. Clever! Denn auf diese Weise stehen die Bienen nach dem Ende der Partie für eine neue Partie bereit. ;-)

Die tägliche Arbeit von Astrobienen wird recht umfassend durch sechs verschiedene Tätigkeiten dargestellt.



Die „Erkundung“ des Alls mit dem Schiff der Königin versorgt die Bienen mit Rohstoffen. Dabei dürfen die frühen Bienen mitentscheiden, welche Rohstoffe auf dem entdeckten Planeten den Bienenvölkern bei Besuch zur Verfügung gestellt werden. Erfahrene Bienen können hier weiter reisen und stellen damit die Rohstoffversorgung flexibler sicher als Rookie-Bienen.

Beim „Ausbauen“ des eigenen Bienenstocks mit Waben haut man die Rohstoffe wieder auf den Kopf. Die gemeine Astrobiene unterscheidet Agrarwaben, Abwerbungswaben und Entwicklungswaben. Erstere bieten Lagerplatz für Rohstoffe und ein triggerbares Einkommen. Anwerbungswaben sind wie ein Qualifikationsupgrade für das Astrobienenvolk. Fähigkeiten werden hier verbessert und helfen für bestimmte Aktionen oder in gewissen Situationen. Entwicklungswaben kosten uns Wachs (ziemlich guter Stoff) und bieten uns sofort relativ große Vorteile. Mechanisch ist das alles grundsätzlich schon mal dagewesen, aber jetzt ist die Engine sechseckig und muss in den Spacebienenstock passen. Erfahrene Bienen haben einfach beim Shopping die größere Wabenauswahl – wobei man beim Ausbauen von der Erfahrung der Vorgängerbiene mitprofitieren kann.

Die Aktion „Wachsen“ erlaubt die Rekrutierung weiterer Arbeiterinnen-Bienen oder vergrößert den Bienenstock und erlaubt so den Bau weiterer Waben. Mehr Skill bedeutet hier mehr mehr Teilaktionen, wenn man denn die Rohstoffe hat.

„Forschen“ tun die Astrobienen nicht nur an verlängerten Wachphasen (abseits dieses Spiels), sondern auch an Saatkarten. Diese Karten nimmt sich der Spieler auf die Hand und spielt sie dann im passenden Moment aus. Die Karten haben entweder einen Einmalnutzen, den ein kleiner Kartentext erläutert, oder sie lassen sich gegen einen Rohstoff eintauschen. Als Highend-Biene mit dem 4. Gurt kann man so eine Karte auch unter den eigenen Spielplan schieben und damit „aussäen“ und so Boni für das Ende der Partie freischalten.

Und da kommt er noch, der Bienentanz! In der Aktion „Umwandeln“ kann man als Biene der Erfahrungsstufen eins bis drei Rohstoffe zu festen Kursen tauschen. Als Astrobiene der Stufe vier darf ich einen Tanz lehren. Damit macht der Spieler eine neue Transaktion möglich, die er kreiert. Jeder Spieler darf aber nur einmal Vortanzen pro Partie. Wird der Tanz von anderen Astrobienen in der Folge genutzt, mehrt das die Gunst unserer Königin und damit unseren Ruhm.

Apropos Ruhm. „Rühmen“ rundet die Aktionsmöglichkeiten ab. Rühmen darf sich nur eine Level-4 Biene. Aus 30 Ruhmeswaben kommen aber nur sechs oder neun pro Partie ins Spiel. Sie kosten Honig (das richtig gute Zeug) und geben uns potenziell nochmal einen richtigen Siegpunkteschub am Ende des Spiels.

Überhaupt lösen die Level-4 Bienen einen gewissen Bonus je nach Aktion aus: sofortige Siegpunkte, Zusatzaktionen auf Planeten, zusätzliche Möglichkeiten für Punkte in der Schlusswertung.

Das Ende der Partie wird ausgelöst, wenn die Tiefschlafplätze in der Schlafkammer voll sind oder ein Spieler alle seine Tiefschlafplättchen in der Kammer platziert hat. Siegpunkte entscheiden bei „Astrobienen“ über den Sieger des Spiels. Diese sammelt man fleißig während der Partie. Und einen guten Schleck aus dem Siegpunkt-Honigtopf gibt es schließlich bei der Schlusswertung.

Das Spielgefühl

„Astrobienen“ sieht auf dem Tisch einfach unglaublich gut und fröhlich aus. Wieso schreibe ich das im Absatz Spielgefühl? Es ist einfach wahnsinnig befriedigend, einen so hübschen und lebendigen Bienenstock aufzubauen, die toll aussehenden Ressourcen zu managen und mit dem riesigen Bienenmutterschiff neue Planeten zu entdecken (und dann auch noch mitbestimmen zu dürfen, was man dort vorfindet).

Aber auch die Mechaniken schaffen Wohlbehagen, ohne dabei trivial zu sein. Wird die eigene Biene vom Spielplan geschubst, wird sie im Folgenden mächtiger. Erkunden die Mitspieler neue Planeten, stehen diese einem selbst auch zur Verfügung – und dann sogar oft in einer noch besseren Version. Werden eigene Tänze von anderen nachgetanzt, mehrt das unsere Gunst bei der Königin. Tanze ich den Tanz eines Mitspielers nach, habe ich manchmal neue Umwandlungsmöglichkeiten, manchmal sind sie einfach sehr viel effizienter. Das alles fühlt sich sehr harmonisch an.

Sicherlich kann ich auch mal durch das Kaufen einer bestimmten Wabe oder das Anfliegen eines Planeten Pläne der Mitspieler durchkreuzen. Das ist aber sehr viel seltener der Fall als beim passiv-aggressiven Workerplacement anderer Spiele, in dem ich Arbeitereinsetzfelder durch eigenes Einsetzen für andere Mitspieler sperre.

Das Aufbauen und Ausbauen der Waben gibt besseres Einkommen, mehr Lagerfläche, Sonderfähigkeiten oder Sofortboni. Viele Züge triggern bei „Astrobienen“ das Belohnungszentrum ganz direkt. „Astrobienen“ ist ein Spiel, bei dem sich eine Niederlage nicht so schmerzlich anfühlt, weil die Spieleerfahrung insgesamt so positiv ist.

Die Einkommensmechanik sorgt für interessante Entscheidungen. In der Regel werden die Arbeiterinnen regelmäßig vom Brett geschubst – das gilt insbesondere für Partien ab 3 Spielern. Daher muss der Spieler nur selten einen Zug aufwenden, um sich die eingesetzten Bienen wiederzuholen. Doch nur das Rückrufen löst das Einkommen aus. Der Spieler will das Einkommen der Agrarplättchen häufig nutzen, wenn er hier schon einen gewissen Aufbauaufwand betrieben hat. Jede zurückgeholte Biene kann das Einkommen einer (jeweils anderen) Agrarwabe auslösen. Wenn nun aber ständig die Bienen vom Spielbrett herunter geschubst werden, bekommt der Spieler kein gutes Momentum in die Einkommensphase. Also wird er heruntergeschubste Bienen auf einem Landeplatz zwischenparken. Von hier zurückgeholt, löst jede Biene ein Agrarwabeneinkommen aus. Allerdings stehen Landeplatz-Bienen bis zur Auslösung eines Einkommens nicht mehr für das Einsetzen zur Verfügung. Ein gutes Timing und ein gutes Gefühl für den Einsatz der beschriebenen Bienenpersonalinstrumente ist definitiv einer der Schlüssel zum Sieg.

Das Nutzen des Bienenalters ist ein weiterer Schlüssel. Hier ist das Timing erheblich. Was will ich geschafft haben bis zur ersten 4er-Biene, um den Bonus optimal zu nutzen? Kann ich die Bienen erhöhter Erfahrung so einsetzen, dass sie mir gegenüber einer Anfängerbiene auch einen Mehrwert bieten?

Die Saatkarten sorgen für die Überraschungsei-Momente. Ganz nutzlos sind sie nie, doch manchmal erlauben sie einem einen tollen Ausweg aus einem Timing-Dilemma. Oder sie bringen einem am Ende der Partie einen Haufen Siegpunkte, wenn sie dann ausgesät werden. Gerade, wenn hier dank des Einsatzes erfahrener Astrobienen eine gute Auswahl an Karten zur Verfügung steht, freut man sich doch oft über diese eine Karte.

Die Wiederspielbarkeit wurde beim Design von „Astrobienen“ mit fünf asymmetrischen Bienenstocktableaus, zwanzig verschiedenen Startplättchen (a.k.a. zwanzig verschiedenen Bienenfraktionen) und dreißig Ruhmeswaben adressiert. Dazu kommt der Zufall durch die Saatkarten und die zufällige Planetenauslage, deren Rohstoffertrag dann auch noch in der Partie beeinflusst werden kann. Sicherlich wiederholt sich das Spiel grundsätzlich, aber die Frage nach der optimalen Strategie und nach dem operativen Management des eigenen Bienenvolkes ist jedesmal eine andere.

Fazit: „Astrobienen“ ist ein anspruchsvolles Wohlfühlspiel. Es ist einfach wunderschön und sehr belohnend, aber nicht überladen. Die Spielerinteraktionen sind dank Arbeiterinneneinsetzen in der Regel positiv. Wem das zu glatt ist, für den ist „Astrobienen“ vielleicht nichts. Alle anderen sollten mal einen Astrobienentanz wagen. Denn es stecken eine Menge interessanter Entscheidungen in der Spieleschachtel mit genug neuem Spin. Die Arbeiterinnen machen es möglich.

Astrobienen
Brettspiel für 1 bis 5 Spieler ab 14 Jahren
Connie Vogelmann
Feuerland 2024
EAN: 4260705310347
Sprache: Deutsch
Preis: 74,90 EUR

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