Mondbasis Shackleton

Wenn Giant Roc auf der Packung mit Aufdruck „Mondbasis Shackleton“ steht, ahnt man es bereits. Hier wartet ein vollumfängliches Eurogame-Space-Erlebnis. Und, so viel sei vorweg gesagt, diese Erwartung erfüllt sich. Und trotzdem überrascht das Spiel. Nur so viel: Ich würde „Mondbasis Shackleton“ mit Drei- oder Vier-Spieler-Besetzung dem frisch gebackenen Gewinner des Deutschen Spielepreises 2025 „SETI“ jederzeit vorziehen.

von LarsB

Der Shackletonkrater auf dem Mond ruft! Wir sollen dort eine Mondstation errichten. Allein? Nein. Unterschiedliche Konzerne unterstützen uns dabei. So wird das Einsetzen der bunten Raumfahrer-Meeple zu einer abwechslungsreichen Unternehmung. Volle Energie voraus! Ja, ja, ich muss erst noch Solarpanels aufstellen. So wollen es die Spieleautoren Fabio Lopiano (u. a. „Merv“, „Sankore“, „Ayar“) und Nestore Mangone (u. a. „Darwin’s Journey“, „Newton“, „Stupor Mundi“).

Das Spielmaterial

Der Hauptplan ist angenehm kompakt proportioniert. So bleibt noch Platz für drei der sieben Konzernboards sowie die Doublelayer-Basistableaus für jeden Spieler. Hier finden die sehr dicken Gebäudeplättchen und später auch die hölzernen Stations-Bewohner sicher Platz. Insgesamt machen alle Token (Rohstoffe, Geld, Solaranlagen ...) einen guten Eindruck. Lediglich das Auspöppeln habe ich schon deutlich besser erlebt. Die Holzteile sind ansprechend bedruckt und mit Klarlack überzogen. Letzteres verleiht einen ungewohnten Glanz und dient wohl auch dem Schutz der darunterliegenden Lackschichten. 

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Leider ist „Mondbasis Shackleton“ insgesamt sehr grau. Gut, der Mond ist grau. Aber etwas weniger Mondstaub und etwas mehr Spielbrett-Pep hätte das Spiel hübscher und ansprechender gemacht. „SETI“ präsentiert sich optisch eindeutig besser.

Besonders fällt die Aufbewahrungslösung von „Mondbasis Shackleton“ ins Auge. Für allgemeines Spielmaterial einerseits und für jeden Konzern andererseits wurden Papp-Böxchen bereits zusammengebaut beigelegt, um Ordnung halten zu können. Der Mehrwert gerade für „Mondbasis Shackleton“ liegt in der schnellen Bewältigung des modularen Aufbaus. Das Material für die Konzerne ist so schnell gegriffen. Beim Aufbau freue ich mich über so etwas. Insgesamt geht der Aufbau relativ flott für so einen Eurokracher. Die „Ersteinrichtung“ des Spiels dauert dafür etwas länger. Also nicht erst am Spieleabend auspöppeln!

Die Größe der Icons und der Kartentexte ist mir zu klein. Wenn ich nicht direkt an den Karten sitze beziehungsweise an den Konzernboards, kann ich die Effekte und Kosten nicht lesen. Da ist noch Luft nach oben. Ich frage mich, warum die Kartengröße nicht so gewählt wird, dass der Text eine bestimmte Mindestgröße haben kann. 

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Sehr positiv finde ich die Konzern-Infopappen. Auf einem Blatt ist alles zusammengefasst, was man über den Konzern wissen beziehungsweise nachlesen muss: Von generellen Spielregeln bis zur Kartenerklärung jeder einzelnen Karte ist alles da. Und weil es so schöne feste Pappe ist, reicht man das Blatt auch gern herum am Tisch, ohne dass das Dokument auf absehbare Zeit schäbig wird.
 
Der Spielablauf

In aller Kürze zusammengefasst handeln wir Shuttlephase, Aktionsphase und Wertungsphase dreimal ab. Dann ist „Mondbasis Shackleton“ vorbei. Und die Endwertung steht an. Natürlich geht es dabei um Siegpunkte. Was machen wir in den einzelnen Phasen?

In der Shuttlephase entscheiden die Spieler über die Spielerreihenfolge, das Rohstoff- sowie Geldeinkommen und die Art der Arbeiter, die dem Spieler in dieser Runde zur Verfügung stehen. Alles das ist auf den namensgebenden Shuttle-Plättchen abgedruckt. Für eines davon darf sich jeder Spieler entscheiden.

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Die Aktionsphase wird reihum gespielt. Insgesamt sechs Arbeiter setzt jeder Spieler auf dem Mond ein. Entweder am Rand des Shackletonkraters für Ressourcen, Geld oder Konzernressourcen, oder in den Kommandobereich für die Möglichkeit, die Ressourcen wieder loszuwerden: Ein Gebäude bauen, Konzernprojekte fertigstellen oder Konzernaktionen ausführen stehen hier zur Auswahl. Alle Astronauten am Shackleton-Krater kommen in der nächsten Phase in die Mondbasis auf das Spielertableau. Ohne Umweg (und quasi ohne weitere Aktion) kann man einen Astronauten aus dem Lunar Modul in seiner eigenen Basis einsetzen. Die Astronauten auf dem eigenen Spielertableau sind fleißige Gesellen. Mit ihnen baut man seine ganz eigene, kleine und flexible Mond-Engine auf für Einkommen, spezielle Boni oder auch schnöde Siegpunkte selbst. Natürlich muss Wohnraum frei sein. „Jochen, setz’ schon mal den Mörtel an! Wir müssen Mondgebäude bauen!“ 

Der Krater ist in Hexagonfelder unterteilt. Vor einem Bau muss ein Hexagonfeld mit einer Solaranlage erschlossen werden. Ohne Energie, gie, gie für die Batterie, rie, rie geht im Shackletonkrater nichts. Eine Gebäudeart findet hier allerdings nur einmal Platz. Und in jedem Hexfeld darf jeder Spieler nur ein Gebäude bauen. Ganz schön streng, dieses Mondbauamt … Für die fortgeschritteneren Gebäude brauchen wir dann noch ein Mindestlevel an Energie. Energie ist eine geteilte Ressource, die durch Installation von Solaranlagen erhöht wird. Haben wir wenig Energie, wird das Bauen der Solaranlagen mit Ansehenserhöhung belohnt. Die Ansehensleiste wiederum sorgt zum Beispiel für mehr Siegpunkte am Spielende, zusätzliche Möglichkeiten für Konzernaktionen, aber auch für höhere Wartungskosten. Ihr seht die Verzahnung?

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Die Konzernprojekte aus der Auslage des jeweiligen Konzerns kosten Geld und Energie. Je prominenter der Konzern auf der Mondoberfläche vertreten ist, desto mehr kostet der Spaß. Dafür wird der Spieler mit Siegpunkten und/oder Fähigkeiten belohnt, die für den Rest des Spiels einen Boost zu geben vermögen. Das ist dann ein weiterer Teil der Mond-Engine, die sich jeder Spieler aufbaut. Mittels Konzernaktionen wiederum kann man den „Konzern-Kram“, den man vorher mit den blauen Astronauten vom Kraterrand kommend eingesammelt hat, in Siegpunkte umwandeln. Diese Umwandlung funktioniert bei jedem Konzern anders. Mal treiben wir Handel, mal verwöhnen wir Weltraumtouristen und manchmal sind wir auf dem Sprung zum Mars. 

Das Einsetzen der Arbeiter am Kraterrand erzeugt Rohstoffe für erschlossene Hexagonfelder entlang einer korrespondierenden Hexagonreihe. Dabei sind für Felder, in denen man kein eigenes Gebäude hat, Aufwandsentschädigungen an den Mitspieler mit dem größten Gebäude zu entrichten. Mehr erschlossene Felder in der Reihe – mehr Ernte. Ich habe etwas von deinen Gebäuden und gebe dir eine kleine Belohnung dafür. Hier ist die Interaktion positiv.

Die Wartungsphase beinhaltet nach Auffrischung der Konzernbretter auch das Einsammeln der eingesetzten Arbeiter vom Kraterrand. Welcher Spieler diese Arbeiter für seine eigene Mondbasis bekommt, richtet sich nach dem Fleiß beim Gebäude errichten in der dem Arbeiter zugeordneten Hexagonreihe: Wer die Gebäude-Mehrheit hat, bekommt den Arbeiter. Jetzt stören mich deine Gebäude. Weil du die Gebäude-Mehrheit in einer Hexfeldreihe hast, bekomme ich nicht den Astronauten für meine Mondbasis-Engine!

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Auf der eigenen Mondbasis sorgen diese und schon vorher angeworbene Arbeiter nun für Einkommen. Dabei sind ihre Art (Farbe) und die Gebäude, in denen sie eingesetzt wurden, relevant. Gibt es zum Beispiel Geld oder Siegpunkte, darf man sich über Rabatt in der gleich folgenden Wartungsphase freuen oder bekommt Konzernprojekte günstiger aufgegleist. Wartungskosten, die man nicht begleichen kann, schlagen sich in der Verschlechterung des Rufs wieder: Es geht abwärts auf der Ansehensleiste.

Das Spielgefühl

In der ersten Partie muss man sich davon befreien, schon direkt eine tolle Punktzahl zu erreichen. Die Verknüpfung der Spieleebenen „Ressourcen erhalten“ – „Ressourcen über Konzerne in Siegpunkte umwandeln“ – „Mondbasis bauen“ – „Mondbasis bevölkern“ – „Mondbasis unterhalten“ – „Ansehen managen“ muss man spielen, um sie zu begreifen. Und allmählich versteht man, dass man seine Arbeiter nicht nur für Rohstoffe am Kraterrand einsetzt, sondern auch für Einkommen, Siegpunkte oder Boni in der eigenen Mondbasis. Und schon hat man die Gebäudekonstellation auf dem Mond im Blick – die aktuellen, und das, was wahrscheinlich noch kommen wird. Und man fragt sich, ob man doch etwas mehr Geld ausgeben soll oder die nicht so mächtige Sammelaktion machen soll, um dafür den Arbeiter auf die Mondbasis zu steuern – zumindest wahrscheinlich. Oder wo man noch zum Schluss bauen kann, um die Mehrheiten im eigenen Sinne zu verschieben. Doof nur, dass spätes Bauen so viel teurer ist. Wohl dem, der per se für spätere Aktionen weniger bezahlen muss, weil er die richtigen Arbeiter bei sich am Start hat.

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Die Interaktivität auf der Krateroberfläche ist für mich einer der spannendsten Aspekte in Eurobrettspielen in den letzten Jahren. Warum? Auf der einen Seite ist sie so positiv. Ich bekomme durch das Erschließen der Hex-Felder durch meine Mitspieler mehr Rohstoffe, mehr Geld, mehr Konzern-Token. Juhu! Und, na gut, ich bezahle dafür ein bisschen Geld. Das ist nur fair. Auf der anderen Seite herrscht auf der Mondoberfläche ein gnadenloser Mehrheitenkampf. Mehr Gebäudewert entlang der Hexagonreihe des eingesetzten Arbeiters ermöglicht mir das Einsetzen genau dieses Arbeiters in meiner eigenen Mondbasis – für Geld, Ressourcen, Ansehen, usw. Wer bei diesem Verteilungskampf leer ausgeht, wird es sehr schwer haben, um den Spielsieg mitzuspielen. Herausragend!

Die Asymmetrie durch die Fähigkeiten, die durch die Wahl der Nationalität ins Spiel injiziert wurde, legen Strategien nah. „Mondbasis Shackleton“ kann man deutlich strategischer spielen als „SETI“, bei dem man eigentlich immer versucht, das Beste aus der aktuellen Kartenhand zu machen, weil die Standardaktionen zu schwach sind. Der große Haufen an Karten stellen bei „SETI“ Stärke und Schwäche zugleich dar. „Mondbasis Shackleton“ ist mit neun Karten pro Konzern deutlich berechenbarer. Darüber hinaus ist man nicht so abhängig von den Karten. Hier gibt es weitere Ressourcen-Siegpunkt-Transformatoren neben den bereits auf den Konzernboards vorhandenen. Die Engine-Building-Karten sind für den Hauptspielfluss nicht so entscheidend und beziehen sich mehr oder weniger auf die Verbesserung der Generierung von Siegpunkten. Das Engine-Building findet auf dem Mond eben auch auf dem Spielerboard statt. 

Die Konzerngesellschaften werden vor dem Spiel ausgewählt. Dabei sind die Mondkonzerne mindestens so abwechslungsreich wie das außerirdische Leben in „SETI“, was man dort nach langer Suche mitten in der Partie auch erstmal regeltechnisch erschließen muss. Im Südkrater des Monds ist das einfach eleganter implementiert.

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Die gemeinsame Ressource „Energie“ stellt ebenso einen interessanten Twist dar. Es darf weder zu viel Energie da sein (dann darf man keine neue Solarpanels bauen und das Erschließen des Mondes stockt), noch zu wenig. Energie zum richtigen Zeitpunkt erzeugt, bringt uns Ansehen. Wenn allerdings eh schon so viel davon da ist, dann braucht man auch nicht mit Ansehen rechnen. Beim Spielen ist die Energieleiste allerdings etwas allein auf dem Hauptspielplan. Das hat zur Folge, dass das Bezahlen der Energie nicht so natürlich funktioniert und droht vergessen zu werden.

Zwei Spieler ist aufgrund der fehlenden Interaktion auf dem Mond sicherlich nicht die Ideal-Besetzung für „Mondbasis Shackleton“. Aber es funktioniert ohne weitere Krücken. Lediglich die Startaufstellung auf dem Mond wird durch zwei NPC-Kuppeln ergänzt. Seine Stärken spielt das Spiel mit drei Spielern oder in Vollbesetzung aus. Das Spiel lebt einfach von der Interaktion auf der Mondoberfläche. Ja, mit vier Spielern wird das Spiel nicht ruck-zuck zu Ende sein. Und aufgrund seiner Vielschichtigkeit verführt es den einen oder anderen Spieler zu „Kann-ich-das-noch-mal-zurückabwickeln-ach-ne-vorher-war-es-doch-besser-Momenten“. Spielegruppen, die zu viele dieser Spieler haben, sollten sich für „Mondbasis Shackleton“ einen Rundentimer stellen. Sonst dauert das Spiel zu lange.

Fazit: Unter einer dicken Schicht grauen Mondstaubs verbirgt sich ein herausragender Eurogame-Spieleleckerbissen. Die Mechanismen sind denkbar einfach, aber durch mehrere Spieleebenen intelligent verknüpft. Herausragend ist die Vielschichtigkeit der Interaktion. Die Konzerne sorgen für viel Abwechslung. Meiner Meinung nach ist „Mondbasis Shackleton“ das Spiel, was ich von „SETI“ erhofft und erwartet hätte. Bleibt zu hoffen, dass die Mondstaubschicht nicht zu dick ist und viele Astronauten den Weg zu unserem Erdtrabanten finden werden.

Mondbasis Shackleton
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Fabio Lopiano, Nestore Mangone
Giant Roc 2025
EAN 04255682705736
Sprache: Deutsch
Preis 75,00 EUR

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