Alien: Das Rollenspiel

Als 1979 der Film „Alien: Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ in den Kinos anlief, war Regisseur Ridley Scott nicht nur ein Paradebeispiel für eine gelungene Spannungskurve gelungen. Nein, dank der Schöpfung von H. R. Giger wurde auch ein fremdartiges Universum zum Leben erweckt. Eben jenes gilt es nun zu erkunden.

von André Frenzer

Seit dem erfolgreichen Filmdebüt wurde das „Alien“-Universum kontinuierlich ausgebaut. Neben einigen Fortsetzungen, welche die Geschichte von Sgt. Ripley fortschreiben und die Machenschaften des Konzerns Weyland-Yutani mehr in den Vordergrund rücken, gibt es mit der „Predator“-Reihe einige Crossover. Diese führen nicht nur weitere außerirdische Rassen in das „Alien“-Universum ein, sondern vertiefen auch den geschichtlichen Hintergrund dieses Settings.

Hintergrund

„Alien: Das Rollenspiel“ konzentriert sich allerdings völlig auf die Kernkonzepte der „Alien“-Saga. Dargestellt wird das Universum der Menschheit im Jahr 2190. Nachdem es auf der Erde langsam aber sicher zu eng wurde für die stetig wachsende Menschheit, suchten mächtige Konzerne nach neuen Möglichkeiten. Allen voran Weyland-Yutani, ein Technologie-Konzern, der rasch nach den Sternen griff. In den folgenden Jahrzehnten gelangen bemerkenswerte, technische Fortschritte. Interstellare Reisen wurden durch den Überlicht-Antrieb und Kälteschlafkammern ermöglicht. Die Besiedelung des Weltraums wurde mit Atmosphärenwandlern und Terraforming-Projekten durchgeführt. Immer weiter und weiter breitete sich die Menschheit aus und gründete Kolonie um Kolonie.

Mittlerweile gibt es drei große politische Machtblöcke, sowie mehrere Konzerne, die den bekannten Raum untereinander aufgeteilt haben. Während die der Erde naheliegenden Kolonien dabei relativen Wohlstand und Frieden erfahren, sind Auseinandersetzungen um die weit entfernten Kolonien an der Tagesordnung. Dort draußen wird das Leben von den Konzernen bestimmt, und Menschen sind kaum mehr als eine entbehrliche Ressource. Und genau in diesem rauen Grenzraum, eingeengt von der drückenden Umklammerung der Konzerne und doch völlig frei in einem eiskalten, fremdartigen Universum, bewegen sich die Spielercharaktere. Diese können als Marines, Siedler oder Frachterpiloten unterwegs sein und so den Grenzraum erkunden.

Regeln


Wie die meisten Spiele aus dem Hause Fria Ligan basiert auch „Alien: Das Rollenspiel“ auf den Regelmechanismen von „Mutant: Year Zero“. Das Würfelsystem ist ein einfaches Pool-System: Die Summe aus einem Attribut und einer passenden Fertigkeit ergibt den Pool sechsseitiger Würfel; jede geworfene Sechs zählt als Erfolg. Um den ständigen Stress, unter dem die Charaktere in „Alien: Das Rollenspiel“ leiden, darzustellen, gibt es dazu noch Stresswürfel. Diese können ebenfalls mit Sechsen Erfolge beisteuern, bei einer Eins jedoch läuft der Charakter Gefahr, in Panik zu verfallen. Auch die Kampfregeln folgen diesem einfachen Pool-Würfelsystem. Durch die niedrige Anzahl an Lebenspunkten, die jedem Charakter zugestanden wird, die Panikreaktionen und die großzügigen Sonderregeln, die gerade den Aliens mit auf den Weg gegeben worden sind, ist das System nicht nur sehr schnell, sondern auch sehr tödlich.

Die Charaktererschaffung geht leicht von der Hand. Man wählt einen Beruf für seinen Charakter aus – wie zum Beispiel Maschinist, Pilot oder Marine– und verteilt anschließend Punkte auf seine vier Attribute. Die Fertigkeitenliste ist mit gerade einmal 12 Fertigkeiten sehr schlank und wird durch den Beruf beeinflusst. Außerdem verfügt jeder Charakter noch über Talente, die sich ebenfalls positiv auf Probenergebnisse auswirken können. Ein paar Sonderregeln erlauben das Spiel von Droiden.

Weitere Inhalte

Stolze 400 Seiten stark ist das Grundregelwerk geraten, und so finden sich neben der Hintergrundbeschreibung und den eigentlichen Regeln noch zahlreiche Hilfen für angehende Spielleiter in diesem Buch wieder. Neben einem eigenen Kapitel für Ausrüstungsgegenstände gibt es umfangreiches Hintergrundmaterial über die Regierungen und Konzerne, die im Grenzraum aber auch auf den Kernkolonien ihre Intrigen spinnen. Ein eigenes Spielleiterkapitel gibt Tricks und Hilfestellungen, wie sich die fremdartige Bedrohung durch die xenomorphen Aliens im Rollenspiel manifestieren lässt. Ein umfangreiches Kapitel widmet sich dann auch genau jenen Kreaturen und beschreibt ihren Lebenszyklus und ihre außerordentlichen Fähigkeiten.

Das Ganze wird abgerundet durch einen ganzen Haufen Tabellen, mit denen sich Sternensysteme, Kolonien, einfache Aufträge und ganze Kampagnen zusammenstellen lassen. Mit „Der letzte Tag der Hoffnung“ wird darüber hinaus ein kurzes Einstiegsabenteuer geboten, das deutlich zeigt, wie brutal und dreckig es im „Alien“-Universum zugehen kann. Die Überlebenschancen der Beispielcharaktere stehen äußerst schlecht, und auf dem Weg zum Finale gibt es einige schwer verdauliche Entscheidungen zu treffen.

Optik

Das Layout des Bandes ist mit einem Wort treffend umschrieben: verschwenderisch. Aller Orten finden sich großformatige Illustrationen auf absolut hohem Niveau. Der vollfarbige Druck und der komplett in Textkästen gesetzte Text sorgen für eine wohlig-schaurige Atmosphäre beim Lesen. Ja, tatsächlich ist das Layout so großzügig, dass oftmals sehr wenig Platz für den eigentlichen Text eingesetzt wird. Was opulent aussieht, weist aber auch auf eine gewisse Streckung hin: Ich schätze, dass man das Regelwerk wohl auch auf 96 Seiten hätte unterbringen können, ohne viele Informationen zu verlieren.

Der einzige Wermutstropfen für alteingesessene Fans: Von der von H. R. Giger geschaffenen Optik ist – natürlich bis auf das Design der Aliens selbst – wenig geblieben. Die meisten Illustrationen wirken zu steril und kalt und nicht so biomechanisch organisch, wie Giger sie einst zeigte. Das macht den neuen Stil nicht schlecht, doch ich wollte es nicht unerwähnt lassen.

Kritik

Ein wenig fehlt mir die Idee, was ich mit „Alien: Das Rollenspiel“ eigentlich spielen soll. Das Regelwerk gibt sich reichlich Mühe, diese Frage zu beantworten, doch schlussendlich erledigt es das eher unbefriedigend. Der Hintergrund ist einfach reichlich dünn, um viel Kampagnenpotenzial zu bieten. Gewissenlose Konzerne und Konflikte zwischen Grenzkolonien sind vorhanden, doch das bieten zahlreiche andere Science-Fiction-Settings ebenso – und das in einer Tiefe, die „Alien: Das Rollenspiel“ nicht erreichen kann. Als Alleinstellungsmerkmal bleibt das Alien, das sich nun aber auch nicht in jedem Abenteuer wiederfinden darf, denn sonst verkommt eine Kampagne zur endlosen Monsterhatz und die tiefsitzende Angst vor diesem fremdartigen Killer geht verloren.

Für One-Shots, die sich gezielt des „Alien“-Universums annehmen wollen, ist „Alien: Das Rollenspiel“ aber hervorragend geeignet. Es bietet ein schlankes, durchdachtes und vor allem schnelles Regelsystem, alle notwendigen Hintergrundinformationen und alle Spielwerte, die es für den Einsatz der Xenomorphen braucht. Fraglich bleibt für mich allerdings, ob der Wiederspielwert damit so hoch ist, dass sich eine Anschaffung wirklich lohnt.

Fazit: Ein opulentes Layout, ein elegantes und schnelles Regelsystem und alle notwendigen Spielleiter- und Spielerelemente vereint: „Alien: Das Rollenspiel“ ist ein gelungenes System, wenn man einmal DEM Alien begegnen möchte. Einzig der Wiederspielwert erscheint mir nicht allzu hoch zu sein.

Alien: Das Rollenspiel
Grundregelwerk
Tomas Harenstam, Andrew E. C. Gaska u. a.
Ulisses Spiele 2020
ISBN: 978-3963315145
400 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 49,95

bei amazon.de bestellen