Alien – Die Entstehungsgeschichte

„In space no one can hear you scream.“ („Im Weltall hört dich niemand schreien.“) So steht es auf einem der berühmtesten Plakate der Filmgeschichte. „Alien“, der Kinofilm von Ridley Scott aus dem Jahre 1979, brachte mit Ellen Ripley (verkörpert durch die Schauspielerin Sigourney Weaver) nicht nur die erste richtige Actionheldin auf die Kinoleinwand, sondern prägt das Science-Fiction-Genre. Nun ist das 336-Seiten starke Werk zur Entstehungsgeschichte erhältlich, geschrieben und zusammengestellt von J. W. Rinzler.

von Daniel Pabst

Das Inhaltsverzeichnis von „Alien – Die Entstehungsgeschichte“ lässt bereits erahnen, dass dieses Werk annähernd so monumental sein wird wie der Film „Alien“. Das Maß dieses Hardcover-Sachbuchs beträgt 28 x 31 cm und es wiegt so schwer, dass man es beim Lesen vor sich ablegen muss und es sich gut als „Coffee table book“ eignet. Geboten werden  14 Kapitel, ein Vorwort und ein Nachwort, ein Anhang zum Cast und der Crew sowie eine Bibliographie (mit Büchern, Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften, Internetquellen und andere Medien) und Danksagungen. Exklusiv enthalten sind neue Interviews mit einzelnen Beteiligten.

Im Vorwort schildert der Autor J. W. Rinzler (auch bekannt für die Sachbücher: „The Making of Star Wars: The Definitive Story Behind the Original Film“ und „The Complete Making of Indiana Jones: The Definitive Story Behind All Four Films“) seine Faszination für Ridley Scott’s Alien-Film. Er habe direkt zugesagt, als ihm 20th Century Fox anbot, ein Sachbuch über „Alien“ zu schreiben. Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit Ridley Scott erhielt er die vollständige Sammlung der „geradezu unglaublichen Storyboards und eine Menge anderer Materialien“. Wer wissen will, wie Ridley Scott mit einer bis dahin unbekannten Schauspielerin und einem niedrigen Budget sowie jeder Menge Widrigkeiten einen Filmklassiker schuf, der ist hier richtig.

Die gebotenen Kapitel lauten wie folgt: Kapitel 1: „Flucht vom Teufelsplaneten“, Kapitel 2: „Urschreie“, Kapitel 3: „Arbeiterklasse im Weltall“, Kapitel 4: „Ein Martini für Ridley“, Kapitel 5: „Große Jungs“, Kapitel 6: „Weiter Richtung Weltall“, Kapitel 7: „Phasenverschiebung“, Kapitel 8: „Zeichen und Drehen“, Kapitel 9: „Türen und T-Shirts“, Kapitel 10: „Außerirdische Intrigen“, Kapitel 11: „Das Grauen“, Kapitel 12: „In die Enge gedrängt“, Kapitel 13: „Blut, Gewalt & Angst“, Kapitel 14: „Geburt eines Aliens“.

Diese Kapitel illustrieren immer einen Zeitraum des Schöpfungsprozesses. Angefangen bei Kapitel 1, welches den Mai 1968 bis zum Frühjahr 1976 umspannt. Kapitel 14 widmet sich dann dem Mai 1979 bis 1980 , also dem Zeitraum der Filmvorführungen bis zur magischen 52. Oscar-Nacht, in der der Film den Preis für die besten visuellen Effekte (H. R. Giger, Carlo Rambaldi, Brian Johnson, Nick Dilley, Roger Christian und Ian Whittaker) erhielt. Doch fangen wir ganz vorne an!

Die Entstehungsgeschichte von „Alien“ bot so viel Stoff, dass sie bereits Grundlage eines eigenen Films („Memory - Über die Entstehung von Alien“) geworden ist. In „Memory – Über die Entstehung von Alien“ wird den Zuschauenden angekündigt, dass jeder Film ein Dokument seiner Zeit ist. Der Film „Alien“ traf im Jahr 1979 einen Nerv (und trifft ihn immer noch), weil er mehr enthält als eine einfache Science-Fiction-Geschichte. Er stellt die Frage, was es bedeutet, Mensch zu sein, und wie man mit dem Unbekannten und Neuen umgeht.

J. W. Rinzler legt in seinem nun erhältlichen Sachbuch umfangreich dar, welche Wege beschritten wurden, damit „Alien“ in die Kinos kommen konnte. Den Beginn macht kein anderer als Stanley Kubrick. Wir lesen zu Beginn, dass es ohne diesen Regisseur wohl nie zu der Produktion von „Alien“ gekommen wäre. Denn Ridley Scott fand Science-Fiction „fragwürdig“. Seine Eltern haben ihm gesagt, dass man sich „so etwas“ nicht ansieht. Er selbst folgte der Ansicht seiner Eltern, dass es sich bei diesen Filmen um „Schund“ handeln würde und war damit nicht alleine. Doch nach der Filmvorführung von „2001: Odyssee im Weltraum“ (1968) war Scott hin und weg. Er wurde von Kubrick’s Machart und Genialität „abgeholt“ und dachte sich: „Das fühlt sich so echt und so logisch und so clever an … einfach magisch“. Er sah also ein: Gut gemachte Science-Fiction ist phantastisch.

Bis zum Jahr der Kinovorführung von „Alien“ sollten da allerdings noch mehr als 11 Jahre vergehen. Wie es zum Skript kam, welchen Einfluss die beiden Regisseure John Carpenter und Dan O’Bannon und ihr Indie-Film „Dark Star“ haben sollte, das erfahrt ihr alles in den ersten Kapiteln. Aufgelockert wird der sehr kleingedruckte Text durch große Illustrationen (Skizzen, Bilder vom Filmset, Filmausschnitte, Storyboards, Porträts der Darsteller, Filmplakate, Entwürfe und von Originalrequisiten).

Was wirklich gigantisch an „Alien – Die Entstehungsgeschichte“ wirkt, ist sein Umfang. Hier kann man sich über Stunden hineinlesen und durchaus verlieren. Bei der Fülle an Texten mit Hintergrundinformationen und Originalzitaten tut es gut, zwischendurch die Bilder und vor allem die Storyboards anzuschauen. Diese Storyboards lassen den Film nämlich noch einmal auf eine neue Art und Weise im Gedächtnis vorbeiziehen.

Unvergessen bleibt der Horror, den „Alien“ neben den aufgeworfenen philosophischen Fragen zur Schau stellt. Jede und jeder, der den Film gesehen hat, wird sich an das Alien-Baby erinnern, welches in der legendären „Chestburster“-Szene „herausspringt“. Auch hierzu erhalten Fans des Films Insiderwissen. Auf schockierend großen Bildern wird diese angsteinflößende Szene dargestellt und erklärt, wie heftig der Dreh für die Schauspielenden gewesen war. Ein Augenzeuge erklärte später, dass Sigourney Weaver aufgeschrien habe, Harry Dean Stanton übel geworden wäre, dass Tom Skerritt sich rücklings gegen eine Wand geworfen habe und Veronica Catwright den Kunstblutstrom direkt ins Gesicht bekommen hätte. Der Horror im Film war also nicht nur gespielt – sondern echt!

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass dieses Sachbuch sehr gelungen wiedergibt, warum „Alien“ ein Film ist, der bis heute begeistert. Mit Liebe zum Detail, dem Enthusiasmus der Schauspielenden, Ridley Scotts unermüdlichem Einsatz und der Kraft, die das gesamte Filmteam in die Produktion hineinsteckte, entstand ein Filmklassiker. Ehrlich gesagt erschlägt das Buch auf den ersten Blick und man ist fast geneigt, den Film vorzuziehen. Nach dem Lesen dieses Buches jedoch hat man so viel Hintergrundinformationen aufgesogen, dass sich der Film mit einem anderen Blick betrachten lässt. Daher ist dieses Buch allen Fans zu empfehlen, die Zeit und Ausdauer mitbringen, sich auf 336 Seiten informieren zu lassen. Geschätzte Lesedauer: 12 Stunden!

Fazit: „Alien – Die Entstehungsgeschichte“ gelingt es durch seine Fülle an Hintergrundinformationen tief in den Entstehungsprozess von „Alien“ abzutauchen. Die vielen Illustrationen machen das Lesen des sehr kleingedruckten Textes angenehmer. Letztendlich wird durch dieses Buch wieder einmal deutlich, dass es nicht nur gute Geschichten braucht, um einen richtig gelungenen Film auf die Leinwand zu bringen, sondern es einer Teamleistung bedarf, bei der jede und jeder bis an die Grenzen geht. Wer Science-Fiction immer noch belächelt, der sollte einen Blick in „Alien“ riskieren oder sich an einem gemütlichen Abend zuvor von „2001: Odyssee im Weltall“ begeistern lassen – so wie es auch Ridley Scott im Jahre 1968 getan hat. Zu empfehlen ist es sehr.   

Alien – Die Entstehungsgeschichte
Sachbuch
J. W. Rinzler
Cross Cult 2023
ISBN: 978-3-98666-407-7
336 S., Hardcover, deutsch
Preis: 59,00 EUR

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