von André Frenzer
Innerhalb des Grundregelwerks unterscheidet das Rollenspiel zwischen zwei Varianten von Abenteuern: die cineastischen Szenarien und die Kampagnen-Abenteuer. Während das cineastische Szenario einem klaren Drei-Akt-Muster folgt und üblicherweise als One-Shot funktioniert, sind die Kampagnen-Abenteuer auf ein längeres Spiel ausgelegt und sollten nicht ständig die übermächtige Bedrohung der Xenomorphen beinhalten, um den Effekt der von dieser fremdartigen Spezies ausgeht, nicht abzunutzen.
„Streitwagen der Götter“ ist nun ein cineastisches Szenario und als solches auch in drei Akte unterteilt. Es bringt vorgefertigte Spielercharaktere – und genügend Ersatzcharaktere – gleich mit. Die Spieler schlüpfen in die Rolle einer Frachterbesatzung, die auf ein Notsignal reagiert. Ein antriebsloses Raumschiff kreuzt ihren Weg und die Spielercharaktere setzen über, um nach dem Rechten zu sehen. An Bord treffen sie nicht nur auf die Überlebenden einer Jahrzehnte zurückliegenden Expedition, sondern auch auf das, was die Forschenden damals mit an Bord brachten …
Das Abenteuer ist in Gänze nichts für schwache Nerven und spiegelt das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, welches im „Alien“-Universum vorherrschen sollte, bravourös wider. Zu keinem Zeitpunkt der Handlung sind die Charaktere Herr der Geschehnisse und das, obwohl ihnen reichlich Bewegungsfreiheit gewährt wird. Schlussendlich entscheiden die Charaktere zwar über den Fortgang der Handlung, doch die Rahmenbedingungen werden von finsteren Konzernen fest gesteckt. Dazu gibt es reichlich Monstrositäten und tödliche Begegnungen bis hin zum Verlust des eigenen Selbst. Das ist nichts für zarte Gemüter, doch diese sollten vielleicht ohnehin Abstand nehmen von „Alien: Das Rollenspiel“.
Angehende „Alien“-Spielleiter werden von dem Abenteuer tatsächlich – auf seine Art – an die Hand genommen. Es gibt reichlich Zusatzinformationen, wie gesonderte Spielermotivationen und umfangreiche Bodenpläne für das zu erforschende Schiff. So liefert das Abenteuer bereits in der Beschreibung der Spielercharaktere genügend Stoff, damit der Spielleiter sich entspannt zurücklehnen und die Ereignisse, die sich entfalten werden, abwarten kann. Andererseits verzichtet das Abenteuer auch auf einen klaren Szenenablauf und gibt nur Anregungen für mögliche Entwicklungen. Das ist zwar generelle zu befürworten, allerdings natürlich auch für blutige Anfänger schwieriger umzusetzen. Schlussendlich ist die Einsteigerfreundlichkeit wohl nur in Bezug auf dieses spezielle System zu lesen, nicht auf das Rollenspiel im Allgemeinen. Denn um „Streitwagen der Götter“ wirklich genießen zu können, bedarf es einer spielfreudigen Gruppe, die Spaß am gegenseitigen Intrigieren hat, sowie einen flexiblen Spielleiter, der auf die Handlungen der Gruppe reagieren möchte.
Das opulente Layout orientiert sich am Grundregelwerk. Die verwendeten Illustrationen sind auf einem hohen Niveau und unterstreichen die Stimmung des Abenteuers gekonnt. Die Bodenpläne sind stimmungsvoll und detailreich genug, um flüssiges Spiel zu ermöglichen. Technisch gibt es nichts zu meckern.
Fazit: „Streitwagen der Götter“ ist ein hervorragendes „Alien“-Abenteuer mit viel Flexibilität und einem absolut gnadenlosen Plot. Wer einen Ausflug in dieses furchteinflößende Universum plant, sollte hier einmal reinschnuppern. Einzig der hohe Preis ist ein kleiner Wermutstropfen, den ich nicht verschweigen möchte.
Streitwagen der Götter
Abenteuerband
Andrew E. C. Gaska u. a.
Ulisses Spiele 2020
ISBN: 978-3963315152
48 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 19,95
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