Aliens – Die Entstehungsgeschichte

Tief im Weltraum schwebt ein Raumschiff vor sich hin. Von einem Suchtrupp entdeckt, wird auf diesem die einzige Überlebende geborgen. Wie Schneewittchen liegt sie in ihrem Glassarg. Ihr Name: Ellen Louise Ripley. Ihr ahnt es sicher schon: Hier handelt es sich um die Anfangssequenz des Science-Fiction-Horror-Klassikers: „Aliens – Die Rückkehr“ (1986). Nun liegt ein umfassendes Sachbuch und „Coffee Table Book“ mit dem Titel „Aliens – Die Entstehungsgeschichte“ vor – geschrieben von J. W. Rinzler, erschienen bei Cross Cult.

von Daniel Pabst

Gab es das nicht schon einmal? Ein Buch von J. W. Rinzler über Ellen Louise Ripley und ihre Weltraum-Abenteuer? Das Sachbuch mit dem Titel „Alien – Die Entstehungsgeschichte“ behandelte den ersten Film. Jetzt gibt es auch ein Exemplar zur Fortsetzung. Diese ausführliche Besprechung des Films „Aliens“ (auf Deutsch: „Aliens – Die Rückkehr“) aus dem Jahre 1986 (Regie von James Cameron) umfasst 336 Seiten und misst 28 x 31 cm. Wie auch das erste Sachbuch wiegt dieses Hardcover schwer. Am besten also man legt es vor sich ab.

Schlägt man „Aliens – Die Entstehungsgeschichte“ dann auf, so blättert man sich direkt durch vier doppelseitige Bilder, die Filmausschnitte von „Aliens“ zeigen. So wird man wieder in die Welt des Films transportiert. Am besten hat man natürlich den Film vorher gesehen – ansonsten wäre es ratsam, das schleunigst nachzuholen. Aufgeteilt ist dieses Sachbuch in zehn Kapitel und einen Epilog. Aufgelockert werden alle Texte durch großformatige Bilder, Skizzen und zahlreiche Zeichnungen. Am Ende gibt es eine umfassende Besetzungsliste, eine Bibliographie sowie Danksagungen.

Die Kapitel des Sachbuchs unterteilen sich wie folgt: Kapitel 1: „Die Gründungstruppe“, Kapitel 2: „Die Terminator-Königin“, Kapitel 3: „Drohnen und Krieger“, Kapitel 4: „Rangeleien um den Krieg“, Kapitel 5: „Phantom-Xenomorphe“, Kapitel 6: „Die Amerikaner“, Kapitel 7: „Adios, Loco“, Kapitel 8: „Ergebnisse unter Druck“, Kapitel 9: „Schaufensterpuppen zertrümmern“ und Kapitel 10: „Zickenkrieg“.

Hinter diesen neugierig machenden Überschriften verbergen sich verschiedene Zeitabschnitte der Produktion von „Aliens“. „Die Gründungstruppe“ beginnt im Jahr 1981 und der „Zickenkrieg“ endet im Jahr 1987. Wobei, das erste Kapitel beginnt eigentlich noch viel früher. Denn zunächst einmal wird der Regisseur vorgestellt. James Cameron wurde am 16.08.1954 geboren und erzählt uns, dass er sein „filmisches Geschichtenerzählen“ mit dem Alter von 12 Jahren lernte, als er begann, seine eigenen Comics zu zeichnen. Besonders schön liest sich da das Cameron Zitat, welches J. W. Rinzler in diesen Abschnitt aufgenommen hat: „Ein Comic ist Bild für Bild wie ein Film aufgebaut: Großaufnahme, Totale usw. Man lernt, wie man eine visuelle Erzählung erstellt. Irgendwann wollte ich Comiczeichner werden, also lernte ich das Zeichnen, indem ich Marvel-Comics kopierte.“

Wie schon Ridley Scott, ließ sich auch James Cameron – filmisch – durch Stanley Kubrick inspirieren. Zwei Jahre nachdem der junge Cameron das Comiczeichnen für sich entdeckt hatte bestaunte er im Kino, wie man einen zeitlosen Science-Fiction-Film komponiert. 1968 nämlich erblickte „2001: Odyssee im Weltraum“ die Kinoleinwand. Damit seien bei Cameron: „gleich mehrere Lichter auf(gegangen)“. Doch nicht nur dieser Film hat ihn beeinflusst, wie wir lesen dürfen. Filmproduktionen, die er mit Begeisterung ansah und davon fasziniert war – insbesondere weil sie die herkömmlichen Regeln brachen –, lauteten: „Die Reifeprüfung“, „Bonnie und Clyde“, „Easyrider“, „Woodstock“ und „Catch-22 – Der böse Trick“ und natürlich „Star Wars“ (1977). Am Ende war es dann der Film „Star Wars“ von George Lucas, welchen Cameron dazu brachte, beim Film zu arbeiten und seinen Comic-Entwürfen eigenes Leben einzuhauchen.   

Wie aber gelang es Cameron, in die Fußstapfen von Ridley Scott zu treten und dabei seine eigene Spuren zu hinterlassen? Das erfahrt ihr in den folgenden Kapiteln. Denn früh stand fest, dass mit „Aliens“ nicht nur eine billige Kopie von „Alien“ produziert werden sollte, sondern etwas, „das über das hinausgeht, was man im ersten Film gesehen hat“. Und da hat J. W. Rinzler dann einen 6-seitigen vorläufigen Entwurf von „Aliens“ abgedruckt. Darin heißt es: „Das Innere der Narcissus ist dunkel und still wie eine Gruft“. Damit ist der erste Schritt für einen Horror-Film schon gemacht worden. Überhaupt hat Cameron dazu beigetragen, dass in „Aliens“ mehr Monster auf die Leinwand gebracht werden, als es noch in „Alien“ der Fall gewesen war. Die Alien-Königin mit ihrem Eiersack zum Beispiel hatte es Cameron besonders angetan. Er schien wie ein Verrückter an dem Drehbuch von „Aliens“ zu feilen, obwohl – so erfahren wir im zweiten Kapitel – sein anderes Projekt („Terminator“) noch nicht die Kinopremiere gefeiert hatte. Welch eine Doppelbelastung also.

Im dritten Kapitel wird ausführlich behandelt, welche Konflikte es bei der Realisierung des Films gab. Denn Gale Anne Hurd sollte als Camerons Geschäftspartnerin und Freundin die Produktion übernehmen, was Durchsetzungsvermögen benötigte. So soll sie im Bewerbungsgespräch bei Fox plump gefragt worden sein: „Wie kann ein kleines Mädchen wie Sie so einen großen Film produzieren?“ Aber Hurds Referenzen überzeugten, und es konnten die weiteren Schritte der Realisierung gemacht werden. Ein vielleicht noch größeres Fragezeichen aber war, ob Cameron die Schauspielerin Sigourney Weaver für die Rolle der Ripley verpflichten würde. Denn auch hier soll Fox sich anfangs gesträubt haben. Zudem hatte die Schauspielerin selbst Bedenken an der Fortsetzung („Ich wollte ‚Aliens‘ nicht allein machen, um 20th Century Fox Geld einzubringen“). In einem persönlichen Gespräch aller Beteiligten in einem Hotel in Santa Barbara verstanden alle, dass Cameron einen Film machen würde, der „für sich selbst stand“ und in dem es „um Ripley ging“.

Nach einem Kräftemessen lenkte Fox ein und auch Weaver stand für die Rolle bereit (was ihr 1 Million Dollar als Gage einbrachte). Die weiteren Kapitel „Phantom-Xenomorphe“, „Die Amerikaner“ und „Adios, Loco“ von „Aliens – Die Entstehungsgeschichte“ beleuchten nach den „Rangeleien“ die Produktion des Films. Immer wieder lesen wir darin, dass die einzelnen Drehtage mit Spannungen begleitet waren. Zeitdruck und Stress forderten das Team besonders heraus. Denn sobald die Kamera lief, mussten alle zusammenhalten und sich professionell verhalten. Für diejenigen, die nicht vor der Kamera standen, lag ein besonderes Augenmerk nicht auf der Schauspielerei, sondern auf dem technischen Aspekt. Denn die Kulissen mussten so echt wie möglich aussehen und auch die Spezialeffekte sollten sehr authentisch aussehen, um die Atmosphäre des Films entstehen zu lassen. Auch die Waffen, von denen es in „Aliens“ so einige zu sehen gibt, mussten sorgsam behandelt werden. Weaver zum Beispiel meinte, dass alle sie „wie echte Waffen“ behandelten und die Platzpatronenhülsen sehr heiß wurden. Für manche Szenen aber hatte auch Weaver ein „tolles Stuntdouble“.

Die letzten drei Kapitel „Ergebnisse unter Druck“, „Schaufensterpuppen zertrümmern“ und „Zickenkrieg“ erklären, wie die Postproduktion und damit die letzte Phase von „Aliens“ realisiert wurde. Nachdem man drei Tage über den offiziellen Drehplan hinausgedreht hatte, bestimmte Fox den Zeitplan für den Schnitt, die Musik und die Soundeffekte. Mit nur 16 Wochen war das sehr ambitioniert. Kein Wunder also, dass so ein enger Zeitplan zu Reibereien und Anspannungen zwischen den Kreativen führte. Für Cameron war das ein „24-Stunden-Job“. Der Cutter von „Alien“ war Ray Lovejoy, der gut mit Kubrick zurecht gekommen war und den Cameron aus dem simplen Grund einstellte: „Weil er mit Stanley Kubrick gearbeitet hatte“. Trotz des engen Zeitplans nahm man sich aber die nötige Zeit, um Schocker, wie Ripleys „Chestburster“-Szene zu kreieren. Eine (Albtraum-)Szene übrigens, die mehr sagt, als „50 Seiten Dialog“. Oder mit den Worten von Stan Winston („Special Effects“) ausgedrückt: „Das ist wirklich ein wunderbarer Effekt. (…) Das war besonders wirkungsvoll, weil jeder, der den ersten Film gesehen hat, genau weiß, was das ist, aber er bricht nie wirklich hervor“.

Richtig zufrieden war Cameron aber dann doch nicht. Trotz Überstunden sah er sich noch nicht am Ende. Sein Perfektionismus, so lesen wir, forderte weitere Zeit. Er kommentierte es mit: „Wir haben nur halb so viel bekommen, wie ich wollte, und doppelt so viel, wie wir brauchten.“ Und obwohl der Film noch lange nicht fertig war, wurde bereits ein offizieller Starttermin festgelegt: der 18. Juli 1986. Die Königin der Aliens war übrigens die komplizierteste kabelgesteuerte „Puppe“ des Films. Aber auch die Ripley-Puppe im finalen Kampf wurde durch mehrere Puppenspieler bewegt. Da bekommt der finale Kampf eine ganz neue Bedeutung beim nächsten Ansehen des Films, oder? Hier wurde übrigens ohne Storyboard gedreht – wobei die Puppen mehrmals repariert werden mussten.

Ein „Zickenkrieg“ wurde entfacht, da die Zeit ablief und Cameron keine Testvorführungen durchführen konnte. Cameron selbst sagte zu „Aliens“: „Ich wäre gestorben, um einen Film wie ‚Aliens‘ zu sehen, als ich 14 war“. Zu guter Letzt also war Cameron mit sich und dem Team zufrieden. Was aber würde das Publikum dazu sagen? Bei der Premiere am 18. Juli 1986 dominierte der parallellaufende Film „Top Gun“ (Regie: Tony Scott) an den Kinokassen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer aber standen in der ersten Mitternachtsvorstellung von „Aliens“ auf und jubelten. Der Start des Horror-Science-Fiction-Films war geglückt. In den ersten zehn Tagen spielte „Aliens“ satte 25 Millionen Euro ein. Ein Film, der das (junge) Publikum begeisterte, da das Horror- das Science-Fiction- und das Kriegsfilm-Genre so gut miteinander vermengt wurde. Zudem veränderte „Aliens“ – wie schon „Alien“ – die klassischen Rollenbilder im Film. Mit Ripley war die Actionheldin endgültig etabliert.

Auf den 336 Seiten bekommt man also sehr viel geboten. Von den Informationen fühlt man sich mitunter überfordert. Es gibt Unmengen an Detail- und Insiderwissen, welches man so vielleicht nicht benötigt hätte. Wen interessiert es beispielsweise auf den Tag genau zu wissen, welche Szenen mit welchen Schauspielern, Effekten, Kostümen, Make-Up etc. gedreht wurden? Jedoch geben gerade solche Details den Fans tiefe Einblicke in die Produktion von „Aliens“. Gerade für Film-Liebhaber ist das spannend.

Besonders spaßig ist es, spontan eine Seite dieses Sachbuchs aufzuschlagen und sich in die Welt von „Aliens“ mitnehmen zu lassen. Die großen Bilder, die Crewmitglieder und Filmszenen zeigen, werten „Aliens – Die Entstehungsgeschichte wahrlich auf. Durch ihre Größe und das gewählte Format des Sachbuchs lassen sich die Filmsequenzen sehr intensiv wahrnehmen. Da bekommt man direkt Lust, sich den Film erneut anzusehen. Auch die Skizzen aus dem Storyboard und zur Figurenentwicklung (insbesondere der Aliens) sind eine Augenweide.

Einziges Manko an dem Buch ist die – teilweise – sehr kleine Schriftgröße, die für die Texte verwendet wurde. Da benötigt es ausreichend Licht und Pausen fürs Lesen, da die Augen sonst rasch ermüden werden. Bei den 336 Seiten erwartet jedoch ohnehin niemand von einem, dass dieses Sachbuch in einem durchgelesen wird. Die geschätzte Lesezeit beträgt für dieses Sachbuch, wie bei „Alien – Die Entstehungsgeschichte“, ca. 12 Stunden.

Fazit: J. W. Rinzler hat es geschafft, die grandiose Fortsetzung des Films „Alien“ in einem Sachbuch festzuhalten und zu feiern. Es bereitet Freude, sich durchzulesen, wie James Cameron den Film „Alien“ von Ridley Scott (1979) mit seiner Fortsetzung von 1986 vorangetrieben hat. Abermals folgen wir der Filmheldin Ellen Louise Ripley durch den dunklen und furchterregenden Weltraum, welcher fasziniert. „Aliens – Die Entstehungsgeschichte“ ist ein schönes Sachbuch, welches Film-Fans des Science-Fiction-Genres und Horror-Genres begeistern wird.

Aliens – Die Entstehungsgeschichte
Sachbuch
J. W. Rinzler
Cross Cult 2024
ISBN: 978-3-98666-409-1
336 S., Hardcover, deutsch
Preis: 59,00 EUR

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