The Walking Dead: Taifun

Noch bist du in Sicherheit und alles ist friedlich. Aber was würdest du tun, wenn dein Heim nicht nur von einer Horde Zombies bedroht wird, sondern eine Welle von mehreren hunderttausend Zombies heranrauscht? Aufgeben? Kämpfen? Abhauen? Vor dieser Entscheidung steht nach der Zombie-Apokalypse eine Gruppe Überlebender in China.

von Lars Jeske

Robert Kirkman hat mit der Comic-Serie „The Walking Dead“ vor fast 20 Jahren dem Zombie-Genre neues Leben eingehaucht und ist damit mittlerweile im Mainstream angekommen. Die Comics wurden Teil der Popkultur und in diverse weitere sinnige und unsinnige Medien übertragen. Somit gibt es neben der erfolgreichen TV-Serie samt Spin-Off auch selbstverständlich Videospiele, Brett- und Kartenspiele sowie ein Malheft und Puzzle. Naheliegenden ist dabei natürlich eine Adaptionen als Romane, von denen es ebenfalls bereits einige gibt. Das neueste Werk ist das von Wesley Chu verfasste „Taifun“.

Themen und Geschichten gibt es schließlich noch genügend, sind doch bei weitem die meisten Geschichten noch unerzählt. Schließlich liegt bei Kirkman als Amerikaner nicht allzu überraschend der Fokus auf einer Gruppe Amerikaner, die sich in den USA durchschlagen und gegen die Gräuel der neuen Welt stellen müssen. Somit ist es thematisch eine willkommene Abwechslung, dass sich Chu für das Thema Asien und dabei China entschieden hat. Da somit nur die Grundthese für die Situation in der Welt als Hintergrundmotiv gewählt wurde, kann sich der Autor völlig frei aller bisherigen Zeitachsen und Charaktere bewegen, da die Geschichte in keinem Bezug zu anderen Geschehnissen oder Personen der bekannten Comic-Serie stehen muss.

Die Ereignisse im Roman „Taifun“ spielt circa sechs Monate nach dem Ausbruch der weltweiten Seuche. Somit ist jeder Insider und Fan der Reihe etwas im Wissensvorsprung gegenüber den handelnden Personen, da dieser bereits mehr über die Hintergründe und die Verbreitung dieser Seuche weiß. Zombies gibt es allerdings überall und die wenigen verbliebenen Menschen haben sich in kleinen Gruppen organisiert und versuchen menschenwürdig zu überleben. So weit, so bekannt.

Ein toller Ansatz von Wesley Chu ist dabei die etwas ideologisch gefärbte Idee einer Gemeinde, die sich selber „Lichtblick“ nennt und ein Areal um eine Wasseraufbereitungsanlage okkupiert hat. Wenngleich von der Zentralregierung in Peking abgeschnitten, gibt es weiterhin eine hochrangige Führungsperson, welche mit Hilfe der örtlichen Armee die Macht inne hat, um geordnet und zentral gelenkt für das Überleben der Bewohner zu sorgen. Man nimmt sich mit gesundem Selbstverständnis als temporäre legitimierte Regionalregierung der Provinz Hunan wahr und organisiert das Leben für alle so gut es geht. Mit über Lautsprecher ununterbrochen mantrahaft erschallenden Durchhalteparolen im Sinne der Partei und der ausgerufenen „Revolution der Lebenden“ muss jeder seinen Teil zum Erfolg beitragen. Sei es als Wächter, Arbeiter im Lager oder als Mitglied eines der hoch angesehenen Windteams, die die Umgebung von Zombies sauber halten und immer auf der Suche nach Beute für die Gemeinschaft sind.

Auf diesen Streifzügen lernen wir den Großteil der Protagonisten kennen. Im Mittelpunkt stehen der junge Zuh, der gütigen Bo und die taffe Elena. Letztere ist Amerikanerin und nur aufgrund eines Auslandsaufenthaltes von ihrer Familie getrennt und sitzt nun mit ihrem Auslandssemester-Flirt Zuh in China fest, ohne zu wissen, wie es ihrer Familie daheim in den Staaten seither ergangen ist. Ein interessanter Charakter ist zudem deren Anführer, der Windmeister Hengyen.

Nach der Einführung dieser Charaktere wird alsbald die Handlung des Romans abgesteckt: Beim namensgebenden aufziehenden Taifun handelt es sich nicht um das Naturphänomen des tropischen Wirbelsturms, sondern es ist ein gewaltiger Sturm in Form von zig Tausenden Zombies, die langsam auf den Lichtblick zustolpern und ihn durch schiere Masse einfach überrennen würden. Nun ist guter Rat teuer, ob man fliehen oder kämpfen sollte, wenngleich man in einem Kampf hoffnungslos unterlegen wäre.

Wenngleich die Story gut anfängt und das Setting sehr interessant wirkt, verliert sich deren Spannung relativ schnell. Als klar wird, dass man (in guter amerikanischer Tradition) nicht widerstandslos aufgeben wird, plätschert das Buch bezüglich der Handlung für knapp 200 Seiten linear bis zum Showdown so vor sich hin. Bleiben aber noch viele andere Bestandteile, die ein gutes Buch ausmachen. Leider konnte mich Chu aber auch bei diesen nicht überzeugen oder glaubhaft als Rezipienten mit der Geschichte und deren Aufmachung abholen.

Vielleicht ist es dem geschuldet, dass er selber Amerikaner ist und sich das Setting mit den Parteiparolen und der Organisationsstruktur dadurch merkwürdig anfühlt. Anfangs weiß man als Leser dadurch nicht, ob es sich um eine überspitzte Karikatur handeln soll, die in plakatives Systembashing übergeht, oder es lediglich ein misslungener Versuch ist, die chinesische Mentalität abzubilden. Dazu kommt, dass die Charaktere eher blass bleiben und man ungewohnt distanziert die Geschichte miterlebt. Bei einem derartigen Buch, das einen relativ kurzen Zeitabschnitt beleuchtet, erwarte ich keine großartige Charakterentwicklung und tiefschürfende Lebensreflexionen als Teil der Adoleszenz und Selbstbefreiung, aber dass es nicht einmal eine überschaubare Entwicklung bei einer der Figuren gibt, verschenkt etwas vom Potenzial.

Ein Pluspunkt ist die richtige geographische Einordnung und Lokalisierung, und für die Stimmung gibt es den chinesischen Namen der Zombies (jiãngshî), und sonstige chinesische Titel für Personen werden als Anrede auch benutzt. Leider spürt man beim Lesen nur in wenigen Momenten Ansätze der Intensität, die die Comics von „The Walking Dead“ ausmachen, wodurch bei jedem anderen Werk aus dieser Welt die entsprechende Messlatte noch einmal höher liegt. Durch diesen besonderen Anspruch an das Werk bleibt es doch weit hinter den Erwartungen zurück.

Fazit: „Taifun“ ist eine „The Walking Dead”-Geschichte, die im Reich der Mitte angesiedelt ist und somit losgelöst betrachtet werden kann. Es ist eine sehr flüssig geschriebene Übersetzung und lädt mit den knapp 400 Seiten zum bedenkenlosen Schmökern ein. Ein Buch, das vermutlich ohne die Einbettung ins „The Walking Dead“-Universum nicht einmal eine deutsche Veröffentlichung nötig gemacht / geschafft hätte. Es liest sich schnell weg, ist aber an einigen Stellen etwas länglich und zu vorhersehbar, um länger im Gedächtnis haften zu bleiben.

The Walking Dead: Taifun
Urban-Fantasy-Roman
Wesley Chu
Cross Cult 2020
ISBN: 978-3-96658-044-1
385 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 14,00

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