von Daniel Pabst
„Red Hands – Tödliche Berührung“ ist ein Thriller-Roman von Christopher Golden (unter anderem bekannt für „Baltimore“, „Snowblind“, „Something she lost“, „Road of Bones“). In diesem 465 Seiten starken Roman aus dem Jahre 2022 steckt sich die Bürgerin Maeve Sinclair mit einem Virus an. Das amerikanische Kleinstadt-Idyll „Jericho Falls“ und das Leben der jungen Frau werden brutal zerstört, und es beginnt eine nervenaufreibende Jagd, um die Übertragung des Virus zu stoppen. Der Verlag Cross Cult, bei dem dieser Roman erschienen ist (deutsche Übersetzung: Johannes Neubert), hat die Seiten der Paperback-Version passend zum Cover in einem leuchtenden Rot gefärbt. Das sticht hervor. Wie viel von „Red Hands“ wird bei den Lesenden haften bleiben?
Der Einstieg in den Roman geht schnell und ist erschreckend brutal. Nachdem der Fahrer mit seiner Todeswaffe die Parade am 4. Juli zum Erliegen gebracht hat, steigt dieser aus und versucht davonzurennen. Die wenigen Überlebenden wollen den unbekannten Täter schnell aufhalten, was misslingt. Denn dieser Mann trägt ein Virus in sich, das jeden, der berührt wird, in weniger als einer Minute sterben lässt. Maeve Sinclair, eine junge Frau aus „Jericho Falls“, wird davon Augenzeugin. Voller Wut schlägt sie mit einem Baseballschläger zu. Der Mann taumelt, und als sie sein Handgelenk nach dem Puls abtastet, erschrickt sie vor dem, was sie gerade getan hat.
Ab da an ist Maeve die Flüchtende. Und wohin man schaut gibt es Verfolger sowie Verfolger der Verfolger. Dies liegt aber gar nicht an ihrer Handlung mit dem Baseballschläger, sondern an ihrem Griff des fremden Handgelenks. Denn die Berührung mit dem Unbekannten hat das Virus übertragen! Hubschraubereinheiten landen in der Stadt und rufen eine sofortige Quarantäne aus. Regierungen, Geheimdienste und die Ortspolizei verfolgen dabei ihre eigenen Ziele – und kommen sich gehörig in die Quere. Was hat „Project Red Hands“ damit zu tun? Und wie soll Ben Walker, ein Experte für übernatürliche Wissenschaft, in dieser Sache helfen? Ist Maeve doch unauffindbar. Sie irrt im Schockzustand durch die Wälder und Berge von „Jericho Falls“!
Weite Strecken des Thrillers spielen sich in den Wäldern und Bergen ab. Auf der einen Seite ist die Flüchtende, die dicken schwarzen Schleim aushustet und verzweifelt durch den Wald rennt, dabei Ästen ausweicht und zunehmend nur noch schwer atmen kann – immer auf der Suche nach einem Unterschlupf. Das verlassene Gasthaus mit dem romantischen Namen „Moonglow“ klingt schon sehr verheißungsvoll, oder? Auf der anderen Seite sind die Jäger, von denen einer mit einem knochenweißen Fallschirm zu Boden segelt, andere mit Motocross-Maschinen durch den Matsch rollen und über Gebirgspfade dröhnen. Und was können die bestausgerüsteten Fährtenleserinnen und Spurensucher erreichen? Plötzlich leuchtet eine Pistole im Regen …
Neben diesem spannungsvollen und abenteuerlustigen Handlungsstrang entfaltet der Autor von „Red Hands“ eine Familientragödie, indem er den Zusammenbruch einer Familie zeigt. Ohne zu viel vorwegzunehmen, ist Maeves Vater stark alkoholsüchtig und tablettenabhängig. Seine zweite Tochter namens Rose dagegen ist quickfidel und macht sich zur Aufgabe, ihre Schwester vor allen anderen ausfindig zu machen – selbst wenn das ihren Tod bedeuten sollte. Für sie darf Maeve in keine Hände von experimentierfreudigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geraten. Rose glaubt unbeirrbar an das Gute sowie die baldige Genesung ihrer Schwester. Aber wie sollte ein derart bösartiges Virus, welches Menschen nach nur einer Berührung tötet, aufzuhalten sein?
Maeve verspürt genau das: Die Sehnsucht nach der Berührung. Der Drang wird immer größer, je länger sie alleine ist. Und wenn es nur ihre Schwester oder deren Freundin Priya wäre, die sie umarmt; sie sich an deren Brust ausheulen könnte. Statt etwas essen zu wollen, entwickelt sich bei ihr also ein Hunger nach menschlichen Berührungen – ein gefährlich nagendes Gefühl. Und so erhält „Red Hands“ ein weiteres Spannungsmoment, namentlich den Konflikt zwischen dem Kopf und dem Herzen. Maeve fühlt diesen Wandel in ihr. Ein „Etwas“ in ihren Händen versucht allmählich die Kontrolle zu übernehmen, um sich überall auszubreiten. Doch noch kann Maeve diesen Trieb unterdrücken. Stellt sich beim Lesen dieser Passagen jedoch durchgehend die drückende Frage, wie sie reagieren wird, wenn sie erstmalig wieder auf die Zivilisation treffen wird?
„Red Hands“ ist ein vielschichtiger Roman, der sich um die Frage dreht, wie man mit Krankheiten umgeht und was die Menschheit gemeinsam dagegen tun kann. In „Red Hands“ versuchen Wissenschaft, Regierungen, Geheimorganisationen, Familien, Freunde und die Erkrankte selbst eine Lösung zu finden. Das ist gruselig und lässt Raum für Vergleiche. Stellenweise schweift Christopher Goldens Erzählstil ab oder ist zu detailliert ausgefallen, sodass die emotionalen Momente und brennenden Fragen über das Virus durch zig Einsatzkräfte, Söldner und Generals verdrängt werden. Maeve zu finden wird so (trotz der technologischen Überlegenheit) zu einem Kraftakt. Vernachlässigt man diese seitenlangen Beschreibungen, wird man „Red Hands“ nicht mehr aus der Hand legen, um zu erfahren, ob Maeve die Kur gelingen wird oder ob das Leben aus ihren Händen gleitet.
Leseprobe
Fazit: „Red Hands“ ist berührend. Der jungen Infizierten und ihrer liebevollen Schwester zu folgen, um mitzuerleben, wie sie nicht nur gegen das Virus kämpfen, sondern sich gegen Verfolger wappnen, ist aufregend, gruselig, teilweise herausfordernd und auch emotional. 100 Seiten weniger hätten der durchgehenden Spannung gutgetan. So ist „Red Hands“ insgesamt „nur“ ein guter Thriller-Roman, der nichtsdestoweniger empfohlen werden kann.
Red Hands – Tödliche Berührung
Thriller-Roman
Christopher Golden
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-632-0
465 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 15,00
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