von Lars Jeske

Vor allem seine Freundin Andrea und sein Sohn Carl sind maßlos von Rick als ihrem Anführer enttäuscht. Einfach so schnell klein beizugeben, sind sie von ihm bislang nicht gewohnt. Andrea will sich sogar von ihm trennen, da sie seine Verhaltensweise nicht versteht. Daher muss er sie widerwillig doch in den geheimen Plan einweihen, den er mit Jesus ausgeheckt hat. Dadurch verringert er jedoch dessen Erfolgschancen und bringt Andrea in Gefahr. Als Negan mit seiner Schlägerbande in Alexandria anrückt, sieht sich nunmehr der kleine Carl in der Pflicht, etwas gegen den übergroßen Negan zu tun. Beim Entladen der geplünderten Waren in ihrem Lager hat dieser eine kleine Überraschung vorbereitet.

Jesus gelingt es unterdessen, den Stützpunkt von Negan und seinen Leuten zu lokalisieren, welcher passenderweiser Sanctuary genannt wird. Derweil findet Rick mit einem Suchtrupp von Carl keine Spur. Als Jesus nachts zurückkommt, kann Rick eins und eins zusammenzählen und macht sich gleich auf den Weg, um Negan zu konfrontieren. Da dieser seinen Sohn wider erwarten unbeschadet freilässt, spielt Rick nach außen hin weiterhin den geschlagenen Anführer der kleinen Gemeinde, welche brav ihre Abgaben leisten wird. Doch insgeheim schmiedet er bereits am Plan, wie er den Tyrannen dauerhaft loswerden kann. Zupass kommt ihm dabei, dass Jesus ganz nebenbei noch ein Königreich in petto hat…

Auf der einen Seite erfährt man von dem gefährlichen Spiel Ricks der Gemeinde, seine Unterwürfigkeit zu demonstrieren und dadurch als Anführer nicht mehr ernst genommen zu werden, während er dennoch daran arbeitet, das Joch zu zerschlagen. Aber hat er trotzdem im entscheidenden Moment die Einwohner Alexandrias hinter sich, wenn der Moment kommt zurückzuschlagen? Oder haben sie dann kein Vertrauen mehr in ihren Anführer, der sie zudem absichtlich belogen hat? Carl ist zudem nicht der einzige, der sich mit der Situation nicht anfreunden will, manch andere Bewohner haben bereits konkrete Pläne, die Situation zu ändern.

Auf der anderen Seite wird durch das Manöver von Carl dem Leser erstmalig die Gelegenheit gegeben, einen Wissensvorsprung vor den Protagonisten zu bekommen. Denn es gibt eine exklusive Führung durch das Sanctuary und einen ersten Einblick, wie Negan denkt und plant, um dessen vielschichtigen Charakter zumindest in Ansätzen zu verstehen. Ein in diesem Fall von den Lesern gern angenommener, wenngleich gängiger Kniff von Autoren. Für „The Walking Dead“ ist das ein Novum und passt sehr gut, um dem nunmehr noch mehr gefesselten Leser mehr Details über diesen undurchsichtigen Gegner der friedvollen Gemeinschaft zu offenbaren.

Auch im Sammelband „Grenzen“ wurde von den Autoren wieder verhältnismäßig viel (globale) Handlung in den wenigen Seiten des Comics untergebracht, ohne dass dadurch die aktuellen Ereignisse oder die Action zu kurz kommt. Ein Trend, den man als Leser wohlwollend annimmt und der einen den Comic noch schneller verschlingen lässt, um gleich nach dem nächsten greifen zu können.
 
Fazit: Die Spielwiese hat sich vergrößert und die neue Welt für die Bewohner in Alexandria ist aufregender geworden. Eine fragile Freundschaft und eine erbitterte Feindschaft stehen am Beginn dieser neuen Epoche, dazu kommt ein König samt Tiger. Das vor zwei Bänden bereits angedeutete, große Potenzial durch den entwickelten Handlungsverlauf wird in „Grenzen“ sehr gut (um nicht zu sagen grenzenlos) genutzt. Dadurch, dass die Hauptpersonen derzeit optisch deutlich von einander unterscheidbar sind, ist es zu verschmerzen, dass augenscheinlich auf den Hintergrund der Szenen nicht so viel Zeit für Details aufgewendet wurde. Eindeutig Abzüge in der B-Note. Wenn man das große Ganze betrachtet, ist die Story jedoch auf alle Fälle erneut sehr spannend umgesetzt.

The Walking Dead 18: Grenzen
Comic
Robert Kirkman, Charlie Adlard, Cliff Rathburn
Cross Cult 2020
ISBN: 978-3-95981-376-1
134 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 8,99

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