The Walking Dead 12: Schöne neue Welt

Unverhofft kommt oft. Während die Hauptstadt weiterhin das erklärte Ziel der Gruppe Überlebender ist, wird der tägliche Kampf ums Überleben immer schwerer. Als sie dann unverhofft in das Paradies auf Erden eingeladen werden, ist eine gesunde Portion Skepsis mehr als angebracht. Denn wer hat heutzutage noch etwas zu verschenken …

von Lars Jeske

Die „Schöne neue Welt“, so der wiederum überaus passende Titel des nächsten Sammelbandes, präsentiert sich anders als gedacht. Nach den vielen Entbehrungen, Enttäuschungen, Grausamkeiten und Verlusten an Mensch und Moral, gibt es einen Hoffnungsschimmer am Horizont: Washington, D. C. Ein Ort, an dem alles besser werden soll, ist doch Eugene gut informiert. Auf dem letzten Abschnitt bekommen Rick, Michone und der Rest der Gruppe jedoch Gesellschaft. Dieses Mal jedoch nicht von einer weiteren Horde Beißer, sondern einem Menschen. Einem freundlich-selbstlosen sogar. Aaron, so der Bote, kommt mit dem überaus großzügigen Angebot näher, dass alle in der nahe gelegenen Stadt Alexandria Unterschlupf finden, so sie sich anschließen und konstruktiv integrieren wollen würden. Das klingt selbstverständlich zu schön, um wahr zu sein. Kein Wunder also, dass nach den harten Monaten dieses Angebot erst einmal überaus skeptisch betrachtet wird. Um sich jedoch nicht mit unnötigen Was-Wäre-Wenn-Wahrscheinlichkeiten zu quälen, willigt die Gruppe schließlich ein zumindest einmal in Alexandria vorbeizuschauen. Vielleicht ist es doch ein Ort, um länger zu bleiben …

Anders als das düster illustrierte Titelbild suggeriert, erhascht die Gruppe nur einen flüchtigen Blick auf Washington, jedoch nicht das Capitol. Alexandria könnte jedoch der neue Dreh- und Angelpunkt der nächsten Etappe der Geschichte werden. Im besten Fall auch über mehrere Sammelbände hinweg, denn diese tolle heile Welt hat gewisse Vorzüge, welche nicht von der Hand zu weisen sind. Allerdings bleibt die Gruppe zu Recht wachsam, denn auch das in der deutschen Übersetzung des Titels als Anspielung dienende Utopia von Aldous Huxley hatte ebenfalls seine Schattenseiten. Der amerikanische Titel „Life among them“ ist auch nicht schlecht, schließlich wird die Entfremdung von der Menschlichkeit nach dieser langen Zeit in Grundzügen dadurch nicht nur angedeutet. Ab jetzt kann alles gut werden – zu ihren Bedingungen.

Stilistisch wird (leider) die aktuell eingeschlagene Richtung beibehalten und dieser Weg fortgesetzt. Die Hintergründe sind weiterhin zurückgenommen und dieses Mal wirkt auch die Ausdruckskraft der Gesichter der Protagonisten nicht immer. Das Minenspiel ist undurchdringlicher, jedoch wirkt die Arbeit eher flüchtiger, als dass man es auf die Abgestumpftheit der Personen der Romanreihe schieben mag. Mitunter passiert es somit wieder, dass die Gesichter irgendwie unscharf beziehungsweise beliebig wirken und auch nicht immer wiederzuerkennen sind. Aber da man die Personen mittlerweile kennt, ist es aktuell nicht ganz so tragisch. Nur bei den neuen Charakteren, welche nunmehr etwas von der TV-Serie abweichen, wäre es wünschenswerter gewesen, um sie besser einschätzen zu können.

Fazit: Mit „Schöne neue Welt“ könnte eine neue Zeitrechnung für Rick und seine Gruppe Überlebender beginnen. In einer nunmehr neuen, alten Welt gilt es wieder Vertrauen in die Menschlichkeit aufzubauen und mit einer anderen Gruppe auf Augenhöhe zu leben. Das wird sicherlich schwer für alle und bereits jetzt wurden erste Fährten gelegt, die zukünftig Handlungen auslösen, die das Leben erneut radikal verändern werden. Wer so lange dabei war, wird auch von neuesten roten Band nicht enttäuscht und kann trotz etwas verwaschener Strichführung weiterhin mit den Überlebenden zittern und situationsbedingt Selbstreflexionen betreiben.

The Walking Dead 12: Schöne neue Welt
Comic
Robert Kirkman, Charlie Adlard, Cliff Rathburn
Cross Cult 2018
ISBN: 978-3-95981-758-5
132 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 8,99

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