The Walking Dead 11: Jäger und Gejagte

Das Ziel ist Washington, D. C. In der Hauptstadt hoffen Rick und seine Gruppe endlich Antworten auf ihre vielen Fragen zu finden und womöglich ein Heilmittel. Der Weg ist jedoch noch weit und nicht alle Personen, die sie unterwegs treffen, sind so menschlich geblieben wie sie …

von Lars Jeske

Im nunmehr 11. Band der Comic-Serie „The Walking Dead“ liegen einmal mehr die Nerven der Überlebenden blank. Die Lebensmittelvorräte gehen zur Neige und Meinungsverschiedenheiten treten immer häufiger zu Tage. Hinzu kommen erneut schwerwiegende und schwierige Entscheidungen, welche eindringlich zeigen, dass Menschen nicht automatisch „menschlich“ handeln. Jedweder Anstand, Ehrenkodex oder Zusammenhalt muss hart erarbeitet werden und erfordert Entbehrungen und Opfer der einen oder anderen Art. In gewohnter Weise wird in Schwarz-Weiß ein Leben der Überlebenden skizziert, welches kaum noch lebenswert erscheint, so man nicht an ein paar Grundprinzipien festhalten kann. Zudem schränken sich die Protagonisten immer weiter ein, sodass das Finden von Matratzen schon als Fest gefeiert wird.

Interessant ist es für den Leser immer wieder, wie die Gruppe auf die Begegnung mit neuen Personen reagiert. Sei es eine andere Gruppe, dieses Mal ein Haufen Idealisten, oder die Einzelperson Pater Gabriel Stokes. Letzterer hat es geschafft, in all der Zeit seit der Zombieapokalypse ohne Waffen oder Gewalt in seiner Kirche zu überleben und scheinbar unbehelligt von Streunern oder anderen Menschen friedlich leben zu können. Seine Geschichte klingt so unglaubwürdig, dass sie fast schon wieder wahr sein könnte. Aber nicht jeder kann oder will ihm glauben.

In dieser aufgeheizten Stimmung verschwindet Dale aus der Gruppe. Da sich keiner, noch nicht einmal Andrea, vorstellen kann, dass er wortlos einfach so verschwunden ist, ziehen alle sofort wieder an einem Strang. Vergessen sind die Streitereien und gemeinsam suchen sie ihn. Durch ihn gibt es daraufhin eine Begegnung mit einer Gruppe von Menschen, deren Art von Gesinnung ihnen bisher vollkommen unbekannt war. Der aktuelle Comic endet (wenngleich nicht ganz überraschend) mit einem doppelten Knalleffekt, der auf alle Fälle genügend Stoff auf dem weiteren Weg nach Washington liefert. Denn in diesem Band kam die Gruppe geographisch gesehen nicht sehr weit voran, hat aber enorm viele Einblicke in die Charaktere gegeben, die sich drastisch weiterentwickelt haben. Bleibt zu hoffen, dass sie die Rettung finden, die sie so dringend benötigen.

„Jäger und Gejagte“ wird als Titel dem Inhalt voll gerecht. Wie immer gibt es sehr viele Zeichnungen auf den knapp 140 Seiten und die Themen beziehungsweise emotionalen Konsequenzen von Handlungen werden immer gravierender. Einmal mehr ist es sinnvoll mindestens eine „ab 16 Jahre“-Freigabe zu haben, da es dabei nicht nur um Gewalt und Sex geht, sondern auch um die emotionale Reife, mit der Geschichte umzugehen; selbst wenn sie nur ausgedacht ist. Den Zeichnern geht alles scheinbar schnell von der Hand, leider gibt es dadurch auch wieder die Verwechslungen von Dale und Rick, da diese sich trotz des Altersunterschiedes von ca. 20 Jahren einmal mehr sehr ähnlich sehen. Die Hintergründe der Szenerie werden immer weiter reduziert, dafür wird erneut das Mienenspiel sehr gut dargestellt und sich somit auf das Wesentliche konzentriert.

Fazit: Wie so häufig ist man von der Geschichte gefesselt und entsetzt zugleich. Bisweilen sogar angeekelt, was Menschen anderen Menschen alles antun können und wollen. Es gibt viel Action und der Ton ist insgesamt rauer geworden. Wer also die bisherigen Comics kennt, kommt voll auf seine Kosten. Neueinsteiger haben es immer schwerer reinzukommen und die Handlungsträger vollends zu verstehen, da immer weniger Zeit für (verbale) Rückblicke bleibt und bereits so viel seit Atlanta passiert ist. Überraschend bleibt für mich auch nach all den Ausgaben, dass ein Comic so intensiv sein kann und man die obigen moralischen Aspekte gar nicht erst hineininterpretieren muss, sie springen einem förmlich entgegen.

The Walking Dead 11: Jäger und Gejagte
Comic
Robert Kirkman, Charlie Adlard, Cliff Rathburn
Cross Cult 2018
ISBN: 978-3-95981-614-4
132 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 8,99

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