Star Wars: Vor dem Erwachen

Finn, Rey, Poe Dameron ... das sind die drei Namen der neuen Generation an Helden, die uns in „Star Wars – Episode VII: Das Erwachen der Macht“ vorgestellt wurden. Es sind sympathische Figuren, auch wenn Finn, der desertierte Sturmtruppler der Ersten Ordnung vielleicht etwas zu viel plappert, und Rey, die von ihren Eltern auf einer Wüstenwelt ausgesetzte Schrottsammlerin, ein bisschen zu gut in allen Dingen ist. In „Vor dem Erwachen“ stellt uns Autor Greg Rucka die drei vor, wie sie waren, bevor sich ihre Wege kreuzten.

von Frank Stein

„Star Wars: Vor dem Erwachen“ ist kein Roman, sondern ein Kurzgeschichtenband. Auf 224 Seiten werden Finn, Rey und Poe in jeweils einer Geschichte, die bloß ihren Namen trägt, näher betrachtet. Illustrator Phil Noto steuert dazu einmal mehr eine Reihe Innenillustrationen bei, sodass sich das Werk – vom schwarz-weiß-roten Cover her auch äußerlich – in die Reihe der Jugendromane stellt, die zuvor Luke Skywalker, Han Solo und Prinzessin Leia in Einzelabenteuern porträtiert haben. Den neuen Recken wurde so viel Strahlkraft wohl noch nicht zugetraut, weswegen sie sich ein Buch teilen und mit etwa 70 Seiten pro Abenteuer auskommen müssen.

Die Story „Finn“ schildert einen Teil der Ausbildung von Finn, zu dem Zeitpunkt noch FN-2187. Er ist einer der Besten seines Jahrgangs, ein hervorragender Kämpfer, den selbst die Führungsoffiziere mit Wohlwollen beobachten. Seine einzige Schwäche ist sein Herz. Er ist zu hilfsbereit und zu wenig skrupellos. Das soll ihm zum Verhängnis werden. – Die Stärke der Geschichte liegt sicher darin, Finns Dilemma vorzubereiten, das dann zu Beginn des Kinofilms zum Tragen kommt. Allerdings wundert man sich schon, warum bei jemandem, der von Kindesbeinen an trainiert und indoktriniert wurde, Zweifel und Fluchtgedanken erst auftauchen, als er beinahe erwachsen ist. Auch wirkt Finn hier charakterlich nicht vollends getroffen. Während er im Film als etwas feiger, etwas unbeholfener, zu viel redender Antiheld rüberkommt, der obendrein offenbar Latrinenschrubber auf der Starkiller Base war, wird er in der Kurzgeschichte als Klassenprimus beschrieben. Von Toilettendienst kein Wort.

„Rey“ führt uns nach Jakku und beschreibt den dortigen Überlebenskampf. Durch Zufall findet die misstrauische Einzelgängerin ein Raumschiffwrack im ewigen Sand, das möglicherweise zu reparieren wäre. Mit dem Ziel, dem Monopolisten auf Nahrungsmittel Unkar Plutt ein voll funktionstüchtiges Schiff anzubieten, macht Rey sich an die Arbeit. Notgedrungen lässt sie sich dabei von zwei anderen Schrottsammlern helfen – und lernt eine Lektion in Sachen Vertrauen. – Sehr atmosphärisch bringt Greg Rucka hier das Ersatz-Tatooine aus „Erwachen der Macht“ rüber. Auch Rey als Figur ist gut getroffen. Einzig ihre explosionsartige Aggressivität, die sich bisweilen im Kinofilm gezeigt hat, fehlt hier völlig. Mit nur etwas Feinschliff wäre dieses Porträt ein Volltreffer gewesen.

„Poe“ beginnt sein Abenteuer als Staffelführer einer X-Flügler-Patrouille der Flotte der Neuen Republik. Als er einer in Not geratenen Raumfähre, die von der Ersten Ordnung angegriffen wird, nicht helfen kann, geht er ein großes Risiko ein, um den Fehler wieder auszubügeln. Dabei sticht er nicht nur in ein Wespennest der Feinde der Republik, er gerät auch aufs Radar einer gewissen Generalin Organa, die entgegen der politischen Wunschs der Republik Leute für den Widerstand gegen die Erste Ordnung rekrutiert. – Poe Dameron war im Kinofilm sicher der flachste Charakter, einfach nur ein kumpelhaftes, breit grinsendes Flieger-Ass, das sich durch nichts unterkriegen ließ. Entsprechend leicht und treffend vermag Rucka ihn hier zu porträtieren. Doch die Geschichte bietet noch mehr: Poe erhält hier eine Vergangenheit (der meines Wissens im Comic „Imperium in Trümmern“ schon vorgearbeitet wurde), und er vollzieht den Wechsel vom Republik-Soldaten zum Widerständler. Damit hat dieser dritte Beitrag der Anthologie zweifellos den höchsten Informationswert.

Alle drei Abenteuer sind kurzweilig zu lesen, wobei sie sich kontinuierlich steigern. Die suggerierte Nähe zu den Jugendromanen wäre hier nicht nötig gewesen. „Vor dem Erwachen“ bietet zwar nur Kurzgeschichten, die aber auf dem Niveau der normalen Erwachsenenromane. Nur die vergleichsweise geringe Seitenzahl unterscheidet das Buch.

Fazit: „Star Wars: Vor dem Erwachen“ mag die Galaxis ganz sicher nicht erschüttern. Weltenbewegende Ereignisse werden gegenwärtig im Kino erzählt. Entsprechend klein bleibt der Fokus der drei in diesem Band präsentierten Kurzgeschichten. Dennoch macht die erneute Begegnung mit Finn, Rey und Poe Dameron vor allem dem eingefleischten Fan Spaß, denn sie fügt den drei jungen Helden ein Stück Vergangenheit hinzu – und da Informationen über die neue „Star Wars“-Generation gegenwärtig noch ziemlich Mangelware sind, nimmt man diese gerne auf.


Star Wars: Vor dem Erwachen
Film/Serien-Roman
Greg Rucka
Panini Books 2016
ISBN: 978-3-8332-3258-9
217 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 9,99

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