Star Wars: Nachspiel – Lebensschuld

Ich persönlich konnte dem Film „Solo” nichts abgewinnen. Es kam mir vor, als hätte man einen Filmgenerator mit zwei, drei Fakten über Han Solo und Chewbacca gefüttert, die Regler für Action, Drama und Liebe justiert und dann einfach auf „Erstellen” geklickt. Obwohl unsere Helden im zweiten Band der „Nachspiel“-Trilogie eher Nebendarsteller sind, hat dieser mir die beiden Charaktere näher gebracht als der komplette Film.

von KaiM

Ein Buch mit einem schweren Stand. Die epische „Thrawn“-Trilogie aus dem Reich der „Legenden“ im Rücken und ein erster Band, der nicht überall gut ankam. Zu irrelevant die Handlung, zu gewöhnungsbedürftig der Schreibstil, zu eingeengt die Wahl der hauptsächlich agierenden Charaktere. Alles in allem keine guten Voraussetzungen, um einen grandiosen oder sogar nur einen einfach guten Roman zu kreieren und die Skeptiker zu überzeugen.

Zwar konnten die Charaktere Norra und Temmin Wexley im ersten Teil der Trilogie ein paar Sympathiepunkte sammeln. Und wahrscheinlich konnten die meisten Leser auch Jas Emari und Sinjir Rath Velus etwas abgewinnen, aber der große Wurf mit starken Emotionen und aufregender Geschichte war es dann am Ende scheinbar nicht.

Der Einband von „Lebensschuld“ verspricht jedoch eine Menge. Han Solo und Chewie schicken sich an, die Heimat des Wookiees von den Überresten des Imperiums zu befreien, denn die Einwohner von Kashyyyk sind noch immer versklavt, und das können die Helden der neuen Republik einfach nicht akzeptieren. Tatsächlich stehen im Zentrum des Romans aber weiterhin die Charaktere aus dem ersten Band. Wurde hier also nur ein Köder ausgelegt und der Leser darf am Ende enttäuscht feststellen, dass die vollmundigen Versprechen und die Namen der alten Helden nur genutzt wurden, um die Leser vom Kauf des Buches zu überzeugen?

Die Antwort ist ein klares „Nein“. Auch wenn Han Solo vielleicht nicht der zentrale Held dieser Geschichte ist, hält der Roman, was der Einband verspricht, und bietet sogar noch einiges mehr.

Alles beginnt mit einer anscheinend unwichtigen Aktion der bekannten Protagonisten. Norra Wexley führt die Truppe, und sie erledigen Spezialoperationen im Namen der Neuen Republik. Es geht insbesondere darum, imperiale Überbleibsel zu neutralisieren. Im Normalfall sind das Sympathisanten oder Funktionäre der alten Macht, von deren Gefangennahme sich die Neue Republik einen Vorteil erhofft. So weit, so unspektakulär.

Doch es dauert nicht lange, bis Prinzessin Leia auf den Plan tritt. Ihre Schwangerschaft hat sie nicht zur Ruhe kommen lassen, wobei gefährliche Weltraummissionen zwar gerade nicht anstehen, sie sich aber umso mehr für die Gestaltung der Neuen Republik einsetzt. Doch auch ihr Einfluss hat Grenzen, und die Ziele der Republik und ihrer egoistischen Senatoren decken sich bei Weitem nicht immer mit denen der Prinzessin. Insbesondere jetzt, wo Han Solo verschwunden ist, als er auf dem Weg nach Kashyyyk war.  So kommt es, dass unsere Helden doch auf Han Solo treffen und in den Kampf um Kashyyyk eingreifen.

Eine spannende Geschichte erleben wir zweifelsfrei, aber dies ist nur der Anfang. Die Imperiale Rae Sloane ist wieder Teil des Romans und wie das Ende des ersten Teils vermuten lies, spielt sie eine immer größer werdende Rolle in diesem Epos. Außerdem treffen wir Gallius Rex wieder, und so entwickeln sich mehrere verflochtene Handlungsstränge, die am Ende zusammengeführt werden oder zumindest auf einen Showdown im letzten Teil der Trilogie hindeuten.

Kritik

Der Stil ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, aber nahezu genial ist die teils beinahe lustige Mischung aus wörtlicher Rede und den Gedanken der Redenden. Sätze werden beendet, aber Gedanken führen zu Ende, was gesagt oder nicht gesagt werden sollte. Insgesamt wird dem Inneren der Protagonisten einige Aufmerksamkeit geschenkt, was den Roman dicht und spannend macht. Selten hat man das Gefühl, am Rande zu stehen, denn man ist immer in der Nähe der Handlung und ihrer Personen, ihrer Motivation.

Ebenfalls gewöhnungsbedürftig sind die eingeschobenen Kapitel. Wie kleine Episoden sind die Zwischenspiele eingefügt und bieten weder wichtige Informationen für die Hauptgeschichte, noch scheinen die Charaktere und ihre Handlungen Auswirkungen auf das große Ganze zu haben. Warum macht man so etwas, wenn es nicht nur darum geht, eine versprochene Seitenzahl zu erreichen? Was bringen solche Einschübe? Über die tatsächliche Motivation kann man natürlich nur mutmaßen, und tatsächlich erzeugen sich nichts, außer einer Kleinigkeit: Stimmung. Das Buch beschreibt den Aufbau der Neuen Republik und ihren Kampf gegen die Überreste des Imperiums. Der Krieg mag vorbei sein, aber überall wurde das Leben vom Imperium beeinflusst und überall gibt es auch Nachwirkungen. Und eben diese kleinen Szenen, die beschreiben, was nebenher in der Galaxie geschieht, ohne Bezug auf die eigentlich Handlung des Romans zu nehmen, füllen die geschaffene Welt mit Leben. Man wird aus der Isolation der Machtzentren geholt und nimmt kurzzeitig eine andere Perspektive ein. Ich brauchte eine Weile, um mich daran zu gewöhnen, aber im Rahmen dieses Romans bin ich ein großer Fan von diesen kurzen Perspektivwechseln geworden.

Die Handlung an sich startet klein, isoliert und wirkt wenig episch. Aber schon bald entwickelt sich der Roman unter Zuhilfenahme von Han und Leia zu einer epischen Geschichte, ohne die Charaktere dabei schrumpfen zu lassen. Im Gegenteil, jede Rolle wird immer wichtiger. Alles entwickelt sich langsam und lässt immer wieder auch die Prozesse, die Struktur und vor allem auch die Abscheulichkeiten des Imperiums durchblicken. Mit jeder Seite weiß der Roman mehr zu fesseln.

Fazit: Ein wenig Einarbeitungszeit verlangt der Autor durchaus von den Lesenden. Wer sich jedoch darauf einlässt, wird belohnt und freut sich auf mehr. Der Bogen spannt sich von singulären Ereignissen zu einer Handlung mit großen Auswirkungen auf die gesamte Galaxis. Die Figuren gewinnen laufend an Tiefe und werden zunehmend relevanter. Es wird (hoffentlich) noch viel geschehen, der letzte Teil wartet schon.

Star Wars: Nachspiel – Lebensschuld
Film/Serien-Roman
Chuck Wendig
blanvalet 2017
ISBN: 9-783-7341-6105-6
571 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 14,00
        
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