Star Wars – Nachspiel

Der Pakt von Bakura, der mehrbändige Kampf des Rogue Squadrons unter Wedge Antilles gegen imperiale Warlords, der Aufstieg des Meisterstrategen Thrawn – all das ist im „Star Wars“-Universum nach Disney nie passiert. Es handelt sich um bloße „Legenden“. Wie es stattdessen nach dem Kampf um den zweiten Todesstern weiterging, ist in dem kanonischen Roman „Nachspiel“ von Chuck Wendig nachzulesen, dem Beginn einer Trilogie, die im Vorfeld mit viel Spannung erwartet wurde. Doch wie sieht die Galaxis nach Disney aus?

von Frank Stein

Es ist kein leichtes Erbe, dass Chuck Wendig antreten musste. Anfang der 1990er erschien mit der „Thrawn“-Trilogie von Timothy Zahn ein Meilenstein des Erweiterten Universums von „Star Wars“. Zuvor erschienene Bücher, TV-Serien und Comics hatten sich ausschließlich mit Ereignissen beschäftigt, die vor oder zwischen den drei Filmen der klassischen Trilogie angesiedelt waren. Mit „Erben des Imperiums“ wurde erstmals in Romanform die Geschichte nach „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ weitererzählt. Der große Erfolg der „Thrawn“-Trilogie führte zu einer wahren Schwemme an neuen Abenteuern, die zum Teil über hundert Jahre in die Zukunft blickten und die Abenteuer von Luke Skywalker, Han Solo und Prinzessin Leia auf enorm dichte und komplexe Weise fortführten.

Dann kam Disney und erklärte 2014 das ganze Erweiterte Universum für obsolet. An seine Stelle sollte ein neuer Kanon treten, der aus allen Kinofilmen, den TV-Serien „The Clone Wars“ und „Rebels“ sowie neuen Comics und Romanen bestehen sollte. Neben diversen neuen Geschichten, die vor allem parallel zur klassischen Trilogie angesiedelt sein würden, sollte es auch eine große Trilogie geben, um die Brücke zwischen „Episode VI“ und „Episode VII“ zu schlagen. Als Autor holte man Chuck Wendig an Bord, der bis dato vor allem für Rollenspiel- und Kleinverlage geschrieben hatte, aber seit Jahren einen beliebten Blog übers Schreiben unterhielt. Ein ungewöhnlicher Schritt, der ein ungewöhnliches Buch zur Folge hatte.

Wendig macht in „Star Wars – Nachspiel“ alles anders als seinerzeit Timothy Zahn mit „Erben des Imperiums“. Während Zahn ein großes galaktisches Panorama aufspannte, einen neuen Krieg der Sterne erzählte, in dem alle bekannten Protagonisten der Filme weiterentwickelt werden, schildert Wendig in „Nachspiel“ ein sehr lokales Problem, das praktisch vollkommen ohne bekannte Namen auskommt. Nur in Nebenrollen treten Admiral Ackbar und Wedge Antilles auf und nur in eingestreuten Schlaglichtern auf die Galaxis wird der Blick auf das Geschehen auf Welten wie Chandrila, Coruscant und Kashyyyk geworfen. Die Haupthandlung indes spielt sich auf dem Planeten Akiva ab, wo ein geheimes Treffen hochrangiger Imperialer stattfindet, das über die Zukunft des Imperiums entscheiden soll. Dieses Treffen wird beinahe versehentlich von Wedge Antilles gestört, der im Auftrag der jungen Neuen Republik die Augen nach imperialen Tätigkeiten offen hält. Prompt wird der Toppilot und Wegbegleiter von Luke Skywalker festgenommen.

In der Zwischenzeit ist die Ex-Rebellenkämpferin Norra Wexley auf ihre Heimatwelt Akiva zurückgekehrt, um zu ihrem Sohn Temmin Wexley zurückzufinden, von dem sie sich entfremdet hat und der dort gemeinsam mit einem modifizierten B1-Kampfdroiden namens Mister Bones in zwielichtige Geschäfte verwickelt ist. Außerdem treiben sich der fahnenflüchtige imperiale Loyalitätsoffizier Sinjir Rath Velus sowie die Zabrak-Kopfgeldjägerin Jas Emari auf Akive herum. Sie alle werden in die Geschehnisse um das imperiale Geheimtreffen hineingezogen, die zu einem ausgewachsenen Aufstand führen werden.

Viele Kritiker werfen Wendigs Roman vor, dass er zu unwichtig sei, dass er weder von relevanten Figuren handle, noch einen bedeutenden Konflikt thematisiere. Der Aufstand auf Akiva bleibt streng lokal auf einen Planeten, sogar auf eine Stadt, beschränkt, auch wenn auf Seite der Imperialen mit Admiralin Rae Sloane immerhin eine Gestalt auftritt, die im neuen literarischen Kanon zur wiederkehrenden Figur geworden ist. Natürlich haben diese Kritiker Recht. „Nachspiel“ ist nicht „Erben des Imperiums“. Man muss Wendig hier allerdings in Schutz nehmen. Zu Zahns Zeiten war „Star Wars“ im Bewegtbild tot. Die Autoren durften machen, was sie wollten. So entstanden regelmäßig Epen von galaktischen Ausmaßen, ähnlich wie es seit ein paar Jahren im literarischen „Star Trek“ der Fall ist. Seit der Ära Disney erscheint allerdings derzeit jedes Jahr ein neuer Kinofilm, außerdem ist „Star Wars“ auch im TV präsent. Diesen Medien ist ganz auffällig das Recht vorbehalten, die großen Geschichten zu erzählen. Bücher und Comics sind bloß noch Lückenfüller, die mehr oder minder spannende Abenteuer-Episoden im Leben der Filmfiguren erzählen. Das hat sich schon mehrfach gezeigt und und zeigt sich auch hier. Viel mehr als Wendig hier erzählt hat, durfte er möglicherweise gar nicht erzählen. Schön immerhin, dass er mit Temmin „Snap“ Wexley einen der namhaften Piloten aus „Episode VII“ ausführlich charakterisieren konnte.

Der zweite große Kritikpunkt gilt Wendigs Stil. Es ist schon mehr als einmal aufgefallen, dass Disney dazu neigt, junge, unverbrauchte Autoren an Bord zu holen, die ihren ganz eigenen Stil zur Saga beitragen. Im Fall von Claudia Gray und „Verlorene Welten“ funktionierte das großartig. Wendig dagegen ist sperriger. Er schreibt – eher ungewöhnlich für Belletristik – im Präsenz und seine Sätze neigen zum Bruchstückhaften, das eine schnelle, treibende Atmosphäre erzeugen soll. Außerdem ist er extrem nah an seine Figuren dran, bedient sich ausführlicher Innensicht und verwendet auch Phrasen und Begriffe, die nicht zu „Star Wars“ passen, sondern aus unserer Welt zu stammen scheinen. (Gut, dass hat er mit Zahn gemein, der damals in „Erben des Imperiums“ die berüchtigte „heiße Schokolade“ als Getränk ins „Star Wars“-Universums einführte.) An diesen Stil muss man sich in der Tat gewöhnen. Er ist eigen, schlicht und ergreifend. Atmosphärisch, ohne Zweifel, aber eben auch so spürbar anders, dass man sich des Autors hinter der Geschichte irgendwie immer bewusst ist. 

Fazit: Wie so viele Romane des neuen Disney-Kanons ist „Nachspiel“ irgendwie Mittelmaß. Das Buch liest sich durchaus – um nicht zu sagen: zunehmend – unterhaltsam, wenn man sich an den Stil gewöhnt hat, und die zu Beginn noch etwas schwer zugänglichen Figuren entwickeln sich zu einer ganz passablen Heldentruppe eigenwilliger Vögel, wie man sie etwa aus den alten „X-Wing“-Romanen kennt. Allerdings hat der gebotene Konflikt, wenngleich als solides Abenteuer dargeboten, eher Randnotizcharakter innerhalb der Saga. Wer galaktische Umwälzungen oder neue Abenteuer von Luke, Han und Leia erwartet, der ist völlig fehl am Platz, denn nichts davon findet sich hier. Daher ist der Roman allein jenen Fans zu empfehlen, die auch Freude an Nebenschauplätzen haben und Spaß an kleinen Verweisen finden, die „Nachspiel“ mit den Filmhandlungen verknüpft.


Star Wars – Nachspiel
Film/Serien-Roman
Chuck Wendig
blanvalet 2016
ISBN: 978-3-7341-6071-4
480 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 9,99

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