Star Wars: Imperial Assault – Das Imperium greift an

Mit missionsbasierten Dungeon-Crawlern ist Fantasy Flight Games schon seit vielen Jahren erfolgreich. Egal ob „Doom – Das Brettspiel“, „Descent“ oder die neue „Descent 2nd Edition“ … Den Leuten scheint es einfach Spaß zu machen, von einem Spielleiter geführt durch kleine Brettspiel-Szenarien zu streifen. So lag es nahe, dass FFG nach Erwerb der „Star Wars“-Lizenz neben seinem Raumkampf-System „X-Wing“ früher oder später auch Action am Boden bieten würde. Mit „Imperial Assault“ ist der Spieleschmiede ein Produkt mit Suchtfaktor gelungen.

von Frank Stein

„Imperial Assault“ bietet tatsächlich zwei Spiele im Gewand von einem. Auf der einen Seite können zwei bis fünf Spieler (einer mimt das Imperium, die übrigen Rebellenhelden) in Einzelmissionen oder in Kampagnenform klassische „Star Wars“-Abenteuer erleben. Auf der anderen Seite werden Regeln für ein taktisches Miniaturenspiel auf Skirmish-Level, also mit jeweils einer Handvoll Minis pro Seite, geboten.

Unboxing

Das Spiel erscheint in der „großen FFG-Box“, genau wie das zeitgleich erschienene Großkampfschiff-Spiel „Star Wars: Armada“. Der Platz im Inneren ist gut genutzt. Obenauf liegen sieben stabile Pappdeckel, aus denen man die modularen Spielplanteile und Marker ausstanzen muss. Der Druck der mit einem dünnen Gittermuster bedeckten Spielplanteile ist kräftig und die Optik ansprechend und detailreich. Weiterhin liegen gleich vier Regelhefte obenauf. Da wären zum einen die Spielregeln auf 16 Seiten, die man für das Abenteuerspiel braucht. Dazu gehört das 44-seitige Kampagnenhandbuch, aus dem man entweder einzelne Missionen wählen kann oder mithilfe dessen man – und das ist zu empfehlen – eine ganze Kampagne mit eigener Geschichte durchspielt. Das dritte Heft ist das Gefechtshandbuch, das auf 8 Seiten die Regeln für Duelle beinhaltet. Dieses wird in Verbindung mit den Spielregeln verwendet. Und zuletzt liegt ein 28-seitiges Referenzhandbuch bei, das als Glossar dient und alphabetisch sortiert alle Spielmechanismen genauer beleuchtet. Alle Hefte sind vollfarbig, auf stabilem Papier gedruckt und übersichtlich verfasst.

Im Mittelteil der Box findet man die sechs Heldenbögen, eine bunte Mischung an Figuren, von der Jedi-Ritterin auf der Flucht, über den Wookiee-Krieger, bis zur Schmugglerin. Alle Bögen sind doppelseitig bedruckt, da man sie umdreht, wenn die Gesundheit des Helden das erste Mal auf Null sinkt. Verletzte Helden sind dann nicht mehr so kampfstark wie gesunde. Unmengen an vollfarbigen, hübsch illustrierten Einsatzkarten, Ausrüstungskarten, Belohnungskarten usw. sind in zwei Zip-Beuteln aufbewahrt. Außerdem gibt es einen Bogen Aufkleber für die ID-Marker, mit denen man identische Figuren auf dem Spielbrett unterscheiden kann. Diese Einmal-Lösung ist etwas unpraktisch, hier wären ID-Marker zum Beilegen (wie man sie in Unmengen z.B. bei „X-Wing“ bekommt) besser gewesen. Zuletzt liegt ein Zip-Beutel mit elf Spezialwürfeln bei, die Treffer und Schadensauswirkungen im Kampf regeln. Dazu kommen vier Standfüße für Türen. In den beiden Seitenklappen verbergen sich schließlich die Miniaturen selbst, sandfarben sind die sechs Helden, grau die Imperialen. Die Gussqualität ist nicht spektakulär, aber durchaus ordentlich. Sie kann mit den alten Pre-Painted-Figuren des „Star Wars Miniatures“-Spiels von Wizards of the Coast mithalten. Witzigerweise sind die Figuren auch fast gleichgroß, sodass „SWM“-Veteranen ihre alte Sammlung auspacken und die bemalten Figuren für „Imperial Assault“-Partien nutzen können. Insgesamt sind 34 Figuren in der Box enthalten, eine ganz gute Menge. Will man allerdings die Kampagne durchspielen, ohne Papp-Marker zu verwenden, muss man gleich die Figurenpacks der ersten Wave (General Weiss, IG-88, Hauptmann der Roten Garde, Rebellen-Saboteure, Chewbacca, Han Solo und Rebellentruppen) kaufen. Das geht dann schon ins Geld.

Kurioserweise sind die zwei Figurenpacks Luke Skywalker und Darth Vader dem Grundspiel als Bonus beigelegt. Das wird durch einen großen Flyer und einen Extra-Zip-Beutel besonders betont. Kurios dabei ist, dass es die Figurenpacks einzeln gar nicht zu erwerben gibt. Sowohl im US-Original als auch in der vorliegenden deutschen Box sind sie gleich mit enthalten, sodass man Luke und Vader auch einfach zu den übrigen Figuren hätte legen können. Zu betonen, dass es sich hierbei um zwei Extra-Figurenpacks handelt, soll wohl den doch recht hohen Preis der Box gefühlt senken. Außerdem mögen die Packs als Beispiel für die anderen Erweiterungen gelten, sodass man ein Gefühl dafür bekommt, was man für sein Geld kriegt, wenn man das „Han Solo“- oder das „IG-88“-Pack erwirbt.

Alles in allem ist die „Imperial Assault“-Box richtig gut gefüllt. Auch wenn der Preis stattlich ist, scheint er mir, gerade angesichts der vielen Miniaturen und Spielmaterialien, nicht völlig überzogen zu sein.


Das Spiel

Im Kern ist „Imperial Assault“, wie gesagt, ein taktisches Miniaturenkampfspiel. Entsprechend gestalten sich die Regeln. Nachdem die Rollen verteilt wurden und der Einsatz aufgebaut ist, wird in Runden gespielt, die aus zwei Phasen bestehen: der Aktivierungsphase und der Statusphase. In der Aktivierungsphase sind die Spieler abwechselnd am Zug, wobei jeder Spieler mit seiner Figur zwei Aktionen durchführen kann. Als Aktionen stehen Bewegen, Angreifen, Interagieren, Ausruhen und eine Spezialaktion durchführen (findet man auf Charakterbögen und anderen Karten) zur Verfügung. Für jede Bewegungsaktion erhält man Bewegungspunkte entsprechend des Charakterbogens. Jedes Feld auf dem modularen Spielplan (auch diagonal) kostet einen Bewegungspunkt, schwieriges Gelände kostet zwei. Beim Angreifen ist die Sichtlinie zu beachten, ebenso die Reichweite. Angriff wie auch Verteidigung werden mit Spezialwürfeln abgehandelt, wobei nicht nur Schaden und Reichweite ermittelt werden, sondern auch sogenannte Energiesymbole, die zahlreiche Extrafähigkeiten der Waffen und Charaktere auslösen können. Interagiert wird beispielsweise mit Türen und Terminals, gerade letztere ein häufiges Spielelement im Kampagnenspiel. Ausruhen hilft beim Auffrischen von Ausdauer, die – anders als Lebenspunkte – ebenfalls dazu dient, noch ein bisschen mehr aus der eigenen Figur herauszuholen. Spezialaktionen schließlich finden sich auf den Charakterbögen und ersetzen zumeist normale Angriffsaktionen gegen stärkere Angriffe. In der Statusphase werden „erschöpfte“ Karten dann wieder spielbereit gemacht. Danach geht es in die nächste Runde, bis ein Gegner den oder die anderen besiegt hat oder gewisse Siegbedingungen erfüllt wurden.

Im Kampagnenspiel übernimmt ein Spieler die Rolle der Imperialen und führt seine Rebellen-Mitspieler durch eine Abfolge von Missionen. Der Imperiale kann dabei zu Beginn aus drei Klassen eine wählen und aus sechs Agendas einen Agenda-Stapel – im Grunde Ereigniskarten – zusammenstellen (weitere Agendas kommen in den Figurenpacks dazu). So ist für Abwechslung gesorgt. Weiterhin schön: Obwohl jede Kampagne gleich beginnt, kann sie sich völlig anders entwickeln, da nicht nur Sieg oder Niederlage andere Folgeabenteuer nach sich ziehen, sondern auch noch zufällig gezogene Nebeneinsätze und vom Spielleiter erzwungene Einsätze eingeschoben werden. Für den Imperialen ist dabei die „Bedrohung“ eine wichtige Währung, die ihm hilft, Verstärkung für seine Truppen aufs Spielbrett zu bringen oder gewisse Effekte auszulösen. Die Bedrohung steigt mit jeder Runde gemäß des Szenarios, belohnt also Spieler, die ein bisschen Gas geben und auch etwas riskieren. Zwischen den Einsätzen erhalten die Heldenspieler Geld und Erfahrungspunkte, mithilfe derer sie ihre Figuren aufrüsten können. Der imperiale Spieler darf Karten von seinem Agenda-Stapel ziehen und diese mit der Ressource Einfluss erwerben. Außerdem bekommt auch er Erfahrungspunkte, die er für weitere Karten ausgeben kann. So werden seine Möglichkeiten mit der Zeit immer besser. Dennoch haben unsere Testspiele gezeigt, dass die Rebellen im Vorteil sind. Gerade in späten Szenarien der Kampagne kann der Imperiale den gut ausgerüsteten Helden kaum das Wasser reichen – oder er darf sich zumindest keine taktischen Fehler leisten.

Das Gefechtsspiel ist symmetrischer angelegt. Hier übernimmt ein Spieler die Rolle des Imperialen, einer tritt als Rebell an. Anders als im Kampagnenspiel befehligt der Rebellenspieler auch nicht nur eine Figur, sondern eine ganze Einheit. In diesem Moment wird „Imperial Assault“ tatsächlich zu einem Nachfolger der „Star Wars Miniatures“, ein Spiel, bei dem es zwei Gruppen von Minis miteinander auf einem Spielplan miteinander ausschießen. Die beiden Armeen werden aus Aufstellungskarten im Wert von bis zu 40 Punkten gebaut. Aufstellungskarten sind die Einheitskarten der verschiedenen Einheiten, also beispielsweise Darth Vader oder Luke Skywalker. Nur im Gefechtsspiel werden zudem sogenannte Befehlskarten verwendet, die spezielle Ereignisse zu einem auf ihnen festgelegten Zeitpunkt auslösen können. Jeder Spieler besitzt einen Befehlsstapel aus 15 Karten, darf zu Spielbeginn drei Karten ziehen und zieht dann jede Runde eine Karte nach. Die Partie selbst wird erneut in Runden gespielt, bestehend aus einer Aktivierungsphase und einer Statusphase. Die erlaubten Aktionen ähneln denen des Kampagnenspiels, nur darf man sich zum Beispiel nicht ausruhen und Figuren dürfen nur eine ihrer zwei Aktionen für einen Angriff nutzen. Auf welchem Spielplan man unterwegs ist und wie die Siegbedingungen aussehen, wird vorab durch Gefecht-Einsatzkarten festgelegt. Diese bringen die Spieler ebenfalls zur Partie mit, wobei der Spieler mit der ersten Initiative (das ist der Spieler, dessen Armee die geringeren Punktkosten hat), seinen Stapel mischen und eine Karte ziehen darf. Da er jedoch alle verschiedenen Gefecht-Einsatzkarten, die er besitzt, einmal in den Stapel mischen muss, hält sich der taktische Vorteil hieraus sehr in Grenzen. Zumal es pro Produkt gerade mal zwei Einsätze gibt, die den gleichen Spielplan nutzen (im Grundspiel sind sechs vorhanden; zwei in der Box selbst und jeweils zwei bei dem Vader- und dem Luke-Figurenpack).

Fazit: „Star Wars: Imperial Assault“ ist ein wirklich stimmungsvolles taktisches Miniaturenspiel, das bei („Star Wars“-)Fans nicht nur durch sein cooles Setting und die Optik punktet, sondern auch durch das schön durchdachte Kampagnenspiel. Die Einsätze weisen nette Fluff-Texte auf und unterscheiden sich durch den modularen Spielplan und wechselnde Aufgaben. Auch die Rebellen-Helden spielen sich durchaus unterschiedlich. Nur der Imperiumsspieler muss eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen, denn er wird einen schweren Stand haben. Das Gefechtsspiel sehe ich persönlich eher als Bonus. Es ist eine nette Alternative zur eingestellten „Star Wars Miniatures“-Produktlinie, kommt aber im Umfang seiner Möglichkeiten nicht annähernd an dieses, am Ende aus hunderten Miniaturen bestehende System heran. Andererseits ist „Imperial Assault“ ja noch jung. Und dass das System größer werden soll – die Sucht der Spieler will schließlich befriedigt werden –, sieht man schon. Neben der ersten Welle an Figurenpacks wurden bereits zwei neue Kampagnenboxen und zwei weitere Figurenpack-Wellen angekündigt. Für Nachschub ist also gesorgt, zumindest wenn man bereit ist, kräftig zu investieren.


Star Wars: Imperial Assault – Das Imperium greift an
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler
Justin Kemppainen, Corey Konieczka, Jonathan Ying
Heidelberger Spieleverlag 2015
Sprache: Deutsch
EAN: 4015566021716
Preis: EUR 89,95

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