von Frank Stein
Moment mal! Neue Welten und neue Zivilisationen? Ja, sind wir denn hier bei „Star Trek“? Zugeben, die Wortwahl im Teaser war etwas suggestiv, aber ganz ehrlich: Würde man die Lichtschwerter weglassen, so könnte das Jugendbuch „Die Suche nach der verborgenen Stadt“ problemlos als Abenteuer einer Truppe junger Sternenflotten-Kadetten durchgehen. Das Aufklärerteam rund um Jedi-Meisterin Silandra Sho und ihre Schülerin – die Hauptfigur – Rooper Nitani erhält einen Notruf von einem anderen Team, das den Planeten Aubadas angeflogen hatte, um den dort beheimateten Katikoot zu helfen, die ein nicht näher definiertes Problem hatten. Natürlich folgt man den Kollegen und trifft überraschenderweise auf eine Zwillingswelt. Aubadas, auf dem die Katikoot beheimatet sind, gleicht einem Paradies, allerdings auf Kosten der Bergbau-Operationen auf dem benachbarten Gloam, das mittlerweile eine düstere Welt in den letzten Zügen ist. Doch der Raubbau an Energiekristallen brachte auch Tod und Krankheit nach Aubadas, weswegen die Leute dort nicht mehr nach Gloam zurückwollten. Nun steht eine veritable Energie-Krise an, die die Zivilisation der Katikoot ins Verderben zu stürzen droht. Silandra, Rooper und ihr Team wollen natürlich helfen. So weit, so trekky.
Dafür, dass „Star Wars“ immer wieder gern betont, dass es „vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“ spielt, ist dieser Roman bemerkenswert im Hier und Heute verhaftet. Eine Spezies, die hemmungslosen Raubbau betreibt, um ihren eigenen Wohlstand zu fördern? Eine Energiequelle, die Leute krank macht, die sich ihr aussetzen? Eine plötzliche Energie-Krise, ausgelöst durch einen Mangel an besagtem Rohstoff? Und eine Republik, die mit „alternativen Energien“ – im letzten Kapitel wird explizit von Solarenergie gesprochen – aushelfen will? Na, das kennen wir doch auch alles aus unserem Alltag. Hier schreibt Autor George Mann am Puls der Zeit und auch mit eindeutiger Moral (allerdings ohne erhobenen Zeigefinger) für die junge Leserklientel.
Gleichwohl darf man nicht zu genau bei der Lektüre hinschauen, denn sonst fällt einem auf, wie seltsam das Szenario anmutet. Die Katikoot vermögen Raumschiffe, Droiden und Schweber zu bauen, aber sie sind nicht imstande, irgendeine Form „grüner Energie“ zu erfinden, und sei es Windenergie. Ihre Zivilisation wird als mächtig und hoch entwickelt beschrieben, gleichzeitig wirkt Aubadas wie eine unberührte Naturwelt, sieht man von der einen Stadt der Katikoot ab. Aber wenn es nur so wenig Katikoot gibt, wie konnten die dann eine ganze Geschwisterwelt durch Raubbau verheeren? Dazu bräuchte es den Energiehunger von Milliarden Lebewesen. Auch kurios: Die Republik will helfen, kann aber derzeit nicht, weil in einem (!) Randsystem ein kleiner Krieg geführt wird. Und weil offenbar jetzt direkt alle Lichter auszugehen drohen, geht es unbedingt darum, ein paar letzte Container mit Energiekristallen von Gloam zu holen. In dem Moment ist es dann doch wieder typisch „Star Wars“, das keine glaubwürdigen Ökosysteme entwickelt (siehe Tatooine, Hoth, Coruscant), sondern immer genau das erzählt, was gerade atmosphärisch zur gewünschten Geschichte passt.
Also geht es für Silandra, Rooper und Co nach Gloam, und ab diesem Punkt bedient sich der Autor sehr spürbar an Vorlagen wie „Aliens“ oder „Pitch Black“. Eine Welt, eingehüllt in ewiges Zwielicht. Mordlustige Monster in der Tiefe. Ein verschwundenes Team. Ein Fiesling, der aus kommerziellen Gründen über Leichen geht. Und eine Pilotin mit dem Namen Dietrix? (Für Unwissende: In dem Film „Aliens“ von James Cameron gab es eine Feldsanitäterin mit Namen Dietrich, Englisch gesprochen „Dietrik“.) Der Teil ist übrigens durchaus spannend und bietet am Schluss auch satte Action im Blockbusterformat. Natürlich gibt’s weniger Tote als in den genannten Filmen (zumindest stirbt niemand im unmittelbaren Handlungsverlauf). Am Ende ist es ja doch ein Jugendroman.
Der Titel des Buchs entpuppt sich übrigens als rein willkürlich gewählt. Es gibt zwar gleich zwei Städte, die man auf den ersten Blick nicht sehen kann, weil sie unterirdisch angelegt sind. Aber verborgen ist keine von ihnen und so richtig auf der Suche danach ist auch niemand. Also wer hier ein Geschichte im Stil von „Indiana Jones“ erwartet, in der ein Aufklärerteam Hinweis um Hinweis folgt, um eine sagenumwobene Stätte zu finden, der wird herb enttäuscht werden. Aber „Energie-Krise auf Aubadas“ wäre zugegeben nicht so knackig gewesen.
Die Figuren bleiben überwiegend eher blass. Das liegt nicht zuletzt am etwas zu großen Ensemble für die Länge, die der Roman hat. Silandras Team ist sechsköpfig, dazu kommen zwei Katikoot, zwei gestrandete Hyperraum-Prosektoren und noch eine weitere Person: Das sind elf Leute, denen Mann hätte Charakter und Tiefgang verleihen müssen. Dazu hätte er eigentlich zweihundert Seiten mehr gebraucht. So reduzieren sich die Figuren auf kurze Charakterisierungen. Silandra etwas trägt neben dem Lichtschwert ein Schild, weil sie sich als Beschützerin versteht. Die Techniker Kam und Amos sind ein Komiker-Paar. Dietrix ist die Teufelspilotin. Und Rooper der Padawan, der sich noch nicht reif für große Aufgaben fühlt. Eine echte Verbindung baut man leider mit keinem von allen auf. Hier wäre weniger Personal, dafür intensiver genutzt, mehr gewesen.
Noch ein letztes Wort zum Thema „Die Hohe Republik“ an sich. Es fühlt sich wie unnötige Nachahmung an, dass die zweite Phase, genauso wie damals die zweite Film-Trilogie von George Lucas, als Prequel zur ersten Phase beziehungsweise Trilogie angelegt wurde. Gerade war man mit den Charakteren der ersten Phase – Avar Kriss, Stellan Gios, Elzar Mann, Marchion Ro usw. – warm geworden, da folgt dieser Schnitt und man muss sich als Leser und Fan wieder mit einer komplett neuen Figurenriege anfreunden. Hier wurde und wird meines Erachtens zu viel zu schnell durchgehechelt, nicht zuletzt der Konflikt mit den Drengir. Und es ist jetzt nicht so, dass das, was über Phase zwei bislang bekannt ist, zu Begeisterungsstürmen führen würde. Ich muss die Bücher noch lesen, aber die Konflikte, die im Fokus stehen sollen, wirken doch alles sehr klein und lokal. Mal sehen, wie mein Urteil am Ende der Phase zwei ausfällt.
Fazit: „Star Wars – Die Hohe Republik: Die Suche nach der verborgenen Stadt“ ist ein gut eigenständig lesbarer „Star Wars“-Jugendroman, der ein kleines Planetenabenteuer erzählt, das von einem Erkundungstrupp der Republik erlebt wird. Mit seinem zeitaktuellen Problemthema ein bisschen wie „Star Trek“, mit seinem Monsteranteil ein bisschen wie „Aliens“. Dabei durchaus kurzweilig, wenn man dranbleibt. Allerdings darf man nicht über die Prämisse nachdenken und muss damit leben, dass einem die Figuren den ganzen Roman lang relativ gleichgültig bleiben. Inwiefern die Handlung in die größeren Geschehnisse der zweiten Phase von „Die Hohe Republik“ einzahlt, muss sich noch erweisen. Wir bleiben dran.
Star Wars – Die Hohe Republik: Die Suche nach der verborgenen Stadt
Film/Serien-Roman
George Mann
Panini Books 2023
ISBN: 978-3-8332-4253-3
272 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 15,00
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