von Frank Stein
Autorin E. K. Johnston scheint sich auf kämpferische Frauenfiguren im „Star Wars“-Universum spezialisiert zu haben. Nach ihrem Roman „Ahsoka“ und der Padmé-Trilogie „Schatten der Königin“, „Bürde der Königin“ und „Hoffnung der Königin“ folgt nun also die bislang unerzählte Geschichte von Qi’ras Aufstieg beim Verbrechersyndikat Crimson Dawn. Dabei bleibt sich Johnston – das sei vorweggeschickt – in einer Sache treu: Sie setzt nicht auf ein spezielles Abenteuer, das einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat. Stattdessen beschreibt auch „Crimson Climb“ vor allem verstreichende Zeit, in der verschiedene Dinge passieren. Dass das diesmal durchaus spannend zu lesen ist, liegt nun primär am düsteren Umfeld, in dem sich Qi’ra bewegt.
Dabei fragt man sich vor allem die ganze Zeit: Wie weit wird Johnston gehen? Denn dass die Beziehung, in der sich Qi’ra mit Dryden Vos befindet, alles andere als gesund ist, suggeriert der Film „Solo“ ziemlich deutlich. Aber wie sehr wird sich die herrische, besitzergreifende, psychopathische Art von Vos im Romantext niederschlagen? Leser:innen, die hier in Sorge sind, kann Entwarnung gegeben werden. Der Roman bleibt ein „Star Wars“-Roman. Das bedeutet, dass Gewaltausbrüche in der Regel kurz und oberflächlich bleiben und sexualisierte Gewalt überhaupt kein Thema ist, was angesichts der brutalen Männer, denen Qi’ra begegnen wird, kaum glaubwürdig erscheint, andererseits aber Teil des unausgesprochenen Vertrags zwischen Machern und Konsumenten im Franchise „Star Wars“ ist.
Trotzdem ist dieser Roman fies und schmutzig und zwar von der ersten bis zur letzten Seite. Johnston setzt zeitlich genau an der Stelle an, an der Qi’ra von Han getrennt wurde. Sie wird zunächst zurück zu ihrer alten Bande, den Weißwürmern, geschleppt und von deren Anführerin Lady Proxima für ihren Fluchtversuch hart bestraft, nur um zum nächstbesten Zeitpunkt als Sklavin an den Fiesling Sarkin verkauft zu werden. Der freut sich schon darauf, Qi’ras Widerstandswillen zu brechen, und man befürchtet das Schlimmste. Doch zeitnah wird sie an eine Vertreterin von Crimson Dawn weitergereicht, die sie an Dryden Vos übergibt, als Präsent, „das ihm gefallen dürfte“. Und wieder ist man unterschwellig angespannt, was jetzt wohl passieren mag.
Doch Johnston öffnet Qi’ra auch Chancen – und schreibt der jungen Frau einen unbeugsamen Willen zum Überleben in den Charakter, der sie dazu bringt, sie zu nutzen, koste es, was es wolle. Dabei tritt durchaus eine Neigung zum Egoismus, zum Opportunismus und zur Skrupellosigkeit zutage, die man als Leser:in mit einem gewissen Stirnrunzeln zur Kenntnis nimmt. Qi’ra ist keine Schurkin mit goldenem Herzen, so wie Han Solo, an den die Protagonistin oft denkt, den sie aber mit seiner breit grinsenden, leichtfertigen Art oft auch naiv und töricht nennt. Hier merkt man den Unterschied zwischen den Charakteren. Obwohl sie ständig Hans Glückswürfel mit sich herumträgt, ist Qi’ra kein Glückspilz. Sie wurde vom Leben immer getreten und sie wird es weiterhin – und sie wehrt sich dagegen und beißt sich durch, indem sie ihre Gefühle verdrängt und zornig zurücktritt. Doch mancher Tritt ist so hart, dass es einem wirklich schwer fällt, Qi’ras Verhalten mit den Umständen zu entschuldigen. Kalt und berechnend schaut sie einen vom Cover des Buchs aus an – und irgendwie ist sie auch genau das immer wieder.
Wie schon erwähnt, bedient sich Johnston nicht wirklich einer klassischen Spannungsdramaturgie bei ihrem Roman. Qi’ras Leben durchläuft halt verschiedene Stationen und dabei passieren Dinge. Spannend bleibt es dennoch, weil ihr Umfeld praktisch unablässig lebensgefährlich ist. Obwohl man natürlich weiß, dass sie überlebt und wie sie endet, schafft es Johnston, dass man neugierig bleibt und sich stets fragt, was wohl als nächstes passieren mag. Damit glückt ihr diesmal, was ihr bei „Ahsoka“ und den Padmé-Romanen nicht so richtig gelingen wollte. Dort drohte zwischendurch tatsächlich häufiger Langeweile. Erneut: Das düstere Verbrechermilieu war hier zweifellos hilfreich.
Auf den letzten 38 von 313 Seiten trifft Johnston dann allerdings ein paar Entscheidungen, die dem Roman ein leicht unbefriedigendes Finale geben. Zum einen begibt sich Qi’ra mit bisherigen Weggefährten auf eine Mission, die etwas zu beiläufig einen ziemlich hohen Blutzoll verlangt – so als wolle Johnston ihre Nebenfiguren möglich rasch loswerden, die ja später (im Film „Solo“ oder den „Crimson Dawn“-Comics) nie mehr erwähnt wurden. Darüber hinaus wählt sie einen Schlusspunkt, der eigentümlich willkürlich wirkt und fast Cliffhanger-Natur hat. Dass es einen zweiten Qi’ra-Roman geben wird, davon gehe ich allerdings nicht aus. Und schließlich hat sie noch einen Epilog geschrieben, der für manche Leser:innen völlig unverständlich bleiben dürfte, denn er setzt nach dem letzten Panel des Comics „Hidden Empire“ ein, der den Abschluss der „Qi’ra“-Trilogie bei Marvel Comics darstellte und den Aufstieg und Fall von Crimson Dawn unter Qi’ra zwischen den Filmen „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ zum Thema hatte. Dort gibt es dann auch einen mysteriösen Auftritt, der Fragen aufwirft, ohne Antworten zu liefern. Leser:innen gerade am Schluss mit einem großen Fragezeichen im Gesicht aus einer Geschichte zu entlassen, ist dagegen nie eine gute Idee.
Fazit: „Crimson Climb“ erzählt die Geschichte von Qi’ra zwischen der Trennung von Han Solo und ihrem Wiedertreffen im Film „Solo – A Star Wars Story“. Obwohl der Handlung ein echter Spannungsbogen abgeht und im Wesentlichen beschrieben wird, wie Zeit vergeht, während sich Qi’ra hocharbeitet, ist die Lektüre über weite Strecken durchaus fesselnd, was nicht zuletzt dem lebensgefährlichen Milieu geschuldet ist, in dem sich Qi’ra bewegt. Sie selbst wird als grenzwertig sympathische Figur beschrieben, egoistisch aus der Not heraus, aber manchmal eben auch zu kaltherzig. „Sie kann nicht gut anderen vertrauen“; das war ja auch sinngemäß das Fazit der „Qi’ra“-Comics bei Marvel gewesen. Insofern trifft Johnston die Figur schon sehr gut. Viele der Nebenfiguren bleiben dagegen eher blass, Männer wie Frauen gleichermaßen. Und gegen Ende trifft die Autorin ein paar Entscheidungen, die nicht jedem gefallen dürften. Dennoch ein kurzweiliger Roman, der eine erzählerische Lücke im „Solo“-Film schließt und einem erlaubt, den Film danach nochmal mit anderen Augen zu sehen.
Star Wars: Crimson Climb – Aufstieg bei Crimson Dawn
Film/Serien-Roman
E. K. Johnston
Panini Books 2024
ISBN: 978-3-8332-4495-7
320 S., Paperback, deutsch
Preis: 17,00 EUR
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