von Frank Stein
Der vorliegende Sammelband vereint die Ausgaben #1-5 der Reihe „Star Wars: Dark Droids“, einem großen Cross-Over-Event, das einmal mehr alle laufenden Reihen zusammenführt. Ursprünglich wurden die fünf Ausgaben in den USA zwischen August und Dezember 2023 in Heftform veröffentlicht, also zeitlich bereits kurz hinter „Hidden Empire“, dem Finale der „Qi’ra-Trilogie“. Dieser deutsche Sammelband bei Panini folgte dann parallel im Softcover und im limitierten Hardcover im Juli 2024. Geschrieben wurden die Comics von Charles Soule, dem Hauptautor auch der letzten Comic-Events. Luke Ross war für die Zeichnungen verantwortlich, Alex Sinclair für die Farben.
Die Geschichte beginnt mit einer Erklärung, denn das neue Böse entstand bereits ganz beiläufig am Ende von „Hidden Empire“. Dort hatte Qi’ra versucht, Vader und den Imperator in den sogenannten Fermata-Käfig, ein altes Sith-Artefakt, einzusperren. Gleichzeitig hatte Doktor Aphra, noch besessen vom Ewigen Funken der Ascendants, das Duell mit Darth Vader gesucht, um im Auftrag der Ascendants die verhassten Sith zu töten. Das Unterfangen beider Frauen misslang. Dabei wurde nicht nur der Funke wieder von seinem Wirtskörper getrennt und freigesetzt, sondern auch ein kleiner, unscheinbarer Droide aus dem Fermata-Käfig befreit. Beide verschmolzen, zu diesem Zeitpunkt scheinbar noch ohne Folgen.
Doch es ist der Anfang eines neuen Grauens. Die Macht des Funken trifft auf einen scheinbar unbedeutend winzigen Droidenkörper, der in Wahrheit allerdings von unstillbarer Gier, sich auszubreiten und alles zu kontrollieren, getrieben wird. Man könnte ihn einen Metall gewordenen Computervirus nennen. Gemeinsam werden die beiden zur sogenannten Plage, und sie beginnen damit, alle Droiden der Galaxis zu infizieren. Doch damit ist die Plage nicht zufrieden. Ihr Ziel ist es, alles in sich zu vereinen. Dafür muss der Wechsel vom Metall zum Fleisch gelingen. Und das erfordert grauenhafte Experimente.
„Dunkle Droiden“ bedient sich – für „Star Wars“-Verhältnisse – erstaunlich vieler Horror-Motive. Im Zentrum steht natürlich die unheimliche Seuche, die sich explosionsartig ausbreitet und aus harmlosen Geschöpfen (hier: Droiden) Killer macht. Das hat deutliche Anleihen einer Zombie-Invasion. Dazu kommt das Spiel mit der Angst, dass es intelligente Maschinen auf Menschen (und Nicht-Menschen) abgesehen haben könnten. Der Feind lauert gewissermaßen überall. Man kennt das aus Paranoia-Filmen. Und schließlich präsentiert Soule ziemlich expliziten Body-Horror, wenn die Plage versucht, den Wechsel vom Metall zum Fleisch zu vollziehen und dabei die Körper gequälter Opfer wie ein verrückter Wissenschaftler zusammennäht und -schweißt, um zu schauen, wie viel Biomasse nötig ist, damit sich auch Lebewesen von dem Virus übernehmen lassen. Da sind Panels zu sehen, die sind definitiv nicht für Kinderaugen gedacht.
Dabei muss man dem Autor zugutehalten, dass sein Antagonist nicht bloß wahnsinnig und böse ist. Tatsächlich könnte man ihn – mit viel Mitgefühl – sogar ein tragisches Opfer nennen, denn er folgt sehr spürbar nur seiner Programmierung oder hier vielleicht der unglücklichen Verschmelzung zweier Programmierungen, die ihn zwingen, immer mehr unter seine Kontrolle zu bringen. Die Plage will expandieren, sich ausbreiten, sich überall einnisten, das ist ihre primäre Funktion. Warum sie einst so geschaffen wurde, diese Antwort bleibt Soule allerdings leider schuldig. Vermutlich war sie damals ein Werkzeug des Krieges, das zu gefährlich wurde. Es zeigt sich jedoch im Laufe des Comics, dass ihr „intelligenter Teil“, vielleicht das, was zuvor der Ewige Funke war, mit der Menge an Übernahmen und dem Grad an Brutalität überfordert ist, ja sich sogar davon abgestoßen fühlt. „Ich will das alles nicht, aber ich kann nicht anders“, könnte man sagen. Auch dieser Zwang zum Bösen ist wieder ein typisches Horror-Motiv.
Kritisch anzumerken wäre, dass dieser Comic tatsächlich bloß der Kern des aktuellen Cross-Over-Events ist. Er erzählt die Krise im Wesentlichen aus der Sicht der Plage selbst, was zu langen Monolog-Strecken führt. Das ist nicht per se schlecht, fällt aber auf. Noch stärker fällt auf, dass in der Mitte und vor allem gegen Ende inhaltliche Lücken existieren. So wird R2-D2 anfangs scheinbar aus der Geschichte genommen, taucht am Ende aber plötzlich mit Verstärkung wieder auf. Wo die herkommt? Dazu muss man den Comic „Dunkle Droiden: D-Squad“ lesen. Außerdem mischen in einer Panelmontage des Endkampfs plötzlich zahlreiche Helden mit – Luke, Leia, Lando, Chewie, Sana, Aphra –, die zuvor kaum bis gar keine Rolle gespielt hatten. Deren Anteil an den Geschehnissen kann man wohl erst richtig verstehen und würdigen, wenn man die Bände „Star Wars: Dunkle Droiden – Lando und Lobot“, „Doktor Aphra: Dunkle Droiden“, „Kopfgeldjäger: Dunkle Droiden“ und „Darth Vader: Dunkle Droiden“ gelesen hat.
Ein paar Worte zur Optik: Die Zeichnungen von Luke Ross sind von hervorragender Qualität! Sie sind düster und detailreich, perfekt in Mimik und Proportionen der Figuren und voller tiefer Schatten, die eine unheilvolle Atmosphäre beschwören. Eindruck hinterlassen vor allem der Oberböse und sein Flaggschiff: ein Kampfdroide und ein Sternenzerstörer, die sich im Laufe der Handlung in bizarre, schwarze Stachelungetüme verwandeln, eine Mischung aus korrumpierter Technologie und Albtraum. Kongenial koloriert wird das Ganze von Alex Sinclair, der auf eine dunkle Farbpalette aus Schwarz, Grau, Blau, Rot und viel Violett setzt. Das passt großartig zu der Stimmung einer Horror-Geschichte, die sich überwiegend im technisch kalten Umfeld von Raumschiffen, die durchs All fliegen, entwickelt. Ein visueller Ausreißer mit viel Licht und hellen Farben ist nur die Kolonie der Zweiten Offenbarung, einer Sekte aus Droiden, die ein eigenes Bewusstsein entwickelt haben und frei von jeder Versklavung leben wollen, egal ob durch Biologische oder eben die Plage.
Eine Covergalerie am Schluss gibt es nicht, dafür werden die einzelnen Episoden innerhalb des Sammelbands von ihrem jeweiligen Cover voneinander abgetrennt, eine Lösung, die mir absolut gefällt, weil man so auch die Schluss- und Anfangspunkte der Einzelhefte besser würdigen kann.
Fazit: „Dunkle Droiden“ ist ein düsterer, eindrucksvoller Comic und ein „Star Wars“-Event mit ungewöhnlich hohem Horror-Anteil. Stellenweise ist die Geschichte zu schnell erzählt; hier merkt man, dass das Cross-Over-Event aus insgesamt sechs parallel erschienenen Geschichten besteht – und anders als zuletzt bei „Crimson Reign“ oder „Hidden Empire“ wird hier auch wieder auf enge Verzahnung gesetzt. Nicht zuletzt wegen seiner starken Optik, ist der Comic dennoch definitiv eine Empfehlung für alle Fans, die Spaß an der dunklen Seite von „Star Wars“ haben. Jungen Lesern würde ich den Band allerdings nicht die Hand geben. Dafür finde ich einige der Body-Horror-Aspekte zu eklig, und sei es auf beiläufige Art.
Star Wars: Dunkle Droiden
Comic
Charles Soule, Luke Ross, Alex Sinclair
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-3846-6
124 S., Softcover, deutsch
Preis: 17,00 EUR
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