Schwarzer Sold

Um eine alte Rechnung zu begleichen, ist es nie zu spät. Oder: Wie Gant, Shale, Mirisham, Kigan, Valdir, der Prinz, Moadd, Milu, Kheld, Digs, Ibsey, Elimar, Dithnir, Stixie, Sho, Harlain, Bresken, Bense, Achi und natürlich Kailen ihrem Schicksal nicht entgehen können. – Wer anstrengendes Gemetzel im Fantasy-Gewand liebt, der ist hier genau richtig.

von Lars Jeske

In Debütroman von Adrian Selby, der nach mehrmaliger Verschiebung des Veröffentlichungstermins doch noch auf Deutsch erschien, geht es um Rache. Oder so. Gern wird bei sowas ja „Das Lied von Feuer und Eis“ von George R. R. Martin als Vergleich herangezogen. Dieses Mal passt es tatsächlich sowohl storyseitig, als auch vom Hang zum Verschieben, wenngleich es hier nur knapp 10 Monate waren. Inhaltlich wird man also erst einmal mit viel Wissen über die Welt konfrontiert, um nicht zu sagen zugeschüttet. Verschiedene Charaktere, Orte und Handlungen, die nichts mit einander zu tun haben, ergeben später ein großes Ganzes, um einen Spannungsbogen zu erschaffen und den Rezipienten zu animieren, das Buch nicht wegzulegen. So ist zumindest die Hoffnung des Lesers.

Aber diese schwindet mit jeder geschafften Seite (vornämlich) bei „Schwarzer Sold“. Auch nach der Hälfte des Buchs ist man als Leser nicht viel schlauer. Aber eines steht fest: Der Autor hatte eine große Vision von einer (unnötig) komplexen Welt. Auf (dafür viel zu) wenigen Seiten gibt es (zu) viele Namen, Orte, Ereignisse, Kriege, Grenzstreitigkeiten und Berichte über Geschehnisse darüber, wer was mit wem warum wann getan hat. Immer in Zwischensätze gequetscht, kompliziert und fern jedweder Relevanz. Vor allem für ein Werk von nur knapp 600 Seiten, was optisch sogar weitaus schlanker aussieht. Es kommt bei dieser Lektüre leider auch keine echte Spannung oder Stimmung auf, da man in die Abrisse einzelner Handlungsstränge, wenn überhaupt, nur punktuell eingebunden wird und auch die zeitlichen Zusammenhänge nicht immer klar sind.

Ein echt anstrengendes Buch für den Leser, das nun wahrlich keine Zerstreuung bietet und erst Recht nicht nur „nebenbei“ gelesen werden kann. Es passiert beziehungsweise passierte, da fast alles nur Rückblicke auf irgendwas in Irgendwo ist, so viel, dass man schnell den Überblick verliert und ebenso die Lust weiterzulesen. (Quasi das Gegenstück zu Tad Williams, wo einfach mal auf den ersten 500 Seiten „nichts“ passiert.) Grob geht es bei „Schwarzer Sold“ (OT: „Snakewood“) um einen rachsüchtigen Assassinen, welcher im Prinzip nach und nach die Gruppe genannt „Kailens Zwanzig“ umbringt, die irgendetwas einmal vor gut 20 Jahren wider ihres Schwures getan haben sollen (im im Original titelgebenden „Schlangenwald“). Als Dreingabe zum Mord hinterlässt der Täter jeweils eine schwarze Münze, die für einen Verräter steht.

Erst im letzten Drittel gibt es für den Leser Hoffnung. Dann ergibt sich hieraus eine halbwegs verständliche Geschichte, die dem Leser bislang einfach nur in einem höchst eigenwilligen Stil dargereicht wurde. Aber allein diese Erleichterung und eine „überraschende Wendung“ (leider sehr vorhersehbar) reichen dann nicht, um die Geschichte, die dann irgendwann vorbei ist, mit mehr als einem Kopfschütteln abzutun und sich anderer Lektüre zu widmen.

Ich wollte dieses Buch wirklich gut finden, denn die Zutaten stimmen. Eine Inversion des Einsammelns wie bei „die glorreichen Sieben“. Lang schwelende Rachegedanken, die erst Jahrzehnte später umgesetzt werden können, um diese dann umso süßer auszukosten. Moralische Grundsätze als unnötiges Beiwerk. Verschiedene Zeitebenen. Eine Clique von wagemutigen Raufbolden, die durch einen eloquenten Anführer zu einer gereiften Einheit namens Kailens Zwanzig mit einem einzigartigen Nimbus wurden. Blutige und ausschweifende Kampfszenen, die detailliert und wirklich lebensecht beschrieben werden in ihrer Derbheit und ganzen Brutalität, die auf dem Schlachtfeld herrscht, wenn es um das eigene Überleben geht. Gemetzel von Kriegern, die vor allem mit Kampftränken das Beste aus sich herausholen können, wenngleich die Drogen einen dafür später bezahlen lassen. Drudhas, die die diversen Tränke, Pulver und Tinkturen zubereiten und somit essentieller Bestandteil aller Schlachtenstrategien sind. Aber auch ebenso Wortgefechte mit geschickter Diplomatie, um Grenzstreitigkeiten nicht immer mit Blut zu regeln (oder anders herum).

Aber so wie die „Glorie“, der lange Zeit beste Trank der bekannten Welt, die richtigen Zutaten in der richtigen Menge benötigt, damit er einem das Gefühl gibt, unsterblich zu sein und alles zu überwinden, so grandios ist der Plan des Autors in der Zusammenstellung des Romans gescheitert. Die Idee ein aus Briefen und Nachrichten zusammengesetztes Puzzle für die Leser vorzubereiten ist an sich lobenswert, wirkt aber hier wie ein Machwerk und eine Vergangenheitsrechtfertigung des rekapitulierenden Protagonisten.

Anmerkung: Auf der Verlagsseite ist der Roman mit einer Altersempfehlung ab 16 Jahren angegeben, was ernst zu nehmen ist. Wenngleich Krieg bekanntlich immer dreckig und derb daherkommt, sind doch einige Szene sehr direkt und menschenverachtend, was in Teilen unnötig verstörend wirken kann.

Fazit: Man sollte ein Buch nicht nach dem Cover werten. Denn auch ein tolles Cover reißt nicht immer ein Buch inhaltlich heraus. Die ersten 50 Seiten von „Schwarzer Sold“ sind chaotisch. Dann gibt es 200 Seiten undurchsichtige Berichte von Personen, die mit nichts in Beziehung stehen, an Orten, die man nicht kennt, denen Dinge passierten sind, die nicht ausgesprochen werden. Abenteuer zwischen Irgendwo und jwd. Schade, nachdem man sich durch den mehrmals verschobenen VÖ knapp 10 Monate zusätzlich auf den Roman freuen konnte, ist er eine echte Enttäuschung. Selbst die gute Übersetzung von Michael Neuhaus und Andreas Kasprzak kann dieses Machwerk nicht retten, da es nicht genau weiß, was es will. Zu viel, zu unübersichtlich ohne roten Faden. – Wer einmal einen anderen Stil lesen und sich beim Lesen aufreiben möchte, der ist hier genau richtig.

Schwarzer Sold
Fantasy-Roman
Adrian Selby
Bastei Lübbe 2018
ISBN: 978-3-404-20873-9
600 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 16,00

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