Rohals Erben – Aventurische Gildenmagie

Obwohl eine magische Begabung in Aventurien selten ist, ist die Magie an sich ein Teil des Alltags. Besonders in den zivilisierten Landen Aventuriens hat sich die Gildenmagie herausgebildet, die Magiebegabten die Ausbildung und das Studium an ihren Akademien erlaubt. In der Spielhilfe erfährt man mehr über die Ausbildung als Magier, den Alltag in einer Magierakademie oder als freier Magus und die Organisation der drei aventurischen Gilden. Man lernt berühmte magische Persönlichkeiten kennen oder wie man seinen Heldenmagier weiter verfeinern kann.

von Ansgar Imme

Die Magie hat – nicht nur bei „Das Schware Auge“ („DSA“) – Spieler und Autoren seit Jahrzehnten fasziniert. Bei „DSA“ gab es den ersten kleinen Sprung in der zweiten Edition mit „Die Magie des Schwarzen Auges“, die neben Regeln auch bereits viele Hintergrundtexte enthielt. Die vermutlich größte Weiterentwicklung und bis heute eine der beliebtesten Spielhilfen gab es in der dritten Edition mit „Götter, Magier und Geweihte“ – eine prall gefüllte Box mit mehreren Heften und Büchern zu Regeln und einer massiven Erweiterung des Hintergrundes zu allen Magiearten und deren Anwendern. Die vierte Edition erweiterte dies noch einmal, auch wenn der Sprung nicht so groß war wie zwischen der zweiten und dritten Edition. In der aktuellen fünften Edition gibt es zwar drei Regelbände zur Magie beziehungsweise als neuere Zusammenfassung den „Kodex der Magie“, welche auch Hintergründe enthielten, aber ein richtiger, umfassender Hintergrundband fehlte bisher.

Im Crowdfunding zu „Rohals Erben“ sollte diese Lücke zunächst für die Gildenmagie als bei Spielern beliebtestem Zweig der Magie Aventuriens geschlossen werden. Wie bei Ulisses Spiele in den letzten Jahren bei ihren „DSA“-Crowdfundings üblich, gehörte neben dem eigentlichen Hauptband, der im Folgenden besprochen wird, auch eine Menge weiterer Publikationen dazu, die man entweder als Gesamtpaket unterstützen oder einzeln erwerben konnte, beispielsweise eine Abenteuersammlung, ein Ausrüstungsband, eine Kurzgeschichtensammlung, Regelerweiterungen etc., die alle in Verbindung mit der Gildenmagie stehen.

Der Hauptband des Crowdfunding entstand unter der Redaktion von Tara Flink und Nikolai Hoch und der Mitarbeit von fast zwanzig Autoren. Auf 192 vollfarbigen Seiten findet man einen umfassenden Überblick zur Gildenmagie mit vielen Themenbereichen. Nach einem sehr ausführlichen Inhaltsverzeichnis folgt ein kurzes Vorwort und eine Gebrauchsanweisung, wie man die Spielhilfe lesen und nutzen sollte und auch was die eigene Figur wirklich davon wissen kann. Während in den „DSA5“-Abenteuern die Inhaltsverzeichnisse den Namen nicht verdienen, hat man hier eine sehr gute Gliederung geschaffen, die bei der Masse an Themen einen schnellen und übersichtlichen Einstieg erlaubt. Unterstützt durch einen zweiseitigen Index (fast zum Ende des Bandes), welcher dagegen gerne hätte etwas länger sein dürfen, kann man schnell die passenden Kapitel und Inhalte finden.

Der Inhalt startet dann mit einem Überblick zur Welt der Gildenmagier, in welcher die Gildenmagie skizziert wird, Medienhinweise gegeben werden und der Umgang der Gildenmagier mit der Magie an sich im Gegensatz zu anderen Magiewirkern erklärt wird. Ein Glossar erläutert gildenmagische Begriffe, die man im Spiel nutzen kann, um den Magier als Forscher oder eher wissenschaftlichen Magiewirker besser darzustellen. Ein abschließender ausführlicher Abschnitt dieses Kapitels stellt die Magierakademien des Kontinents vor. Auch wenn es die Einleitung des Bandes mit eher allgemeinen Texten ist, kann man hier doch vieles für einen Spielabend mitnehmen und immer wieder mal nachlesen. Man bekommt einen schnellen Eindruck, wie Gildenmagier denken oder vorgehen. Mit Glossar und der Kurzübersicht der Akademien kann man zudem den Spielern schnell einen Eindruck geben oder seine Spielfigur mit passender Wortwahl noch besser darstellen.

Der zweite Abschnitt beschäftigt sich gleich mit den drei Magiergilden. Man erhält einen geschichtlichen Überblick und wie diese heute aufgestellt sind, ob ein Gildenwechsel möglich ist und dann jeweils eine Beschreibung der Weißen, Grauen und Schwarzen Gilde mit Informationen zu Verbreitung, bekannten Mitgliedern sowie deren Auftreten und Verhalten. Ebenso werden gildenlose Magier skizziert und was diese von den Gilden unterscheidet. Auch dieser Teil ist absolut nützlich und erlaubt sowohl anhand der Texte als auch der jeweiligen Illustrationen eine gute Unterscheidung und Darstellung der drei Gilden und ihrer Magier.

Der mit Abstand längste Teil des Bandes ist, mit fast 50 Seiten und vielen Unterkapiteln, über das Altagsleben der Magier. Hier geht es um den Werdegang eines Magier vom Erkennen der magischen Kraft bis zu seiner ganzen Ausbildung, den Alltag an Akademien oder im normalen Leben, genutzte Sprachen und Schriften oder wichtige Feiertage und Zusammenkünfte. Dazu gehören aber auch die Hierarchie innerhalb der Gilden und Akademien mitsamt Anreden und Titeln, übliche und vorgeschriebene Kleidung eines Magus, wie der Lebensstil gestaltet wird, man sich auf Reisen verhält und welche Rechte und Pflichten Magier haben. Als Beispiel einer Unterkunft wird ein Magierturm vorgestellt und wie sich dieser bei Magiern der unterschiedlichen drei Gilden gestaltet. Als gildenübergreifende Einrichtung wird das Institut der Arkanen Analysen vorgestellt, welche Aufgaben dort übernommen werden und wie es sich im Vergleich zu den Akademien gibt. Abgeschlossen wird das große Kapitel durch einen Abschnitt zu magischen Forschung, in welchem von erlaubten Forschungen, über Finanzierung und Forschungsbeispielen bis zu Forschungsfeldern – auch für Helden – berichtet wird.

Der Begriff Alltag ist für dieses große Kapitel sehr weit gefasst, enthält es doch ganz unterschiedliche Themen. Speziell die hinteren Teile, wie der Magierturm, das Institut der Arkanen Analysen oder die Forschung, hätten vielleicht auch in ein anderes Kapitel gepasst. Wenn man davon ausgeht, dass ein Leser dieser Spielhilfe Details zum Magier und deren Lebens haben möchte (und nicht den Detailgrad kritisiert), wird dieser hier aber umfassend informiert. Der tatsächliche Alltag, Anreden, Sprachen oder Kleidung bieten eine unglaubliche Fülle, mit der man seiner Figur Hintergrund und Farbe verleihen oder im Spiel aus dem Bereich der Magie berichten kann. Die Detailtiefe ist ausreichend, nicht zu gering und nicht zu stark. Der Magierturm ist sowohl für Spieler als auch Spielleiter geeignet und kann mit wenig Aufwand in ein Abenteuer integriert werden. Das Institut der Arkanen Analysen hingegen wirkt etwas Fehl am Platze. Zwar wird ein kleiner Abenteueraufhänger gegeben, aber letztlich wird man das Institut doch nur als sehr erfahrener Magier besuchen, was den Großteil der Spielrunden erst mal nicht trifft.

Auf dreizehn Seiten lernt man im nächsten Kapitel die Magischen Orden wie Draconiter, Graue Stäbe oder die Pfeile des Lichts kennen. Neben Standorten, der Verbreitung, der Leitung und den Aufgaben der Orden werden berühmte Mitglieder vorgestellt. Die Beschreibungen sind mit nicht mal einer Seite pro Orden knapp gehalten. Als Hintergrund ist dies sicherlich informativ, im Spiel werden diese aber der Erfahrung nach seltener vorkommen, was die Platzbegrenzung nachvollziebar macht.

Es folgt ein ebenso komprimierter Abschnitt über zehn Seiten zur Religion und Weltsicht der Gildenmagier. Hier geht es um den Umgang mit dem Zwölfgötterglauben, aber auch um andere Religionen und Gottheiten sowie philosophische Fragestellungen unter Magiern. Der erste Teil zum Umgang mit Religionen bietet wieder interessante Beispiele, die man im Rollenspiel umsetzen kann und die Relevanz am Spieltisch haben, wenn man auf diese Gruppen trifft. Der zweite Teil dieses Kapitels ist sicherlich eher für Spieler gedacht, die sehr tief in den Hintergrund eintauchen und dies auch im Spiel erwähnen wollen.

Ein Kapitel, das bereits seit Jahrzehnten in Spielhilfen von „DSA“ auftaucht, sind die Meisterfiguren oder hier „Von Rang und Namen“ betitelt. Berühmte und berüchtigte Magier erhalten neben einer Illustration eine Beschreibung und  Agenda. Der Rezensent liest diese immer wieder gerne, da sie doch in die hohe Politik oder Macht eintauchen lassen, aber die Anwendung im Spiel zeigt(e) sich doch immer selten und begrenzt, sofern man nicht auf hohen Ebenen der Macht unterwegs ist oder sie doch mal als Auftraggeber einbaut. Neben den ausführlichen Porträts finden sich aber auch viele weitere bekannte Magiebegabte und eine umfassende Liste aller Spektabilitäten der Akademien, sodass man diese einmal an einer Stelle finden kann, wenn man sie doch mal benötigt. Vor allem die vielen weiteren Personen bieten einige interessante Szenarioaufhänger, die man zu einem Abenteuer ausbauen kann.  

Recht ähnlich verhält es sich mit dem folgenden Abschnitt zur gildenmagischen Geschichte von vor 10.000 Jahren bis heute. Als Text sehr spannend zu lesen und viele Hintergründe offenbarend, ist es für das Spiel an sich wenig nützlich. Natürlich gehört es trotzdem in einen solchen Band, da es Entwicklungen der Vergangenheit verdeutlicht und warum es heute Magierichtungen gibt oder warum welcher Antagonist wie oder auf welcher Basis agiert. Da vieles aber weiter in der Vergangenheit liegt, wird ein Spielermagier nicht so viel davon wissen. Praktisch ist hingegen die gut eine Seite mit Hinweisen, was der Held über die Gildenmagie wissen kann, was anhand Erfolgen in verschiedenen Proben auf Talenten gemessen wird.

Absolut spielrelevant, wenn man denn darauf Wert legt, ist das zweitgrößte Kapitel des Bandes um Helden aus dem Bereich der Gildenmagie. Hier werden verschiedene Motivationen für Magier als Helden aufgezeigt, Hintergundereignisse genauer beleuchtet und vor allem natürlich weitere Zaubertricks und Zauber vorgestellt. Ergänzend bekommt man auch Vorteile, Nachteile und Sonderfertigkeiten, die mit der Gildenmagie in Zusammenhang stehen. Im Herbarium finden sich Pflanzen und Kräuter, die eine magische Bewandtnis haben. Kritisch ist sicherlich zu sehen, dass diese Inhalte fast alle aber schon in anderen Publikationen veröffentlicht wurden oder werden, etwa im „Grimorium Cantiones“, das zeitgleich im Crowdfunding entstanden ist. Diese Redundanz ist bei „DSA5“ leider so angelegt und gewünscht, trotzdem aber immer wieder ärgerlich.

Für einen schnellen Einstieg sind verschiedene Professionspakete zusammengestellt, falls man eine bestimmte Art Magier darstellen möchte (etwa Dämonenjägerin, Leibmagier, Magische Ermittlerin etc.). Ein spezieller Regelteil beschäftigt sich als Fokusregel mit der Umsetzung magischer Forschung in Regelwerte und Ergebnisse. Die berühmte Basiliusprüfung wird ebenso mit Leben gefüllt, Voraussetzungen auf regeltechnischer Ebene werden erläutert und der Ablauf der Prüfung wird skizziert. Durchaus spannend und interessant, wenn auch sicherlich selten am Spieltisch, sind die Vorschläge zu Themengruppen der Gildenmagie, wie das Kollegium einer Magierakademie, eine magische Forschungsexpedition oder magische Ermittler. Hier findet sich insgesamt eine gute Mischung aus Regelelementen und Vorschlägen für Umsetzungen am Spieltisch. Gleichzeitig ist es vermutlich das Kapitel, was am unterschiedlichsten wahrgenommen und schnell mal überblättert wird. Einen werden die Regelelemente nicht interessieren (oder sie sind eben schon längst durch andere Publikation bekannt), andere werden manches viel zu detailliert finden (Forschung) und wieder andere Themengruppen als zu abgehoben empfinden. Damit ist aber am Ende doch für fast jeden etwas dabei. Man findet auf jeden Fall viele interessante Ideen, die man für seinen Helden oder auch Gegner nutzen kann.

Nach dem schon erwähnten Index folgt noch ein separates Kapitel für den Spielleiter, das Mysterien und Geheimnisse beleuchtet. Manche der Mysterien, vor allem um Artefakte oder sehr alte Geheimnisse, sind zwar interessant beschrieben, bieten aber wenig Spielwert oder vielleicht nur für sehr erfahrene Helden. Oft fühlt man sich mehr an Kurzgeschichten erinnert. Auch die Geheimnisse der bekannten Magier wissen nur begrenzt zu überzeugen, da man diese nur wenig ins Spiel einbauen kann. Oder sie sind so allgemein gehalten, dass sie keine wirklich Geheimnisse sind und auch in der allgemeinen Beschreibung schon hätten enthalten sein können. Generische Meisterfiguren mit ausführlichen Spielwerten, die eine ganze Seite verschlingen, sind einfach nur Platzverschwendung. Am besten gefallen hier die zwei letzten Seiten, die Abenteuer aus dem Bereich der Gildenmagie skizzieren und vielfältige Ideen einbringen.

Fazit: Mit „Rohals Erben“ haben die Autoren versucht, dem Thema Gildenmagie eine umfassende und breitgefächerte Beschreibung zu bieten, was größtenteils sehr gut gelungen ist. Nicht alles ist immer spielrelevant oder kann mit wenig Aufwand eingebaut werden, aber größtenteils erhält der Leser sehr nützliche und brauchbare Informationen, die auch erfahrenen und langjährigen Spielern noch Neues bieten. Ob es am Thema Magie liegt – auch hier ist wieder ein guter Wurf gelungen.

Rohals Erben – Aventurische Gildenmage
Quellenbuch
Tara Flink, Nikolai Hoch (Hrsg.)
Ulisses Spiele 2022
ISBN: 978-3-96331-808-5
192 S., Hardcover, deutsch
Preis: 44,95 EUR

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