Was das Herz begehrt (Heldenwerk)

Widmete sich das letzte „Heldenwerk“ einmal dem Thema Gruppenzusammenführung und setzte auf einen einzelnen Ort als Schauplatz, darf sich nun wieder eine eher erfahrene Heldengruppe austoben – und das gleich in ganz Drôl! Lohnt sich der Ausflug in den aventurischen Süden?

von André Frenzer

Das neueste „Heldenwerk“ bietet der geneigten Spielgruppe eine waschechte Intrige und ein großes Komplott. Angesiedelt ist das Abenteuer in Drôl, tief im wilden Süden Aventuriens. Diese ambivalente Stadt ist ohnehin ein interessanter Schauplatz, liegen doch fast nirgendwo Armut und Reichtum so nah beieinander wie hier. Und so verwundert es nicht, dass Dekadenz auf der einen und Armut auf der anderen Seite zu sehr unterschiedlichen Zielen führen. Aber der Reihe nach – es folgen einige Spoiler!

Nicht alle sind zufrieden mit der Fürstin Drôls, Alrigia ya Costermana. Diese versucht mit volksnahen Reformen für mehr soziale Gerechtigkeit in der Stadt zu sorgen. Das wiederum gefällt vielen der alten Patrizier nicht, die sich nichts mehr als „die gute alte Zeit“ des Sklavenhandels zurückwünschen. So auch Fildôrn Cerastelli, welcher Vorsitzender eines sogenannten Schattenkabinetts ist, welches gegen die Fürstin intrigiert. Gemeinsam mit einem Schwarzmagier heckt dieser Cerastelli einen finsteren Plan gegen die Fürstin aus: Mithilfe eines beschworenen Dämons, Nurumbaal – auch bekannt als Brabaker Goldesel – will das Kabinett im Namen der Fürstin falsches Gold in Umlauf bringen. Dafür braucht es nur einige menschliche Opfer, da der Dämon dummerweise menschliche Herzen verschlingt, bevor er falsches Gold ausscheidet. Dazu bedienen sich die Intriganten der Söldnerin Ilaria, welche wiederum einige Bettler unter falschen Versprechungen in den Tod lockt. Wer vermisst schon ein paar Bittsteller?

Hoffentlich die Helden! Denn diese werden vom Vorsteher des örtlichen Armenhauses gebeten, nach seinen verschwundenen Schützlingen zu suchen. Zwar hat er außer Dankbarkeit nichts zu bieten, doch wahre Helden sollte das natürlich nicht davon abhalten, ihr Werk zu tun. Was folgt, ist eine mehr oder minder grob ausgearbeitete Schnitzeljagd, in deren Verlauf die Charaktere zunächst den Spuren der Verschwundenen folgen, was sie schließlich zur Söldnerin Ilaria führt. Von dort führt die Spur in den Palazzo der Cerastellis, wo sie nicht nur die Hintermänner der Intrige stellen können, sondern hoffentlich auch noch einige der Entführten retten können. Wenn sie denn mit dem Dämon fertigwerden, der bei all dem auch noch ein Wörtchen mitzureden hat …

„Was das Herz begehrt“ fällt in die Kategorie „Heldenwerke“, welche unter dem arg begrenzten Platz der Abenteuerreihe deutlich leiden und an Qualität verlieren. Dem Abenteuer hätten einige zusätzliche Seiten gut zu Gesicht gestanden. So gibt es zwar eine lobenswerte Übersicht über den Schauplatz Drôl, der knapp zwei Seiten in Anspruch nimmt. Doch fehlen diese Seiten an anderer Stelle: Viele Charakterbeschreibungen bleiben entweder sehr blass oder werden gar nicht weitergegeben. Dazu kommt eine Vielzahl von potenziellen Ansprechpartnern für die Charaktere – bei einem Stadtabenteuer sicherlich nicht ungewöhnlich –, deren Verbindungen und Verhaltensweisen größtenteils noch vom geneigten Spielleiter ausgearbeitet werden müssen. Auch die Schnitzeljagd ist nicht an allen Stellen logisch aufgebaut, sondern verteilt den einen oder anderen Hinweis eher mit dem Holzhammer – so verwahrt zum Beispiel die Söldnerin einen Haufen wertvoller Notizen in ihrer Wohnung, welche nicht nur den Hintergrund des Abenteuers recht gut erklären, sondern auch gleich die passende Adresse für das Finale mitliefern. Beim Finale sind dann auch noch einige handwerkliche Fehler in diesem „Heldenwerk“ gemacht worden. Denn die Raumbeschreibungen des Palazzo referenzieren allesamt auf eine Karte, die allerdings nicht mit abgedruckt wurde! So bleibt es auch hier am Spielleiter, aus dem Text eine sinnvolle Raumaufteilung zu extrahieren. Dass darüber hinaus das für metaplotrelevante NSC typische Railroading vorgesehen wurde – eine Chance, den Schwarzmagier zu stellen, sieht das Abenteuer nämlich nicht vor –, ist ein weiteres Ärgernis.

Dabei ist längst nicht alles schlecht an „Was das Herz begehrt“. Der Einstieg ist gelungen, die generelle Idee des Komplotts ist gut gelungen. Auch wurde mit Drôl ein sehr passender Schauplatz gewählt, welcher die Handlung quasi von selbst unterstützt. Auch Abwechslungsreichtum ist geboten – Kämpfer und Diplomaten können gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Es ist schlicht die zu grobe Ausarbeitung und die eine oder andere notwendige Verkürzung für den doch nicht unkomplexen Plot, welche hier einen echten Kritikpunkt darstellt.

Optisch erwarten den Leser keine großen Überraschungen. Leider fehlt – wie bereits angemerkt – eine im Text referenzierte Karte, während teilweise Platz für großformatige, wenig aussagefähige Illustrationen genutzt wurde. Das ist ein echter Mangel. Gut gelungen ist allerdings die kurze Übersicht Drôls nebst passendem Stadtplan.

Fazit: „Was das Herz begehrt“ konnte mich in dieser Form nicht begeistern. Weiß die Grundidee zu gefallen, ist die Ausarbeitung ob der Kürze des Formats zu grob ausgefallen und wirkt nicht überzeugend. Wer noch genügend Hand vor dem Leiten anlegt, erhält aber eine solide Grundlage.

Was das Herz begehrt (Heldenwerk)
Abenteuerband
Dragan Milicevic
Ulisses Spiele 2024
ISBN: n. a.
16 S., Softcover, deutsch
Preis: 5,95 EUR

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