Res Arcana

Dämpfe vernebeln das Labor des Alchimisten, im heiligen Hain zerreibt eine Druidin Kräuter und in den Katakomben beschwört eine Nekromantin einen Knochendrachen. In der Welt von „Res Arcana“ verkörpern die Spieler alchimistische Magier, die um die Kontrolle über uralte Monumente und Orte der Macht konkurrieren. Kann das Spiel über die Künste der Magie wie ein gelungener Zauberspruch aus der Masse der neuen Spiele hervorstrahlen oder verpufft es wie ein misslungener Zauber?

von Oliver Adam

Bei „Res Arcana“ verkörpern 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren alchemistische Magier, die magische Essenzen und Gegenstände nutzen, um Artefakte zu fertigen, Fähigkeiten zu aktivieren und uralte Monumente und Orte der Macht in Besitz zu nehmen. Für erfolgreiche Aktionen gibt es Siegpunkte, und am Ende gewinnt der Magier, der zuerst 10 Siegpunkte erreicht.

Bevor wir uns allerdings den gewaltigen Zaubersprüchen zuwenden, wollen wir einen Blick auf das beeindruckende Spielmaterial werfen. Das Grundspiel bietet bereits 10 verschiedene Magierkarten zur Auswahl – vom Alchimisten, über den Heiler bis hin zum Nekromanten –, aus denen die Spieler ihren Charakter auswählen können. Dabei bieten diese sehr unterschiedliche Fähigkeiten, die das eigene Spiel stark beeinflussen. 40 Artefaktkarten und 8 Plättchen der magischen Gegenstände zeigen eine breite Palette von magischen Effekten und besonderen Kreaturen, die im Laufe des Spiels beschworen werden können. 150 Essenzmarker aus Holz verkörpern die Ressourcen Tod, Ruhe, Leben, Elan und Gold. 10 Monumentkarten bringen neben Siegpunkten oft auch besondere Effekte und sind daher für den Sieg besonders wichtig. Die anderen Siegpunktebringer sind 5 Orte-der-Macht-Plättchen, die beidseitig bedruckt sind, sodass jede Partie mit einer anderen Kombination ausgestattet ist.

Alle Karten und Plättchen sind sehr stimmungsvoll illustriert und gliedern sich perfekt in die Thematik ein. Die Karten sind von hoher Materialqualität und sehr haptisch. Bei anderen Spielen muss man immer wieder die dünnen Spielertableaus kritisieren, bei „Res Arcana“ bekommt man perfekte Karten und Plättchen auf dickem Karton. Ganz besonders lobend erwähnen möchte ich das großartige Inlay, das alle Komponenten perfekt schützt und für die Ressourcen ein durchdachtes Tray bietet, das direkt aus der Box auf den Spieltisch gestellt werden kann. In Sachen Material und Ausstattung zaubert sich „Res Arcana“ auf alle Fälle schon mal in die Champions League der Zauberwelt.


    Zauberhaftes Material perfekt sortiert.

Kann das Spielgefühl von „Res Arcana“ das hohe Niveau der Spielkomponenten halten? Der Autor Tom Lehmann ist bekannt für Spiele, bei denen Engine-Building und Deckbau einen hohen Stellwert besitzen. Und Engine-Buliding, also der Aufbau von Produktionsketten, die ineinandergreifen und zunehmend Ressourcen produzieren, findet sich in „Res Arcana“ in starkem Maße wieder. Der Aspekt Deckbau, also die sukzessive Erweiterung eines Kartendecks, ist im Grundspiel dagegen nicht präsent.

Der Spielaufbau von „Res Arcana“ geht sehr schnell. Jeder Spieler wählt aus zwei zufällig gezogenen Magierkarten eine aus. Zusätzlich erhält man ein Kartendeck aus acht zufälligen Artefaktkarten, drei davon auf der Hand, die restlichen im Nachziehstapel. Im Laufe des Spiels ändert sich dieses Kartendeck nicht mehr, das heißt, man bestreitet das gesamte Spiel mit diesen acht Karten. Das vermittelt eine gewisse Planungssicherheit, gleichzeitig kann der Zufallscharakter dazu führen, dass man von Beginn an mit einem suboptimalen Deck versumpft. Bei den Testrunden ist dies zwar nie geschehen, allein die Möglichkeit finde ich allerdings bedrohlich. Der Autor hat am Ende der Anleitung in den Spielvarianten einen Draft-Mechanismus als Lösung hierfür eingebaut, bei dem die Spieler zu Beginn die Artefaktkarten reihum nacheinander auswählen. Das ist sicherlich der spannendere Ansatz, der das Spiel jedoch auf eine deutlich komplexere Ebene hebt und eine gewisse Erfahrung der Teilnehmer erfordert. Darüber hinaus wählt jeder Spieler noch einen magischen Gegenstand aus den acht offen ausliegenden aus, der verschiedene zusätzliche Effekte erlaubt. In der Spielmitte wird nun der allgemeine Vorrat vorbereitet. Dazu zählen fünf Orte der Macht, zwei aufgedeckte und acht verdeckte Monumente sowie die Holzessenzen.


    Die Magierkarten im Grundspiel.

Jede Spielrunde von „Res Arcana“ besteht aus drei Phasen:

In der Ertragsphase erhalten die Magier neue Essenzen, die sie zur späteren Aktivierung der magischen Effekte benötigen. Einige Karten und Plättchen der Auslage zeigen ein Handsymbol, und daneben ist abgedruckt, welche Essenzen der Spieler in welcher Menge nehmen kann.

Die Aktionsphase ist das Herz des Spiels. In ihr führen die Spieler reihum so lange jeweils eine Aktion aus, bis alle Spieler gepasst haben. Folgende Aktionen stehen zur Verfügung:

- Ein Artefakt kann von der Hand in die Auslage ausgespielt werden, wobei die Ausspielkosten bezahlt werden müssen.
- Abwerfen eines Artefaktes von der Hand (dieses wird unter den Nachziehstapel gelegt) für zwei Essenzen oder ein Gold.
- Die Fähigkeit einer bereits ausgespielten Komponente nutzen, die noch nicht erschöpft wurde. Über diesen Weg gelangen die Magier an die meisten Ressourcen.
- Ein Monument oder einen Ort der Macht in Besitz nehmen und hierfür die Ressourcen bezahlen. Über diesen Weg werden die meisten Siegpunkte generiert.
- Ein Spieler kann passen und seinen magischen Gegenstand mit einem anderen noch verfügbaren aus der Mitte austauschen.

Nachdem alle gepasst haben, folgt die Siegphase, bei der überprüft wird, ob ein Spieler die erforderlichen zehn oder mehr Siegpunkte erreicht hat. Wenn dies der Fall ist, gewinnt der Magier mit den meisten Siegpunkten. Andernfalls startet eine neue Runde mit der Ertragsphase.

Die größte Einstiegshürde besteht im Verständnis der Symbole auf den Karten sowie den Synergieeffekten zwischen den Karten. Beim ersten Spiel läuft der Auftakt daher noch etwas zäh, sobald nach ein oder zwei Runden die Zeichensetzung verstanden wurde, spielt sich „Res Arcana“ aber sehr flott und flüssig. Anfängern wird der Einstieg durch nummerierte Startersets erleichtert, die gut aufeinander abgestimmt sind und die Komplexität flach halten. Sehr spannend ist der minimalistische Ansatz, da jeder Magier über ein rollierendes Kartenset von nur 8 Karten verfügt, das nicht durch neue Karten ergänzt wird. Man muss also das Beste aus den verfügbaren Mitteln herausholen.

„Res Arcana“ ist im Kern ein effizienzorientiertes Karten- und Ressourcenmanagementspiel. Eine Partie dauert normalerweise zwischen 4 und 6 Runden (eine Spielstunde) und wenn die Spieler einigermaßen erfahren sind, entwickelt sich ein Wettrennen, das Fehler kaum verzeiht. Wer einmal im Hintertreffen ist, hat kaum Möglichkeiten, das wieder aufzuholen. Dabei steuern die zufällig verteilten Karten sehr stark den Weg, den man als Magier eingehen muss, um eine Chance zu haben (Ausnahme: Drafting-Option). Interaktion findet allenfalls beim Wettlauf um Monumente oder Orte der Macht statt. Im Spielsystem wurde als interaktives Element die Ressource Leben eingebaut, die durch verschiedene Karten aufgebraucht wird – bei den Testspielen war dieser Faktor jedoch irrelevant.

Das Experimentieren mit den synergetischen Effekten von Karten, Orten, Gegenständen und Monumenten macht auf alle Fälle sehr viel Spaß und es gibt bereits im Grundspiel sehr viel zu entdecken. Ich bin schon gespannt auf die bereits angekündigte Erweiterung, die noch weitere Optionen ins Spiel bringen wird.

Fazit: „Res Arcana“ besitzt eingängige Regeln und ist schnell gespielt. Hervorragende Spielmaterialien mit sehr thematischen Illustrationen bilden das Fundament für ein überzeugendes Karten- und Ressourcenmanagementspiel, dessen Komplexität nicht auf den Regeln, sondern auf den vielfältigen Karteneffekten und deren Synergien beruht. Durch die kurze Spieldauer müssen die Spieler sehr effizienzorientiert vorgehen, um bei dem spannenden Wettrennen um Siegpunkte nicht ins Hintertreffen zu geraten. Der vorhandene Glücksanteil durch die zufällig verteilten Kartendecks kann durch einen optionalen Drafting-Mechanismus reduziert werden. Die Karten zeichnen teilweise den optimalen Spielweg vor, sodass man sich nach einigen Spielen etwas mehr Varianz wünscht (die mit der ersten Erweiterung bereits auf dem Weg ist). Also ran an die Zauberstäbe und rein in den absolut überzeugenden Magierwettstreit!

Res Arcana
Kartenspiel
Tom Lehmann, Julien Delval
Sand Castle Games / Asmodee 2019
EAN: 0850004236147
Sprache: Deutsch
Preis: 34,95 Euro
 
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