Ashes – Aufstieg der Phönixmagier

Als Richard Garfield 1993 „Magic – The Gathering“ entwickelte, begann eine neue Zeitrechnung für Freunde des fantastischen Spiels. Der rasante Erfolg des ersten Sammelkartenspiels machte aber nicht alle glücklich. Die finanziell aufwendige Jagd nach seltenen und mächtigen Karten war einfach nicht jedermanns Sache. Trotzdem dauerte es 15 Jahre bis die ersten Living Card Games auf den Markt kamen. „Ashes – Aufstieg der Phönixmagier“ darf sich aus Copyright-Gründen zwar nicht Living Card Game nennen, vereint aber ein breites Angebot an Karten mit (fast) freier Kombinierbarkeit zu immer neuen Decks. Und beglückt uns Gamer obendrein mit mehreren Handvoll bunter Würfel.

von Michael Wilhelm

Anders als die Living Card Games aus dem Hause Fantasy Flight Games, die sich auf populäre Lizenzen stützen können, betreten wir mit „Ashes“ neues Terrain. Die etwas generische Vorgeschichte beschreibt eine Welt, die von Phönixmagiern aus der Asche eines schrecklichen Krieges gehoben und wieder zurück ins Licht und in die Zivilisation gebracht wurde. Jeder Phönixmagier repräsentiert dabei einen Aspekt der allumfassenden magischen Macht.

Doch den mächtigen Phönixmagiern reicht das nicht. Nach dem Krieg macht sich Langeweile breit. Es gelüstet ihnen nach der arkanen Macht ihrer Mitstreiter, sodass der Friede nicht lange dauert, denn nun schlüpfen die Spieler in die Haut eines Phönixmagiers oder eine Phönixmagierin, um sich ihrer Kontrahenten zu entledigen. Positiv hier, dass von den sechs Phönixmagiern im Grundspiel vier weiblich und bloß zwei männlich sind. Soviel zur Anwendung der Frauenquote im Bereich des Fantasy-Spiels.

Die Phönixmagier verfügen über unterschiedliche Spielwerte für Lebenspunkte (im Grundspiel 15 bis 22), Schlachtfeld (Zahl der Einheiten im Spiel, 3 bis 8) und Zauberarsenal (Zahl der bereiten Zauber im Spiel, 3 bis 5) sowie eine individuelle Fähigkeit, die als Nebenaktion oder als Reaktion genutzt werden kann. Sofort fällt auf, dass die zugehörigen Decks ganz unterschiedliche Optik und Karten haben, passend zum individuellen Magier und den genutzten Magiearten, sodass sich die Decks nicht nur unterschiedlich spielen, sondern auch ganz verschiedene Themen näherbringen, sich also wie echte Themendecks spielen. Das Thema der Phönixmagierin Jessa Na Ni ist Voodoo und Schmerz, beim Magier Staal Roarkwin ist es Kraft, Stärke und Nahkampf, die Phönixmagierin Aradel Sommergaard nutzt Kälte, Natur und Nebel.

Das Spielmaterial ist von hervorragender Qualität. Neben 267 Karten und mehreren Dutzend Pappmarkern liegen auch noch ganze 40 Spezial-Würfel in der Box. Nicht nur die Illustrationen der Phönixmagier-Karten sind prächtig anzusehen. Jede einzelne Karte ist ein kleines Kunstwerk aus der Hand von Fernanda Suarez und kann sich absolut mit der von „Magic“ oder den LCGs von Fantasy Flight Games gewohnten Qualität vergleichen. Das Kartenlayout ist ebenfalls einwandfrei, der Spieltext (und oft auch ein wenig Hintergrund-Text) ist bestens lesbar.

Neben den Phönixmagier-Karten bestehen die sechs vorgefertigten Decks aus Zauber-Karten und Einheiten-Karten. Das kommt einem von „Magic“ schon mal recht bekannt vor, was den Einstieg für „Magic“-Veteranen deutlich vereinfacht. Ein paar wesentliche Unterschiede gibt es dann aber doch. Etwas den Ländern von „Magic“ vergleichbares sucht man vergeblich. Hier kommen nämlich die Würfel ins Spiel.

Zu Beginn einer Partie wählt jeder Spieler eines der sechs vorgefertigten Decks oder benutzt ein selbst zusammengestelltes Deck. Auch Draft-Regeln finden sich in der Anleitung, doch wird es zu deren Nutzung wahrscheinlich eher seltener kommen, da schon mit den vorgefertigten Decks eine große Variabilität zur Verfügung steht.

Zu jedem Deck gehören zehn Würfel aus den (üblicherweise zwei) benutzten Magiearten. Derer gibt es insgesamt vier: Zeremonienmagie, Betörung, Natur und Illusionsmagie. Die Start-Decks setzen sich aus zwei Magiearten zusammen, sodass je Magieart fünf Würfel benutzt werden. Jeder Würfel hat zwei Seiten mit allgemeiner Magie, drei mit schwacher und eine mit starker Magie der entsprechenden Magieart.

Jeder Spieler legt die Phönixmagier-Karte aus, wählt eine Starthand von fünf verschiedenen Karten aus dem Deck und legt den Evokationsstapel (mit für den einzelnen Magier spezifischen Kreaturen zur Beschwörung, ähnlich den Token-Kreaturen bei „Magic“) bereit. Als gemeinsamer Vorrat werden Marker für Schaden, Erschöpfung und Status ausgelegt. Jede Runde besteht aus einer simultan durchgeführten Vorbereitungsphase, der Aktionsphase mit einzelnen abwechselnden Spielerzügen (bestehend aus Haupt- und Nebenaktion) und der Erholungsphase.

In der Vorbereitungsphase werfen alle Spieler ihre zehn Würfel. Startspieler ist, wer in der ersten Runde die meisten Würfel mit allgemeiner Magie gewürfelt hat. Die Kartenhand wird auf fünf aufgefrischt, dann geht es weiter mit der Aktionsphase. Reihum werden nun in jedem Spielzug eine Hauptaktion und eine Nebenaktion durchgeführt, solange bis alle Spieler passen. Hauptaktionen sind das Angreifen eines gegnerischen Phönixmagiers oder einer Einheit, oder das Ausspielen oder Aktivieren einer Karte, die als Kosten eine Hauptaktion angibt. Wer keine Hauptaktion mehr ausführen kann oder möchte, muss passen. Nebenaktionen sind ebenfalls oft Ausspiel- oder Aktivierungskosten von Karten, aber auch Meditieren (eine Würfelseite durch Kartenabwurf verändern) oder Aktivieren eines Würfeleffektes (ohne Verwendung einer Karte ein für eine Magieart spezifischer Effekt, z.B. das Heraussuchen einer Karte aus dem Deck bei Illusionsmagie, oder Schaden auf eine gegnerische Einheit bei Naturmagie; allerdings nur bei Würfeln, die starke Magie anzeigen).

Wenn alle Spieler passen, folgt die Erholungsphase. Nun werden Schadens- und Erschöpfungsmarker (Erschöpfung entspricht dem Tappen bei „Magic“) entfernt, und der Startspieler-Marker wandert eins nach links. Dann beginnt das ganze von vorne, solange bis nur noch ein Phönixmagier am Leben ist. Als Spieldauer sind 15 bis 30 Minuten pro Spieler angegeben. In den ersten Runden zu zweit kann es aber auch über eine Stunde dauern, bis ein Sieger gefunden ist, da man sich in Kartentexte und Würfelsymbole doch erst ein wenig einfuchsen muss.

Spannend ist bei „Ashes“ der ständige Schlagabtausch während der Aktionsphase. Dadurch, dass nach jedem Zug der aktive Spieler wechselt, geht das Geschehen schnell hin und her. Langeweile kann da gar nicht aufkommen, da nach dem Spielen einer Karte oder einem Angriff gleich wieder der Gegner an der Reihe ist. Nur bei größeren Runden dauert es eben einen Moment länger.

Das Spiel ist zwar für zwei bis vier Spieler vorgesehen, leidet aber schnell, wenn man mit mehr als zwei Spielern am Tisch sitzt, da sich bei drei oder vier Spielern erst ein chaotisches Jeder-gegen-Jeden einstellt, bis dann ein Spieler die Nase vorn hat und nun von allen anderen bearbeitet wird. Aber mit ein bisschen Fantasie kann man eine Hausregel (z.B. ähnlich dem Two-headed Giant bei „Magic“) finden, die mehr Ordnung ins Spiel bringt.

Fazit: Auf den ersten Blick scheint „Ashes – Aufstieg der Phönixmagier“ ein „Magic“-Klon zu sein. Doch spätestens, wenn die Würfel ins Spiel kommen, wird klar, dass weitaus mehr dahinter steckt. Neben hervorragendem Spielmaterial mit tollen Illustrationen bekommt man ein rasantes und dank der Kartenzahl und Deck-Variabilität abwechslungsreiches Karten- und Würfelspiel, das vor allem zu zweit Spaß macht, ohne Unsummen in Karten-Booster mit unbekanntem Inhalt investieren zu müssen.


Ashes – Aufstieg der Phönixmagier
Kartenspiel für 2-4 Spieler ab 14 Jahren
Isaac Vega
Plaid Hat Games, 2016
EAN: 681706127002
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

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