Year Zero – Band 2

Vier individuelle Lebensweisen in der Apokalypse. Vier eigene Wege, um sich dem Schicksal nicht zu ergeben. Vier unterschiedliche Länder, in denen sich neben den Zombies ein lebendiger Albtraum auszubreiten scheint. Vier Farben, die die Szenen in Pastellblau, Olivgrün, Marineblau und Rostbraun erstrahlen lassen.

von Daniel Pabst

„Gaststars dieses Drehkreuzes von Geschichten sind vielleicht die schlurfenden Toten, aber der wahre Star von Year Zero ist der Zustand der Menschheit.“ (Benjamin Percy, Minnesota, Oktober 2020).

„Year Zero – Band 2“ ist die Comic-Fortsetzung des Zombie-Hits „Year Zero“ von Benjamin Percy (Text). Dieses Mal entwarf Percy mit Juan José Ryp die Zeichnungen, und die Farben stammen von Frank Martin. Die Cover sind von Kaare Andrews. Veröffentlicht wurde der Band im Mai 2021 bei AWA Upshot. Seit diesem Jahre ist bei Cross Cult die deutsche Übersetzung von Frank Neubauer erhältlich. Das ausgewählte Cover zeigt einen Helikopter im Sonnenuntergang, an dem sich Zombies festgegriffen haben. Diese Mischung aus der bekannten Szene aus dem Kinofilm „World War Z“ (2013) und dem stechend gelb-orangenen Sonnenlicht aus „Apocalypse Now“ (1979) lässt Unheilvolles erwarten; macht neugierig zugleich.

Ein Jahr hat es gedauert, bis Benjamin Percy seinen Horror-Comic „Year Zero“ zu einem „Ende“ geführt hat. Zwischenzeitlich hat sich die Welt verändert, was auch an den Charakteren in „Year Zero“ nicht vorbeigegangen ist. Statt eines „Walking Dead“, das Percy als ein „Mikroskop“ bezeichnet, da darin die Geschichte einer bunt zusammengewürfelten Gruppe erzählt werde, soll „Year Zero“ für Percy ein „Teleskop“ sein, durch das man mit „schweifendem Blick“ schaue, um ein umfassenderes Bild zu bekommen. Ist er diesem Versprechen treu geblieben? Auch Band 2 trägt als empfohlenes Lesealter die Angabe „ab 16 Jahren“.  

In „Year Zero – Band 2“ begegnen wir vier Charakteren, die unabhängig voneinander durch vier verschiedene Länder ziehen: einer norwegischen Seekapitänin, einem kolumbianischen Drogenboss, einem ruandischen Arzt und einer amerikanischen Lageristin. Sie verbindet, dass sie (noch) Menschen sind, die die globale Epidemie überlebt haben. Wer „Year Zero – Band 1“ gelesen hat, mag sich jetzt denken: „Und was ist daran neu?“ Es fällt auf, dass Percy in der Zombie-Apokalypse aus „Year Zero – Band 2“ die fünf Charaktere aus Band 1 nicht mehr auftauchen lässt. Die vier Charaktere sind also alle neu! Der Stil ist gleich geblieben. Und so rauschen wir an den einzelnen Charakteren vorbei und nehmen immer nur Bruchstücke von ihren Kämpfen mit den Zombies und von ihren Ängsten, Sorgen und Hoffnungen wahr. Nach zwei bis drei Seiten geht es bereits zum nächsten Ort, was Spannung erzeugt. Dies deckt sich also mit der Ansage Percys, dass er ein „Teleskop“ schaffen möchte.

Eingebettet wird die Geschichte von Percy durch die Zeichnungen von Juan José Ryp. Die Schauplätze in Norwegen, Kolumbien, USA (Phoenix, Arizona) und Ruanda sind in jeweils eigene Farbtöpfe getränkt worden. Dabei macht sich das von Frank Martin gewählte Pastellblau, Olivgrün, Marineblau und Rostbraun sehr gut und fängt die Atmosphäre ein. Der Zeichenstil von Juan José Ryp ist sehr detailliert und gibt die (sehr brutale) Realität wieder. Das macht „Year Zero – Band 2“ schockierender als den Vorgängerband. Auch wurde weniger mit Schatten gearbeitet, was gut passt, da die Epidemie in diesem Band in der Welt angekommen ist und die Charaktere mit ihr leben (müssen). Die Zombies sind nun in der Überzahl, und es stellt sich die Frage, ob die Menschen in dieser „neuen“ Welt zusammenhalten werden oder der Horror ganz woanders zu finden ist …

Wer keine Handlungsbrocken sehen möchte, bei denen man eigene Gedanken entwickelt, der schaut besser bei „Walking Dead“ vorbei – auf die Gefahr hin, dass man dort den Überblick verliert. Percy dagegen macht es kurz und kompromisslos. Die Zombies dienen ihm als eine Analogie und das merkt man binnen kürzester Zeit bei „Year Zero – Band 1“ und „Year Zero – Band 2“. Immer wieder öffnen sich beim Lesen Falltüren, die auch emotional berühren. Dabei kommt es passenderweise nicht darauf an, mit welchem der beiden Bänden man beginnt. Die Geschichten stehen für sich und könnten die letzten beiden Jahre zeitlos „eingefangen“ haben.

Leseprobe

Fazit: Nach der Achterbahnfahrt „Year Zero – Band 1“ schlägt Benjamin Percy mit der Fortsetzung einen Looping, der nicht nur dem ein oder anderen Charakter den Magen umdreht. Am Ende angekommen, wird sich auch der geschockte Gesichtsausdruck wieder lösen, da die Horrorszenarien auf Papier gebannt sind. Der „Fahrpreis“ hierfür beträgt 22 Euro, die für einen neuen Horror-Comic im Regal gut investiert sind. Alle einsteigen, bitte!

Year Zero – Band 2
Comic
Benjamin Percy, Juan José Ryp
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-706-8
144 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,00

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