Rabenkrieg I: Die Zähne des Kaimans

Was einst schon Tar Honak unternahm, soll jetzt Wirklichkeit werden. Al?Anfa will das Kemi-Reich erobern und dauerhaft unter al?anfanische Kontrolle bringen. Das durch einen Bürgerkrieg geschwächte Kemi-Reich kann nur auf die Verbündeten des Horasreichs hoffen. Doch im Hintergrund gibt es al?anfanische Verschwörer, die den Schwarzen General Oderin du Metuant stürzen wollen. Die Helden lernen sowohl Verbündete als auch Feinde kennen und finden sich auf dem Schlachtfeld wieder, um in einem Kommando-Unternehmen einen Brückenkopf zu errichten.

von Ansgar Imme

In der fünften Edition von „Das Schwarze Auge“ hat der Verlag bei den Abenteuern ein anderes Vorgehen als in der vorherigen Edition gewählt. Die Abenteuer sind wieder kürzer und sollen mit weniger Aufwand spielbar sein. Bei den Kampagnen (komplett erschienen ist die „Theaterritter“-Kampagne im Bornland, begonnen hat die „Sternenträger“-Kampagne um die Elfen) scheint man sich an den Abenteuerpfaden von „Pathfinder“ orientiert zu haben. Sechs Abenteuer bilden hier den Handlungsstrang und erstrecken sich jeweils über 64 Seiten. Mit Armin Abele und David Schmidt hat man für die „Al?Anfa“-Kampagne zwei Autoren gewählt, die sich im Süden auskennen und dort schon Abenteuer oder Hintergrundmaterial geschrieben haben.

Zum Inhalt

Dem stets mageren Inhaltsverzeichnis, was diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient (und kaum Orientierung bietet), und den Erklärungen genutzter Begriffe im Abenteuer folgt die recht lange Einleitung. Neben Vorwort, Hintergründen der Kampagne und der Lage in den beiden Staaten Al?Anfa und Kemi werden auch auf die Pläne der Verschwörer gegen den Schwarzen General geschildert. Ebenso wird auf passende Helden und ihre Motivation eingegangen. Lobenswert ist die bereits komplette Einordnung aller Ereignisse und damit, was Spieler und Spielleiter erwartet. Natürlich erfährt man noch nicht alle Einzelereignisse, und man könnte auch das Schicksal mancher Beteiligter bereits nennen, aber soweit scheinen die Autoren oder die Redaktion doch nicht gehen zu wollen.

Das Abenteuer besteht aus drei Kapiteln. Im ersten Abschnitt werden die Kriegsvorbereitungen getroffen. Die Helden werden für die Spezialeinheit „Rabenkrallen“ angeworben, die explizit besondere Aufgaben übernehmen soll, welche von der normalen Armee schwer abzudecken sind. Sie lernen die anderen Mitglieder der Rabenkrallen kennen und erhalten eine kurze Ausbildung in bestimmten Themengebieten wie Sprachen oder Dschungelkunde. Auf der Fahrt mit der Flotte gen Kemi-Reich können sie erste Kontakte zu Befehlshabern knüpfen. Als Vorauseinheit kämpfen sie sich dann durch den Dschungel und dringen in die Stadt Quinsay ein.

Im zweiten Kapitel müssen die Helden zunächst einen wichtigen Kontaktmann der Al?Anfaner aufspüren, damit dieser ihnen Hinweise für das Eindringen in die Burg gibt. Anschließend versuchen die Helden Verbündete für ihr Vorhaben zu finden. Doch einiges läuft schief, sodass sie zunächst vor der Stadtgarde flüchten und einen Verräter fassen müssen. Schließlich dringen sie in die Burg ein, um den Gouverneur der Stadt gefangen zu nehmen. Zudem versuchen sie danach oder davor, die Hafenkette zu sabotieren, um das Eindringen der Flotte in den Hafen zu ermöglichen.

Im letzten Teil des Abenteuers gilt es zunächst, die eroberte Burg gegen die Einheimischen zu verteidigen. Je nach Erfolg und Verhandlungen mit möglichen Verbündeten vorher läuft dies einfacher oder schwieriger. Ebenso kann eine mögliche Verräterin enttarnt werden. Mit dem Einlaufen der Truppen kommt es zu Kämpfen in der Stadt, während denen es die Helden auch mit Plünderungen und Schändungen zu tun haben und gegen diese einschreiten können.

Ergänzend finden sich im Anhang eine zweiseitige zeitliche Auflistung der Ereignisse, eine Kurzbeschreibung des Kemi-Reiches sowie eine Karte der Stadt. Zu Beginn des Bandes wird zudem eine Übersichtskarte des Kemi-Reiches mitgeliefert.

Kritik

Der Kampagnenauftakt stellt einen recht simplen Plot zur Verfügung, der je nach Spielern und Spielleiter allerdings mehr oder weniger intensiv bespielt werden kann. Durch die Hintergrundinformationen zu Beginn und im Anhang des Bandes sowie Regelelemente und Kreaturenbeschreibungen gehen allerdings auch rund 20 Seiten verloren, die für die Handlung, Szenerie und Beschreibungen fehlen. Durch die Abschnitte zur Einbindung beziehungsweise Rekrutierung der Spielerfiguren sowie recht lange Nichtspielercharakter-Beschreibungen (von denen manche in diesem Band nur kurz benötigt werden und sicherlich kürzer hätten gehalten werden können) fehlt weiterer Platz, den man für das Abenteuer hätte nutzen können.

Insgesamt muss man sich fragen, ob in einem sowieso schon kurzen Abenteuer noch so viele Seiten für nicht handlungsrelevante Informationen verschwendet werden müssen. Wer sich für die Kampagne und vor allem dieses Abenteuer entscheidet, muss zudem damit umgehen können, dass es dementsprechend auch um ein eher militärisches Abenteuer in Form einer Kommando-Aktion geht. Für eine Spielrunde, die lieber den fantastischen Teil mit Magie oder Fremdartigkeit mag, ist dieses Abenteuer weniger geeignet.

Das erste und dritte Kapitel verdienen diese Bezeichnung eigentlich nicht, da sich die wesentliche Handlung im zweiten Kapitel abspielt. Mit einem passenden Spielleiter kann man allerdings die beiden Teile sicherlich etwas umfassender gestalten. Allerdings ist dann zusätzlicher Eigenaufwand nötig, da der Band dazu wenige Hinweise gibt. Inwiefern man beispielsweise die Rekrutierung oder Ausbildung ausführlich ausspielen will und damit ausreichend Spielspaß erlangt, muss jeder für sich beurteilen. Es ist auch noch nicht genau abzusehen, inwiefern die Kontakte zu den anderen „Rabenkrallen“ noch von Belang sein werden. So bleibt die kurze Übergangspassage plus Eindringen in die Stadt mehr eine kurze Einleitung als ein richtiger Abenteuerteil.

Der zweite Teil liefert am meisten „Stoff“ und kann je nach Spielrunde und Spielleiter auch durchaus umfassend ausgespielt werden. Die verschiedenen Aufträge und Optionen bieten viel Material für einige Spielstunden. Hilfreich sind dazu die Beschreibungen mit Orten, Personen und Stadtkarte, die gut ausgearbeitet sind und bei Bedarf auch für weitere Szenarien genutzt werden können. Gleichzeitig ist auch eine passende Mischung aus Nachforschung, Rollenspiel, Talentproben und Kämpfen gegeben, sodass sich verschiedene Spielertypen austoben können. Der Hauptteil ist insgesamt gut gelungen, einzig eine Skizze der Burg wäre noch von Vorteil gewesen.

Der letzte Abschnitt ist wohl nur entstanden, da man gerne die klassische Dreiteilung eines Abenteuers haben wollte. Effektiv handelt es sich um knapp drei Seiten wirklicher Handlung beziehungsweise um Hinweisen, wie die Verteidigung der Burg gelingen kann und welche Folgen die vorherigen Handlungen haben. Diese sind dafür gut gestaltet, und es wird auch auf Misserfolge eingegangen. Der Abspann um das Einlaufen der Schiffe und die Ehrungen ist dagegen wesentlich ein Zuschauen der Spieler ohne wirklichen Einfluss.

Fazit: Der Auftakt der Kampagne ist durchwachsen. Grundsätzlich ist es ein guter Gedanke, die militärische Kampagne durch eher spezielle Aufträge für die Helden respektive Spieler umzusetzen. Die Haupthandlung ist nicht sonderlich innovativ, aber solide und gut ausgearbeitet und kann viel Spaß machen. Ärgerlich ist eher die Platzverschwendung durch lange Personenbeschreibungen oder Regeln. Wer sich für Al?Anfa, den Süden und eher profane Abenteuerhandlungen interessiert, wird hier sicherlich seinen Spaß finden. Man sollte als Auftakt nur nicht zu viel erwarten.

Rabenkrieg I: Die Zähne des Kaimans

Abenteuerband
Armin Abele, David Schmidt
Ulisses Spiele 2020
ISBN: 978-3-96331-099-7
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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