von Ansgar Imme

Nicht einmal zwei Monate nach dem zweiten Band der Kampagne erschien beim Verlag Ulisses Spiele bereits der hier vorliegende Folgeband zum „Rabenkrieg“. War die Lücke zwischen ersten und zweiten Band mit vier Monaten etwas größer, so kann man hier nur ein großes Lob für Planung und Veröffentlichung aussprechen. Die Autoren waren wie bisher Armin Abele und David Schmidt, und auch der Umfang betrug wieder 64 Seiten in Vollfarbe.

Den Auftakt bildet erneut das  nicht hilfreiche „Inhaltsverzeichnis“ (bei so wenigen Punkten kann man sich daran weder orientieren noch Hilfe zum Finden erwarten) sowie Erklärungen genutzter Begriffe im Abenteuer. Die Abschnitte über Qualität und Preis von Unterkünften sowie einen Währungsrechner könnte man sich bei Dschungelabenteuern allerdings sparen und sinnvoller verwenden.

Die anschließende, echte Einleitung liefert auf den Folgeseiten (wiederholend zu den vorherigen Bänden) Hintergründe und Zusammenfassung der gesamten Kampagne, die Unterscheidung der Handlungsstränge, Pläne der Verschwörer hinter dem Feldzug, geeignete Helden und deren Motivation sowie dann auch eine Zusammenfassung dieses Abenteuers. Bei dem sowieso schon begrenzten Platz und mittlerweile einem dritten Band der Kampagne sollte man eher nicht damit rechnen, dass der Großteil der Käufer diese Informationen noch benötigt. Die anderthalb Seiten Pläne des Antagonisten sowie die Zeittafel zum Ablauf helfen dem Spiel beziehungsweise dessen Leitung wesentlich mehr und sind gut gelungen.

Zur Handlung des Abenteuers

Wie in den Vorgängerbänden wird die Handlung in drei Kapitel untergliedert. Bei einem Aufenthalt im Lager des Schwarzen Generals Oderin du Metuant in Yleha werden die Helden zunächst Zeuge eines Anschlags auf diesen und seine Offiziere. Mit beherztem Eingreifen können sie sich erneut hervortun. Die Attentäter gestehen schnell, wer im Kemi-Reich hinter dem Anschlag steckt. Oderin erteilt den Helden den Auftrag, ihm den Kopf des Auftraggebers zu bringen, um alle weiteren Attentate und Sabotage zu unterbinden.

Die Helden werden in die kleine Ortschaft Teernberg gesandt, wo sich der Auftraggeber aufhalten soll. Die Siedlung liegt inmitten des Kemi-Reichs und ist für seine Teervorkommen bekannt, die die Horasier für ihre Schiffe benötigen. Die Helden müssen in diesem zweiten Abschnitt zunächst Zugang durch ein Fort erlangen und dann Hinweise zur Delegation des Verantwortlichen  zu bekommen und gleichzeitig als Fremde nicht zu sehr auffallen. Dabei stellen sie fest, dass sich anscheinend auch andere Parteien für den Hintermann interessieren. Nach umfangreichen Nachforschungen sowie Konfrontationen stellt sich heraus, dass dieser sich von dort in die Hafenfestung San Torin begeben hat. Dort müssen einerseits die konkurrierenden Verfolger unter Kontrolle gehalten und dazu Bündnisse vor Ort zu geschlossen werden, die ihnen bei der Spurensuche helfen. Doch der Verfolgte hat bereits seinen nächsten Schritt getan.

In der Echsenstadt Zraah inmitten des Dschungels treffen sie sowohl auf den Auftraggeber als auch ihre Konkurrenten. Aufgrund der Gesetze der Achaz (wie die Echsen genannt werden) ist ihnen ein direkter Zugriff zunächst nicht möglich, sofern sie nicht ihr eigenes Leben verwirken wollen. In Verhandlungen mit dem Hintermann können sie aber unter Umständen zu gänzlich unerwarteten Lösungen kommen. Sollte dies nicht klappen, bietet sich eine Möglichkeit bei einem Wettkampf der Achaz, an dem alle Menschen als eine Gruppe gegen die Echsen teilnehmen müssen. Ein Verlieren bedeutet für die Menschen möglicherweise eine Opferung an die Echsengötter, so dass eine Zusammenarbeit wichtig ist. Gleichzeitig ergibt sich die Gelegenheit, sowohl Konkurrenten als auch das Ziel zu erledigen, ohne dass es die Achaz mitbekommen. Nach ihrer Abreise aus der Echsenstadt wartet jedoch noch eine gefährliche Überraschung auf sie ...

Als Abenteuerergänzung findet sich eine Zeittafel der Kampagne, eine Auflistung militärischer Ränge der Al'Anfaner, eine Tabelle mit Plündergut, ein Kemi- und Al'Anfa-Glossar, Karten zu Teernberg und San Torin sowie eine kurze Schilderung gleichzeitiger Ereignisse an anderen Orten.

Kritik

Die Handlung des dritten Teils der Kampagne weicht deutlich von den beiden Vorgängern ab, da die Kriegshandlung in der Hintergrund tritt. Mit der Verfolgung des Ziels, der Spurensuche, den Verhandlungen oder dem Eindringen in Gebäude werden verschiedenste Fähigkeiten gefordert. Heimlichkeit und gesellschaftliche Fähigkeiten stehen mehr im Vordergrund als Kämpfe und militärische Kenntnisse. Dies bietet eine gute Abwechslung und kann auch andere Charaktere (und deren Spieler) stärker in den Vordergrund rücken, die bisher eher Nebenrollen spielten.

Das Abenteuer selbst bietet vom Aufbau einen roten Faden und hat auch Elemente des Railroading, erlaubt aber immer wieder recht flexibles Agieren an den einzelnen Orten der Handlung. Das erste Kapitel wirkt noch recht geskriptet und das Ergebnis der Ermittlungen zu den Attentätern wird einfach vorgegeben. (Warum können die Spieler und Helden diese nicht selber fassen und ermitteln?) Die spielerischen Optionen und Auswirkungen der Helden-Aktionen sind ebenso überschaubar.

Dies ändert sich deutlich in den beiden anderen Kapiteln, in denen den Spielern viel stärkere Handlungsmöglichkeiten gewährt werden. Speziell das zweite Kapitel sticht sehr positiv heraus: Es werden zwei Schauplätze zur Verfügung gestellt, die Örtlichkeiten sowie Personen beschrieben, wie diese zu handeln beabsichtigen und wo es welche Informationen gibt. Die Spieler können komplett frei und ohne Zwänge agieren, sodass die Handlung in unterschiedliche Richtungen driften kann. Auch der Umgang mit verschiedenen Konkurrenten erfordert vom Spielleiter durchaus einiges an Aufwand. Dafür werden Spielleiter und Spieler mit einer sich dynamisch entwickelnden Handlung belohnt. Ärgerlich ist einzig das vorgegebene Ergebnis der Flucht des Verfolgten, was spätestens beim zweiten Mal den Spielern bitter aufstoßen und gegebenenfalls zur Frustration führen kann.

Der ungewöhnliche Handlungsort bei den Achaz im abschließenden Kapitel gewährt etwas weniger Freiheiten, ermöglicht aber interessante Rollenspielmomente beim Aufeinandertreffen sowohl mit den Achaz als auch endlich dem Ziel der Helden. Die Beschreibung des Wettkampfs mit Hindernisse und Herausforderungen, das Vorgehen der Echsen sowie Möglichkeiten der Helden zur Eliminierung ihres Ziels bietet eine Basis, auf die je nach Spielerverhalten reagiert werden kann. Insgesamt ist der fremdartige Schauplatz aber etwas kurz gekommen und wirkt zu sehr wie eine Durchgangsstation. Hier wäre durchaus noch etwas mehr möglich gewesen.

Dass nach dem gefühlten Abschluss des Abenteuers noch ein Nachschlag erfolgt, der mit der eigentlichen Handlung wenig zu tun hat, ist einerseits für die Spieler überraschend. Andererseits wird ein Handlungsstrang aus den vorherigen Abenteuern noch einmal belebt und fortgeführt. Aber diese Szene zum Ende wirkt von der Handlung her nicht ganz passend.

Zu loben ist abschließend noch, dass wesentlich weniger Platz für zusätzliche Regeln, neue Tiere oder Pflanzen sowie Zufallsbegegnungen aufgewendet wird. Es gibt zwar immer noch einiges an Platzverschwendung und Wiederholungen aus den vorherigen Bänden, aber man hat nicht das Gefühl, dass es der Handlung zu sehr geschadet hat.

Fazit: Der dritte Band der Kampagne ist solide gestaltet und gut gelungen. Der Auftakt setzt zunächst Fehler aus den Vorgängern mit zu viel Vorgaben und weniger Handlungsmöglichkeiten fort. Die beiden anderen Kapitel ermöglichen dann Freiheiten, interessante Schauplätze und eine spannende Handlung. Ebenso ist wenig Füllmaterial enthalten, sodass mehr Platz für die wichtigen Teile des Abenteuers bleibt. So kann es gerne weitergehen.

Rabenkrieg III: Der Sturz des Adlers
Abenteuerband
Armin Abele, David Schmidt
Ulisses Spiele 2020
ISBN: 978-3-96331-101-7
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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