In den 1980er- oder (frühen) 1990er-Jahren war es noch einfach, zum Pen&Paper-Rollenspiel zu kommen: Fast jeder gut sortierte Spieleladen führte eine kleine Auswahl Boxen, auf denen Krieger, Elfen, Zwerge und Drachen abgebildet waren. Hatte man zuvor bereits Kontakt mit (Brett-)Spielen wie „Hero Quest“ und Konsorten gehabt und von älteren Freunden oder Mitschülern erfahren, dass es da noch eine etwas coolere Form des Spiels – ganz ohne Figuren und Spielbrett – gab, war der letzte Schritt zum Kauf einer (zumeist) „DSA“- oder „D&D“-Grundbox kein großer Schritt mehr. Doch zuerst verschwanden die Boxen aus den Läden und Kaufhäusern und zogen sich in Spezialläden zurück, dann erwuchs dem klassischen P&P mit den Sammelkarten- und später den Online-Rollenspielen – vor allem dem geliebten oder verhassten „World of Warcraft“ – eine Konkurrenz, der man bis heute nicht wirklich gewachsen ist. Ganze Spieler-Generationen an Nachwuchs blieben aus, da diese sich lieber vor dem Bildschirm mit simplen Töten-und-Sammeln-Quests die Zeit vertreiben, anstatt ihrer Kreativität freien Raum zu lassen.

Zugegeben, viele Spielsysteme waren nicht nur durch ihren Rückzug aus dem Publikumsspielehandel, sondern vor allem durch ihre dicken Regelwälzer, unzeitgemäße Aufmachung oder komplizierte Regelkorsetts unattraktiv für den Nachwuchs geworden. Doch mittlerweile wurde gegengesteuert, und nach Crossover-Produkten wie „Quest“ aus dem Hause Pegasus bietet nun auch Ulisses mit der „Pathfinder Einsteigerbox“ eine gute Möglichkeit, den Bogen vom Brettspiel zu Pen&Paper zu schlagen.

Inhalt und Ausstattung

„Pathfinder“ kommt in einer fetten Pappbox daher; es ist unverkennbar ein Spiel und keine Regel-Enzyklopädie! Und es ist ein ganz schön dickes Ding, das Ulisses der neuen Generation potentieller Rollenspieler da hinlegt. Werfen wir also erst einmal einen Blick hinein und verschaffen uns einen Überblick über den Inhalt. Enthalten in der neuen „Pathfinder-Einsteigerbox“ sind: Heldenbuch (64 Seiten), Spielleiterbuch (96 Seiten), Heft mit Charakterbögen und Archetypen (24 Seiten), 7 Würfel (W4, W6, W8, W10, W12, W20, W100), großformatiger Spielplan (Dungeon und offenes Feld), 87 Pappblips für Helden und Monster, 20 Plastikbasen. Alle Hefte sowie der Spielplan sind vollfarbig gestaltet und in liegen in Hochglanzdruck vor. Die Regelhefte verfügen über eine Klebebindung, das Charakterheft ist geheftet. Die Pappblips mit ihren Plastikbasen sind von stabiler Qualität und eignen sich gut als Spielfiguren. Das Ganze kommt wie erwähnt in einer massiven, ebenfalls vollfarbig bedruckten Pappbox (28x22x6,5 cm). Die Qualität von Box und Druck sind insgesamt als außerordentlich gut zu bezeichnen und machen im (Spiele-)Regal einiges her!

Die Regelbücher

Das Heldenbuch: Das Heldenbuch führt den neuen Spieler zunächst einmal mit einem 7-seitigen Solo-Abenteuer ins Spiel ein. In „Die Gruft des Skelettkönigs“ gilt es, nicht weniger als eben jenen von seinem untoten Leben zu befreien. Nach Erläuterungen zur Charaktererschaffung (Konzept, Attributen, Modifikationen Gesinnung) werden die Völker (Menschen, Elfen, Zwerge) und die Professionen der Einsteigerbox (Kämpfer, Kleriker, Magier, Schurke) vorgestellt. Regeltechnisch wird dabei das typische „D&D 3.5“-D20-System in einer für Anfänger leicht anzuwendenden Form präsentiert. Die Ausführungen zu Fertigkeiten und Zaubern schließen sich hier bereits recht ausführlich an, sodass man mit wenigen Handgriffen Attribute, Fertigkeiten, Talente und Ausrüstung zusammengestellt hat. Ein praktisches System aus Zahlen und Buchstaben erleichtert dem Neuling dabei die Orientierung. Die Erläuterung von Aktionen und Kampfregeln wird anhand von Beispielen auf dem Spielplan grafisch ansprechend und leicht verständlich gelöst. Leider gehen die Ausführungen nicht über die hier definierten Hauptaufgaben „Erkundung“ und „Kampf“ hinaus. Wünschenswert wäre vielleicht noch ein Abschnitt wie „Einen Charakter mit Leben erfüllen“ oder derlei gewesen, um bereits den Bogen vom Brett zum „richtigen“ P&P zu schlagen. Aber das wird dann vielleicht im „Pathfinder Grundregelwerk“, auf das zur Entwicklung ab der 5. Stufe verwiesen wird, eindringlicher deutlich gemacht.

Helden&Archetypen: Das Heft mit den Vordrucken für Charakterblätter und Archetypen greift das Buchstabensystem aus dem Heldenbuch auf und erleichtert die Zuordnung von Attributen, Fertigkeiten oder Klassenmerkmalen. Dazu werden weitere Erläuterungen zu den Professionen gegeben. Die Archetypen stellen vier Beispielcharaktere vor (Elfen-Schurkin, Menschen-Magier, Menschen-Klerikerin und Menschen-Kämpfer) und vertiefen diese mit einer kurzen Lebensgeschichte, die eine sinnvolle Anregung für neue Spieler bieten, um sich ebenfalls Gedanken zum Hintergrund ihrer eigenen Charaktere zu machen. Schade ist, dass bei den Archetypen auf einen Zwerg verzichtet wurde und somit die Menschen etwas überrepräsentiert sind.

Das Spielleiterbuch: Um es gleich vorweg zu nehmen: „Pathfinder“ beginnt bei seinen Erläuterungen für Spielleiter ganz von vorne: Was ist ein Spielleiter, was sind seine Aufgaben (Gastgeber, Planer, Vermittler, Schauspieler, Schutzherr), was benötigt man zum Spielen, und wie läuft eine Spielsitzung ab. Für alte Hasen alles Selbstverständlichkeiten, für Neulinge durchaus nicht ganz unwichtige Hinweise, um einem nur marginal durch Visualisierung auf dem Tisch präsenten Spiel etwas Struktur zu verleihen. Als Einstiegsabenteuer ist der Dungeon-Crawl „Schwarzzahns Hort“ integriert, der mit Hilfe des beigelegten Spielplans ohne große Vorbereitung und mit einer Menge hilfreicher Erläuterungen im Prinzip sofort gestartet werden kann. Hier wird noch einmal deutlich, dass man es zunächst tatsächlich mit einem Hybriden aus Brett- und Rollenspiel zu tun hat, was aber dem Spaß bei den ersten Kämpfen gegen Goblins und Untote keinen Abbruch tut. Nach dem Abenteuer ist vor dem Abenteuer (schließlich muss man die erlangten Schätze in neue Ausrüstung investieren!), und so bietet das Spielleiterbuch anschließend an das Abenteuer eine Reihe von Tabellen zu Monstern, magischen Gegenständen und Zufallstabellen, die weitere Abenteuer in und um den oberflächlich beschriebenen Ort Sandspitze ermöglichen. Alles in allem sollte das erst einmal genug Anregungen und Vorschläge für einige weitere Spielabende geben. Einzig der Ersteindruck, dass es beim Pen&Paper-Rollenspiel um mehr als nur um Monster und Schätze in Gewölben geht, kann noch nicht ganz zerstreut werden.

Fazit: Top ausgestattet, leicht zu erlernen, macht Neugier auf mehr: Die „Pathfinder-Einsteigerbox“ bietet alles, was man zum Start in ein Pen&Paper-Rollenspiel benötigt und insgesamt eine Menge Gegenwert fürs Geld. Durch die leicht verständlichen Einsteigerregeln und die Hybrid-Funkton zwischen Brett- und Rollenspiel kann eine Gruppe junger Rollenspieler auch ohne die Hilfe eines „alten Hasen“ die ersten Gewölbe erkunden. Ein wenig mehr Hinführung zum „echten“ kreativen Rollenspiel abseits von Monster-Bashing hätte in diesem Zusammenhang allerdings durchaus gut getan. Zudem ist die Box tatsächlich ausschließlich für Einsteiger geeignet, die ihre ersten Gehversuche in der Welt des P&P machen wollen. Der erfahrene Rollenspieler kann aber mit der „Pathfinder Einsteigerbox“ als Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk optimal seinem pädagogischen Auftrag nachkommen, eigene Kinder oder Patenkinder, Neffen oder Cousinen im entsprechenden Alter von den Bildschirmen wegzulocken und auf den rechten Weg zu führen!