Das Dungeon-Alphabet

Der Dungeon. Seit der Frühzeit der Rollenspiele fasziniert und erheitert uns diese mystische Unterwelt als zentraler Anlaufpunkt für Abenteurer auf der Suche nach unermesslichem Reichtum. „Das Dungeon-Alphabet“ will all diese Faszination in einem Band greifbar machen. Ob das gelingen kann?

von André Frenzer

„Das Dungeon-Alphabet“ hat bereits eine recht bewegte Geschichte hinter sich. Die erste Auflage erschien im Jahr 2009 und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jedem Buchstaben des Alphabetes ein bestimmtes Dungeonthema zuzuordnen. In den folgenden Jahren wurde das Buch erweitert und ergänzt und erschien 2018 in seiner bisher vierten Inkarnation bei Goodman Games. Ende 2021 startete der deutsche Verlag System Matters dann eine Vorbesteller-Aktion, um dieses Buch auch im Deutschen verfügbar zu machen. Für die deutsche Variante galt es natürlich, passende Übersetzungen für die einzelnen Buchstaben zu finden – aus dem englischen „D“ für „Doors“ wird im deutschen natürlich „T“ für „Türen“ – entsprechend aufwändig gestaltete sich die Umsortierung und Übersetzung des Materials. Schließlich gelang es dem Verlag noch den Buchstaben „C“ mit einem eigenen Eintrag für „Chiffren“ zu ergänzen, sodass nun auch jeder Buchstabe des Alphabets vertreten ist.

„Das Dungeon-Alphabet“ erklärt auf einem zumeist doppelseitigen Eintrag typische Tropen und Bestandteile eines Dungeons. Dabei ist es vielleicht wichtig, auf die Art der hier vorgestellten Dungeon-Eigenheiten zuerst einzugehen. Denn natürlich ist auch ein Dungeon nicht gleich Dungeon. Im Laufe der Rollenspielgeschichte hat sich auch der Dungeon entwickelt – weg von der „mythischen Unterwelt“ nach Gygax hin zu einem funktionierenden und in die Spielwelt passenden Ökosystem. Dungeons sind längst nicht mehr zentraler Bestandteil vieler Rollenspiele, und auch wenn sich ein Abenteuer noch einmal einem Dungeon widmet, so wird meist auf homogene Gegner und einen logischen Aufbau geachtet.

„Das Dungeon-Alphabet“ wiederum widmet sich dem Dungeon der Frühzeit, jener „mythischen Unterwelt“, welche als Basis für die erste „Dungeons & Dragons“-Inkarnation diente. Hier durfte es „weird“ zugehen, faszinierend, unheimlich, überraschend und nahezu unendlich. Ebene folgte auf Ebene und das Überleben war oftmals eher das Ziel denn das Erfüllen einer Queste. Eben dieses Gefühl versucht „Das Dungeon-Alphabet“ einzufangen und wendet sich damit ganz deutlich an die in jüngerer Zeit wachsende Gemeinschaft der „Oldschool“-Rollenspieler ebenso wie an all jene, die schon immer einmal wissen wollten, was an dieser Spielart des Rollenspiels so interessant ist. So enthält das Buch so universelle Einträge wie „F steht für Fallen“, „R steht für Räume“ oder „K steht für Korridore“, widmet sich jedoch in der Breite eher weirden Themen. So werden „H“ebel mit interessanten Ideen verknüpft, „G“elb als Farbe des Dungeons propagiert oder „U“ngeziefer als allgemeiner Teil eines Dungeons vorgestellt.

Jeder Eintrag besteht dabei aus einem erklärenden Text, welcher Neulinge an die Hand nimmt und alte Hasen zum Schmunzeln bringt. Gut gefallen haben mir die markierten Querverweise, welche dazu einladen, wie in einem Lexikon durch das Buch zu springen, wann immer ein Thema interessant erscheint. Darüber hinaus gibt es eine Unmenge von Zufallstabellen, welche das jeweilige Thema noch vertiefen. Wie immer gilt natürlich, dass eine Zufallstabelle auch schlicht zur Inspiration herangezogen werden kann. Und so finden sich zahlreiche Tränke, magische Gegenstände, seltsame Türen, tödliche Fallen oder obskure Schatztruhen in diesem Band wieder. Gerade innerhalb der Zufallstabellen strotzt der Band vor Kreativität und Einfallsreichtum. Um die angestrebte Stimmung des Bandes zu unterstreichen, wurde die Unterstützung von zahlreichen Illustratoren gewonnen, welche gerade Fans der alten Garde oder der Oldschool-Bewegung bestens kennen werden. So finden sich Zeichnungen von Erol Otus, Doug Kovacs, Jeff Easley, William McAusland und vielen weiteren in dem Band wieder. Durch den klaren Schwarz-Weiß-Stil wirken die Bilder – aller überbordenden Weirdness zum Trotze – einheitlich.

„Das Dungeon-Alphabet“ erscheint als gediegener Hardcover-Band. Er ist etwas größer als das übliche A4-Format,  wirklich reichhaltig illustriert und trotz der verhältnismäßig geringen Seitenzahl mit zwei Lesezeichen ausgestattet. Die Ausstattung weiß also sehr zu gefallen und es ist wohl die Oldschool-Rollenspiel-Variante eines Coffee-Table-Books, wenn man so möchte. Wer sich also zur Zielgruppe zählen kann – entweder ist man bereits Fan des urtümlichen Dungeons, braucht als Spielleiter für diese Spielart neue Ideen und Inspirationen ODER will ernsthaft interessiert mehr über dieses Thema erfahren –, der kann wirklich bedenkenlos zugreifen. Wer mit Dungeons eher weniger anfangen kann und auch kein tieferes Interesse an dem Thema hat, der wird auch mit diesem Buch nicht glücklich.

Fazit: Ein Quell der Inspiration, reichhaltig bebildert und in großformatiger, hochwertiger Aufmachung: Wer sich als Freund des „klassischen“ Dungeons betrachtet, kann hier eine wunderbare Lesefibel finden, die ich vorbehaltlos empfehlen kann. Wer mit der Spielart „Dungeon“ bislang noch nicht warm geworden ist, wird hiermit wohl aber auch nicht glücklich werden.

Das Dungeon-Alphabet
Quellenbuch
Michael Curtis, Andreas Melhorn u. a.
System Matters Verlag 2022
ISBN: 978-3963780769
94 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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