Magic Maze

„Wir werden alles bezahlen, das verspreche ich! Aber was sollen wir denn bitte anderes tun? Nach dem Desaster in den Goblinhöhlen habe ich keine einzige Münze mehr, meine Ausrüstung ist hinüber und sogar meinen Lendenschurz musste ich schon flicken, damit mich die Wachen auf dem Marktplatz nicht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses einsperren. Es wird ganz leicht. Wir gehen rein und suchen uns einen guten Startpunkt. Auf mein Zeichen legen wir los und verteilen uns unauffällig auf Erkundungstour. Haben wir alles gefunden, schlagen wir zu und verschwinden aus dem Laden. Die Wachen werden hinter uns her sein, also haben wir nur eine Chance: Jeder nimmt einen anderen Ausgang. So müssen sie ihre Kräfte zu teilen. Moment mal … sind das da hinten nicht Brad Pitt, George Clooney und Matt Damon?“

von Kai Melhorn

So oder so ähnlich könnte sich eine Ansprache angehört haben, die kurz vor Beginn eines Spiels „Magic Maze“ gehalten wurde. Die leider extrem erfolglosen und total abgebrannten Helden dieses Spiels sind glücklose Glücksritter, die von ihrem letzten Abenteuer weder als gefeierte Superstars, noch als reiche Drachenbezwinger wiederkehrten. Im Gegensatz zu unzähligen Heldengruppen, die in Rollenspielen am Tisch und am PC Abenteuer erleben, gab es beim letzten Mal kein Happy End für die vier, die man getrost als Standard-Heldentrupp bezeichnen kann. Ein Barbar, ein Zauberer, ein Elf und ein Zwerg gehen in ein Einkaufszentrum und müssen sich ihre Ausrüstung klauen, damit sie überhaupt nochmal auf ein Abenteuer gehen können. Der in der Einleitung unterstellte Heldenmut mit der Absicht, die Ausrüstung zu einem späteren Zeitpunkt doch noch zu bezahlen, liegt zwar im Bereich des Möglichen, die Regeln geben hierüber aber keine Auskunft.

Das Material

Das Spiel kommt in einem leicht überdimensionierten Karton und dieser beinhaltet 23 Plättchen mit den Teilen des Einkaufszentrums aus dickem Karton. Zudem gibt es Aktionsplättchen aus dem gleichen Material, eine Sanduhr, vier Spielfiguren und ein paar Marker sind auch noch enthalten. Für Farbenblinde gibt es noch ein paar Aufkleber für die Figuren. Dabei stellt sich mir die Frage, wie man weiß, wohin die Aufkleber gehören, wenn man diese doch benötigt, um die Figuren auseinanderhalten zu können. Für den Farbenblinden mag das egal sein,  aber die Chancen stehen ja gut, dass man mit farbsehenden Freunden auch mal eine Partie spielen möchte. Das könnte dann zu einiger Verwirrung führen.

Nun bin ich nicht farbenblind und kenne auch niemanden, also weiß ich nicht, ob das wirklich ein Problem darstellt. Sollte das allerdings so sein, wäre ich ganz schön angefressen. Schließlich müsste ich dann mit der ersten Solopartie warten, bis sich jemand gefunden hat, der mir beim Zusammenbau hilft. In Summe ist aber alles sehr stabil und vor allem angemessen dimensioniert, es gibt also nur wenig auszusetzen.    

Die Teile des Labyrinths ließen sich nicht optimal auspöppeln und von der Rückseite zweier Plättchen ist ein wenig Papier abgerissen. Meine Befürchtung war, dass man im Spiel dadurch einen Vorteil haben könnte. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass in der Realität wahrlich keine Zeit ist, um auf solche Details zu achten. Als letzter kleiner Kritikpunkt am Spielmaterial: Die Aufkleber lassen sich mittelmäßig gut auf die Figuren kleben, halten aber gut.

Das Spiel

Über eines sollte man sich bei diesem Spiel im Klaren sein: Als Tüftler und Denker kann man kaum einen Blumentopf gewinnen. Hier zählt es nur, den richtigen Zug zur richtigen Zeit zu machen, und Zeit hat man nicht besonders viel. Tatsächlich dauert eine Partie dieses Echtzeitspiels zwischen drei und 15 Minuten. In dieser Zeit müssen die vier Charaktere mehrere Aufgaben erfüllen, die gemeinsam auf dem Startfeld loslegen. Die anderen Teile des Einkaufszentrums werden gemischt, liegen zunächst verdeckt auf einem Stapel und warten darauf eingesetzt zu werden. Bei der Erkundung des Einkaufszentrums werden die Plättchen nach und nach aufgedeckt und an die Karte angefügt.

Es gilt sowohl die Objekte (Shops) der Begierde zu finden, als auch die Ausgänge zu entdecken. Hat man alles, was für einen erfolgreichen Abschluss notwendig ist, erkundet, müssen sich die Helden zu dem jeweiligen Laden begeben, den es auszurauben gilt. Sind alle auf Position, wird zugeschlagen und anschließend die Beine in die Hand genommen, um das Einkaufszentrum so schnell wie möglich zu verlassen.

Das klingt gar nicht so schwer, sollte man jetzt meinen. Irgendwie ist es das auch nicht, aber auf der anderen Seite hat das Spiel seine ganz eigenen Möglichkeiten, den Spielern ein Bein zu stellen. Denn anders als bei anderen Spielen, übernimmt nicht jede Person einen Charakter. Vielmehr werden alle Charaktere von allen Spielern gleichzeitig gesteuert. Dummerweise darf aber jeder nur bestimmte Aktionen durchführen. Zum Beispiel darf jeder Spieler die Figuren nur in eine der vier Himmelsrichtungen bewegen. Ein Spieler, der eine Bewegung durchgeführt hat, kann seinen Zug also nicht selbst rückgängig machen. Das an sich ist schon ungewohnt, aber damit nicht genug. Unterhaltungen sind nämlich streng verboten. Nur in Ausnahmesituationen darf man sich für kurze Zeit über die gemeinsamen Pläne austauschen. Den Rest der Zeit muss man sich darauf verlassen, dass man sich stumm versteht und erahnen kann, was die anderen Spieler planen. Auch Gesten und andere Möglichkeiten des Austausches sind dabei verboten.

Es gibt nur eine Möglichkeit sich bemerkbar zu machen. Mit dem Tu-Was-Stein, einer großen Spielfigur in Feuerwehrrot, kann man einem Mitspieler zu verstehen geben, dass dringend gehandelt werden muss. Es bleibt dabei einzig das Problem nicht mitteilen zu können, was man sich denn eigentlich für eine Aktion vorstellt. Hier kann es gut und gerne passieren, dass der Spieler ja gerne handeln würde, ihm aber überhaupt nicht klar ist, welcher Plan gerade verfolgt wird. Wie man sich durchaus vorstellen kann, führen zwar nicht alle, aber doch zumindest mehrere Wege ans Ziel. So entstehen dann skurrile Situationen, wo die Zeit abläuft, alle extrem unter Strom stehen und trotzdem niemand einen Zug macht, weil alle ratlos auf den Plan oder einen anderen Spieler starren.

Aber eins nach dem anderen, denn das war noch längst nicht alles. Drei Minuten haben die Spieler, dann ist der Raubzug auch schon, mit Sicherheit nicht erfolgreich, beendet. Das kann nur verhindert werden, wenn die Gruppe vorher ein Feld mit einer Sanduhr findet und betritt. Genau in diesem Moment muss die Sanduhr umgedreht werden, egal welchen Stand sie hat. Das führt zum Zwang vorsichtig mit den Feldern umzugehen, denn zu viel Ungeduld führt zu weniger Zeit, bis wieder der Druck steigt und ein entsprechendes Feld aufgesucht werden muss. Genau in diesem Moment dürfen die Spieler sich kurz über die nächsten Schritte austauschen, aber nur so lange, bis der nächste Spieler wieder eine Aktion durchführt. Also ist man auch hier wieder gezwungen, sich zu beeilen und übermäßige Strategiediskussionen zu vermeiden. Schließlich braucht man auch noch Zeit, das Besprochene in die Tat umzusetzen. Da die Verwirrung ja noch nicht groß genug ist, werden zu diesem Zeitpunkt auch noch die Aktionsplättchen getauscht. Hat man sich in den drei Minuten gerade daran gewöhnt, was man zu tun hat und hat, sich gerade ein klein wenig aufeinander eingespielt, bringt das alles wieder durcheinander.

Hat man trotz aller Widrigkeiten die begehrten Waffen klauen können und sind alle Charaktere durch ihren Ausgang geflüchtet bevor die Wachen sie erwischen (die Sanduhr abgelaufen ist), haben die Spieler das Spiel gewonnen.

Klingt einfach, oder?

Die Regeln

Normalerweise widme ich diesem Teil eines Spiels nur wenig Aufmerksamkeit, aber in diesem Falle lohnt es sich, genauer darauf einzugehen. Grundsätzlich sind die Regeln kurz und knackig. Gerade, wenn man das Spiel zum ersten mal spielt oder Neulinge dabei hat, dauert die Erklärung nicht viel länger, als die erste Partie. Dabei wurden die Regeln mit einem Tutorial versehen. Man lernt also mit jeder Partie wieder ein kleines Stück der Regeln hinzu, bis man schließlich alle Feinheiten verinnerlicht hat.

Dabei würde ich grundsätzlich auch empfehlen, immer wieder mit vereinfachten Regeln anzufangen, wenn ein Neuling dabei ist. Durch den Zeitdruck und das Redeverbot entstehen sonst frustige Momente, die eine Menge Spaß kosten können.

Hat man schließlich alle Regeln verinnerlicht, kann man den Schwierigkeitsgrad durch Hinzunahme weiterer Plättchen selbst bestimmen und zusätzlich auch noch versuchen, schneller durch Abenteuer zu kommen. Hierbei ist das stillschweigende Verständnis wichtig, dass durchaus trainiert werden kann. Es besteht also eine gute Möglichkeit, als Gruppe immer besser zu werden.

Bis man sich bis zu einem gewissen Level eingespielt hat, kann man schon durchaus einige sehr lustige Stunden mit dem Spiel verbracht haben. Aber um die Langzeitmotivation zu erhöhen, hat der Autor noch einige Szenarien hinzugefügt. Dabei hat jedes Szenario eine simple Sonderregel, die den Spielern zusätzliche Schwierigkeiten verursacht und jeweils wieder in verschiedenen Schwierigkeitsstufen gespielt werden kann. Alle Szenarien in der schwersten Stufe zu packen, dürfte auch Vielspieler vor einige Herausforderungen stellen. Es reicht hier halt nicht, die Spielfähigkeiten jedes einzelnen Spielers zu optimieren, es kommt vielmehr darauf an, dieselben Dinge zu sehen, den gleich Plan zu verfolgen und früh zu bemerken, wenn sich die Aktionen gegenseitig widersprechen. Schließlich muss dann auch noch eine Möglichkeit gefunden werden, den Widerspruch ohne Einsatz von Sprache aufzulösen, oder aber im richtigen Moment einen Zug zu machen, der einen kurzen verbalen Austausch ermöglicht.

Pros

Das Spiel ist sehr leicht zugänglich, schnell erklärt und schnell gespielt. Also optimal für eine Gruppe mit weniger erfahrenen Spielern. Man wird langsam eingeführt und versteht es immer besser, sich die Denkweise seiner Mitstreiter zu eigen zu machen. Auf diesem Weg wird es eine Menge lustiger Situationen und viele graue Haare geben.

Nicht zu vergessen sind die toll aufgebauten Regeln, der super stressige Solomodus (endlich mal ein Spiel, dass einen Solospieler so richtig ins Schwitzen bringt), die Wiederspielfähigkeit, das sich das Spiel mit jeder Gruppe und mit unterschiedlichen Spielerzahlen komplett anders anfühlt und die Möglichkeit, es mit bis zu 8 Spielern (9 in einem Spezialszenario) zu spielen. Es gibt hier also viel zu loben.

Cons

Das Spiel ist nichts für ausgeprägte Alpha-Spieler. Diese werden ihre Ohnmacht verfluchen, da der optimale Weg doch so offensichtlich ist, die anderen Spieler aber aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sind, diesen zu sehen. Auch kann es hier und da mal frustige Momente geben, bei denen man partout keine Ahnung hat, was gerade von einem erwartet wird. Wenn man sich diese zu sehr zu eigen macht, wird man auf Dauer keinen Spaß an dem Spiel haben.

Manchmal ist es ein Bürde zu schweigen, und nicht aus allen Spielsituationen kommt man mit einem guten Gefühl heraus. Auch wenn das Spiel noch so viel Spaß macht und mich selbst motiviert, immer weiter zu spielen und vor allem in der Gruppe immer besser zu werden, muss man damit umgehen können. Nicht alle werden sich auf diese Weise motivieren lassen und nicht alle werden mit diesen frustrierenden Momenten so gut umgehen können.

Fazit: Ich finde das Spiel genial. Es ist innovativ, kurz(-weilig), frisch, schnell, lustig, herausfordernd und in der Theorie für alle Spielertypen ansprechend. Ob man damit umgehen kann, bei einem so intensiven Spiel über weite Strecken zu schweigen, hängt von einem selbst ab. Nach meiner Einschätzung ist das Spiel nicht für jedermann geeignet. Und sollte jemand das Spiel nicht mögen, sollte man ihn oder sie auch nicht dazu überreden. Ebenfalls kontrovers diskutiert wird das Setting dieses Spiels. Während ich mich über die Kombination aus gescheiterter Fantasyheldentruppe und Einkaufszentrum totlachen könnte, sind andere davon gar nicht angetan. Aber hier hat der Autor genau den selbstironischen Unterton getroffen, über den aus meiner Sicht zumindest jeder Rollenspieler lachen können sollte. An dieser Stelle kann ich nur hoffen, dass das Erstlingswerk von dem Autor Kasper Lapp nicht die letzte Fundgrube mit guten Ideen ist, die er uns präsentieren kann.

Magic Maze
Brettspiel für 1 bis 8 (9) Spieler ab 8 Jahren
Kasper Lapp
Pegasus Spiele 2017
EAN 4250231714283
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 24,95

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