von Oli Clemens
Die Spielschachtel ist mit ihren 9 auf 9 Zentimetern geradezu winzig. In ihr stecken auch nur 15 quadratische Karten aus festem Karton, ein runder Spielstein aus Holz und eine Anleitung. Die beiden Spieler entscheiden, wer das Verlies bauen will und wer daraus flüchten möchte. Dann verteilen sie das Material.
Der ‚Dungeon Master‘ bekommt sechs verschiedene Monsterkarten, drei Karten, die schlichte Verliesgänge zeigen, sowie jeweils eine Karte mit Ein- und Ausgang. Der Abenteurer bekommt lediglich zwei Aktionskarten. Eine ermöglicht ihm zu springen, eine erledigt ein Monster. Beide Spieler erhalten zudem noch eine Monster-Übersichtskarte. Die ist notwendig, damit klar ist, wie die Monster angeordnet werden können, denn sie sind ja „mutlos“ und vermeiden den Kontakt zueinander.
Das Spiel läuft in zwei Phasen über maximal drei Runden. In Phase Eins legt der Verliesmeister die Karte mit dem Eingang sichtbar auf den Tisch. Drumherum wird nun aus verdeckten Karten die erste Ebene des Verlieses gepuzzelt. Dafür stehen ihm immer zwei Monsterkarten, der Ausgang und die drei Verliesgänge zu Verfügung. Mehr als sechs Karten hat man also nie zu Verfügung. Das kann aber schon reichen, um den Charakter für immer in dem Verlies zu halten, denn die Monsterkarten dienen quasi als Wachen auf dem Weg zum Ausgang. Läuft ihnen der Charakter beim Erkunden kampflos in die Arme, ist das Spiel aus und das Verlies gewinnt. Erreicht der Abenteurer aber den Ausgang, ist das erste von drei Stockwerken auf dem Weg zur Freiheit geschafft.
Schnell stellt man fest: Die Monster können sich überall im Verlies verstecken, aber eigentlich sind sie Hasenfüße. Sie fürchten sich nämlich voreinander und bleiben deswegen auf Abstand! Die Übersichtskarte zeigt, wie sie passend angeordnet werden können, sodass sie zwar für den Charakter eine Gefahr sind, sich aber nicht gegenseitig erschrecken. Schon putzig, gleichzeitig extrem hilfreich für den Fluchtplan des Abenteurers.
So entstehen nämlich schon durch die Anordnung der Karten gewisse Vermutungen, welches Monster sich wo versteckt halten könnte. Der blaue Oktopus lauert beispielsweise gerne umgeben von Karten, der Drache braucht Platz um sich herum. Je mehr Partien man spielt, desto besser kann man schon direkt vor Beginn die Anordnung des Verlieses deuten, obwohl alle Karten mit Ausnahme des Eingangs verdeckt liegen. Besonders klasse wird „Mutlose Monster“ aber vor allem dann, wenn man es häufiger in der gleichen Personenkonstellation spielt. Denn dann mogelt sich der ein oder andere Bluff in den Aufbau, der dem Abenteurer schnell das Leben kosten kann.
In der Abenteurerphase bewegt sich dieser vom Eingang aus waagrecht oder senkrecht Feld für Feld durch das gebaute Labyrinth. Sein Spielstein wird entsprechend weitergesetzt und die verborgene Karte umgedreht. Treffen sich Abenteurer und Monster, ist das Spiel vorbei. Natürlich schickt man kein Greenhorn in das Verlies. Deswegen kann der Abenteurer einmal pro Level ein Karte überspringen oder eine Karte vorsichtshalber bekämpfen. Nur dumm, wenn man auf den Bluff des Verlieses hereingefallen ist und sich das vermutete Monster in eine harmlose Verlieskarte entpuppt. Dann sind die nächsten Schritte wahrscheinlich tödlich.
Weil der Dungeon Master etwas in Vorteil ist, darf der Abenteurer je nach Verliesebene vor seinem ersten Zug zwei, eine oder eben keine Karte zufällig aufdecken und seine ersten Schlüsse ziehen. So zeigt es sich, dass Ebene 1 und 2 meist schnell erkannt und der Ausgang durch einen gezielten Sprung erreicht werden kann, man aber oft nicht genau weiß, welche Monster jetzt genau darin lauerten. Ein Verlies gibt eben nicht immer alle seine Geheimnisse preis.
Hat der Abenteurer den ganzen Mut und eine Prise Deduktion eingesetzt und konnte der Ausgang ohne Monsterkontakt gefunden werden, gilt das Stockwerk als erfolgreich gemeistert. Dann beginnt wieder Phase Eins und es wird umgebaut. Zwei neue Monster ersetzen die alten und ein neues Stockwerk voller Gefahren wird ausgelegt. Schafft der Abenteurer ungestört seinen Weg durch alle drei Herausforderungsebenen, ist das Spiel gewonnen. Ansonsten triumphiert das Verlies.
Jedem sollte klar geworden sein, dass „Mutlose Monster“ überhaupt kein Dungeon Crawler im klassischen Sinn sein will. Es setzt vielmehr auf Bluff und Deduktion, statt auf epische Schlachten, Kampfsysteme und Charakterentwicklung. Die Belohnung am Ende einer Runde ist, den Gegenüber ausgetrickst zu haben. Dann geht es meist auch schon direkt rein in die nächste Runde zur Revanche, denn mit etwa 10 bis 15 Minuten spielt sich „Mutlose Monster“ echt schnell.
Fazit: Schon der Titel drückt die Selbstironie aus, mit der das Spiel bezaubert. Leute, die Freude an Familienspielen haben, werden am meisten Spaß damit haben. Tatsächlich findet der größte Teil des Spiels in den Köpfen der Spieler statt. Das macht entweder echt viel Spaß und wirkt absolut entschleunigend, oder eben genau das Gegenteil. Die Anleitung von „Mutlose Monster“ ist nicht nur übersichtlich gegliedert und klar verständlich, sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Spiel genderneutral erklärt werden kann und dabei vollkommen natürlich klingt.
Mutlose Monster
Kartenspiel für 2 Spieler ab 8 Jahren
Sandro Dall'Aglio
Boardgame Circus 2021
EAN: 4270001195562
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 12,99
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