Lovecraft Letter

Das Kartenspiel „Love Letter“ des japanischen Spieleautors Seiji Kanai wurde 2013 von Pegasus veröffentlicht und konnte die Spielewelt mit seinen Deduktions- und Bluffelementen überzeugen. So wurde es in die Empfehlungsliste zum „Spiel des Jahres 2014“ aufgenommen und gewann den vierten Platz beim „Deutschen Spielepreis“ des gleichen Jahres. Die sprachliche Weiterentwicklung von „Love Letter“ zu „Lovecraft Letter“ ist irgendwie naheliegend, und so liegt nun die thematische Adaption des beliebten Spiels mit den Elementen des Cthulhu-Mythos vor. Schafft es dieser Ableger, dem bekannten Spielprinzip neue Facetten zu verschaffen?

von Oliver Adam

Gegenüber „Love Letter“ wurde der erzählerische Hintergrund des Spiels komplett umgestaltet. War es zuvor eine Liebesgeschichte, bei der die Spieler versuchten, ihren Liebesbrief erfolgreich der Prinzessin zuzuschieben, tritt nun eine cthuloide Hintergrundstory an deren Stelle: Der Cousin ist in Ägypten auf etwas Mysteriöses gestoßen. Seltsame Schatten, die zum Leben erwachen, Schriftzeichen mit nicht identifizierbaren Texten und merkwürdigen Symbolen. Nachdem der Cousin verschollen ist, beginnen die Spieler den Fall zu untersuchen und folgen den Spuren, die offensichtlich für sie bereitgelegt wurden. Ziel ist es, am Rundenende den wichtigsten Hinweis auf der Hand zu haben, nämlich die Handkarte mit dem höchsten Wert.

Bevor wir uns den Regeln zuwenden, fällt zuerst einmal die schöne und ansprechende Aufmachung auf. Die 25 Spielkarten sind sehr stabil und passend zur Thematik illustriert. Sechs Übersichtskarten geben einen kurzen Überblick über alle Spielplankarten und deren Funktionen, und 18 Geisteszustandsplättchen zeigen an, wie oft ein Spieler wahnsinnig geworden ist.

Vor Beginn des Spiels werden die Spielkarten gemischt und als verdeckter Nachziehstapel bereitgelegt. Nun nimmt jeder Spieler eine Karte vom Nachziehstapel auf die Hand. Der Spieler, der am Zug ist, zieht zunächst die oberste Karte des Nachziehstapels und wählt dann eine seiner beiden Handkarten, die er offen vor sich ausspielt. Hat die Karte eine Funktion, muss der Spieler diese nun ausführen, auch wenn es zu seinem Nachteil ist. Danach kommt die ausgespielte Karte auf den Ablagestapel. Den großen Reiz entfaltet das Spiel dabei durch die Interaktion der Karten und die damit verbundenen Bluff- und Deduktionselemente. Nur wer mitdenkt, welche Karten bereits ausgespielt worden sind und welche Karten die anderen Spieler mit großer Wahrscheinlichkeit auf der Hand haben, hat realistische Chancen auf den Sieg.

Neben den von „Love Letter“ bekannten 16 Karten, die natürlich thematisch passend umbenannt wurden, besitzt „Lovecraft Letter“ Wahnsinnsfunktionen, wodurch es für jede normale Karte eine zusätzliche Sonderkarte mit einer alternativen und sehr mächtigen Funktion gibt. Diese Karten haben aber auch gewaltige Nachteile. Liegt eine Wahnsinnskarte bereits offen auf dem Ablagestapel des Spielers, wird dieser sofort und für den Rest der Runde wahnsinnig und riskiert, jederzeit mental zusammenzubrechen. Zu Beginn jedes seiner folgenden Spielzüge muss er eine Wahnsinnskontrolle ablegen und so viele Karten nacheinander vom Nachziehstapel nehmen, wie bereits Wahnsinnskarten auf seinem Ablagestapel liegen. Deckt er dabei auch nur eine Wahnsinnskarte auf, scheidet er aus dieser Runde aus. Eine Runde kann auf drei Arten enden: wenn alle bis auf einen Spieler ausgeschieden sind, wenn der Nachziehstapel aufgebraucht ist oder wenn ein Spieler Cthulhu ausspielt und dessen Siegbedingungen erfüllt (bereits zwei oder mehr Wahnsinnskarten auf dem Ablagestapel). Eine Rund kann dabei sehr schnell – und genauso schnell wie bei „Love Letter“ – ablaufen, sodass nach wenigen Minuten der Rundensieger feststeht. Das Spiel endet, wenn ein Spieler zwei Runden im normalen oder drei Runden im wahnsinnigen Zustand für sich entscheiden konnte. Alterativ führt auch das oben beschriebene Ausspielen von Cthulhu und dem gleichzeitigen Erfüllen von dessen Siegbedingung zum Spielsieg.

„Lovecraft Letter“ ist eine schöne Adaption des Cthulhu-Mythos auf die „Love Letter“-Systematiken und bietet ein atmosphärisch dichtes Erlebnis. Es ist ein kurzweiliges und schnelles Spiel, das einfach erklärt werden kann, vergleichsweise wenig Spielmaterial hat und seine Komplexität aus der Interaktion der Handkarten bezieht. Den meisten Spaß bietet das Spiel mit drei oder vier Spielern, bei Runden zu zweit konnte es weniger überzeugen. Durch die neu hinzugekommenen Wahnsinnseffekte erfährt das Spiel eine große Weiterentwicklung gegenüber dem Grundspiel. Diese Effekte sind zum einen sehr mächtig, sodass die Verlockung groß ist, sie einzusetzen, zum anderen ist mit ihnen ein großes Risiko verbunden, was durchaus im Sinne des Cthulhu-Mythos ist.

Fazit: „Lovecraft Letter“ baut auf der bekannten und erfolgreichen Systematik von „Love Letter“ auf und überführt diese auf den Cthulhu-Mythos. Thematisch macht das Kartenspiel einen gewaltigen Sprung, weg von der klassischen Romanze, hin zu den grauenerregenden Welten Lovecrafts. Die hervorragenden Illustrationen sowie die neuen Regeln der Wahnsinnseffekte unterstützen diese atmosphärische Migration. „Lovecraft Letter“ ist ein hervorragendes, schnelles Bluff- und Deduktionsspiel, das schnell erklärt werden kann und mit wenig Spielmaterial viel Spaß bietet, insbesondere als Spiel Zwischendurch.

Lovecraft Letter
Kartenspiel für 2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren
Seiji Kanai
Pegasus Spiele 2017
EAN: 4250231714085
Sprache: Deutsch
Preis: 9,95 Euro
 
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