von André Frenzer
„Die Ratten im Gemäuer“ gehört zu H. P. Lovecrafts bekanntesten Geschichten. Nach dem Tod seines Sohnes kehrt der alternde Kaufmann Delapore aus Amerika auf den Stammsitz seiner Familie in Südengland zurück. Nach aufwendigen und zeitfressenden Renovierungsarbeiten bezieht er schließlich 1918 in dem ehemaligen Kloster, das zuvor seiner Familie gehörte, Quartier. Den abergläubischen Reden der einfachen Landbevölkerung schenkt er zwar keine Beachtung, doch liegt in der Familiengeschichte ein Geheimnis begraben, das den letzten Delapore bald zu interessieren beginnt. Gemeinsam mit Captain Edward Norton, einem Kriegskameraden seines verstorbenen Sohnes, beginnt er tiefer in der Familiengeschichte zu forschen – und stößt auf einen Vorfahren, der scheinbar weite Teile seiner damaligen Verwandtschaft umgebracht und daraufhin das Land verlassen hat.
In der Folge verlieren sich Delapore und Norton immer tiefer in den Tragödien der Delapores, während in den Nächten die Katzen und Bediensteten des Hauses kaum mehr ein Auge zutun können. Das Trippeln und Quieken tausender Ratten, die hinter den Wänden der alten Priorei hin und her huschen, bringen die Bewohner des Hauses um den Schlaf. Schließlich entscheiden sich Delapore und Norton dazu, im Gewölbekeller des alten Klosters dem Spuk auf den Grund zu gehen. Doch hier entdecken Unglaubliches …
Das gleichnamige Würfelspiel baut nun locker auf dieser Geschichte auf, zieht seine Inspiration aber auch aus einfachen Würfelspielen, wie sie in Kneipen und Gaststätten landauf, landab gespielt werden. Werfen wir zunächst einen Blick auf das Material, welches in einem hübschen Beutel geliefert wird. Da wären ein stabiler Würfelbecher, fünf sechsseitige Würfel, die ein bis zwei Ratten oder blanke Seiten zeigen, ein ganzer Haufen Plastikgehirne und zwei Bierdeckel mit schaurigen Ratten auf Schädeln als Motiv. Die Ausstattung ist für den Preis durchaus wertig und weiß zu gefallen.
Im Spiel geht es nun darum, den Ratten in die Kellergewölbe unter der alten Priorei zu folgen, ohne vorher den Verstand zu verlieren. Dazu teilt sich das Spiel in Geber und Nehmer auf. Der Geber würfelt zunächst und darf dann – alleine – unter den Würfelbecher sehen. Anschließend gibt er den Becher weiter und gibt eine Anzahl von Ratten an, die er geworfen hat. Dabei gehört Bluffen durchaus mit zur Partie. Der Nehmer kann nun entscheiden, ob er dem Geber glauben schenkt oder nicht – falls ja, fügt er einen Würfel hinzu und würfelt erneut, wird also selbst zum Geber. Glaubt er dem Geber allerdings nicht, sondern kontrolliert die Anzahl der Ratten auf den Würfeln, so verlieren er oder der Geber einen Teil ihres Verstandes – genaugenommen eines der mitgelieferten Plastikgehirne, je nachdem, wer Recht behalten hat. So geht das Spiel reihum, bis (angeblich) zehn Ratten erwürfelt wurden – nun folgen wir den Ratten in den Keller, wo es kein Plastikgehirn zu verlieren gilt, sondern das eigene (Spieler-)Leben. Gewonnen hat, wer das Spiel nicht nur überlebt, sondern auch noch einen Teil seines Verstandes behalten konnte.
„Die Ratten im Gemäuer“ ist wenig komplex und erinnert – wie erwähnt – an lockere Trinkspiele. Die Spielanleitung empfiehlt allerdings eher, den cthuloiden Touch des Spiels mit unheilschwangeren Ankündigungen über die Rattenbedrohung zu unterstützen, anstatt sich während des Spiels dem Alkohol hinzugeben. Die richtige Spielrunde vorausgesetzt, kann ich mir durchaus vorstellen, wie sich hier witzig-cthuloide Dialoge entspinnen. Tatsächlich ist die für cthuloide Spiele übliche Wahnsinnsmechanik recht elegant in das simple Regelkonstrukt integriert und bringt ein wenig zusätzlichen Flair ins Spiel. Schlussendlich ist das Spiel aber eher als Absacker oder für eine schnelle Runde zwischendurch geeignet und dürfte Brettspielenthusiasten eher weniger gefallen.
Fazit: „Die Ratten im Gemäuer“ ist ein hübsch gemachtes Würfelspiel für zwischendurch, welches auf simple Regeln und freie Interaktion zwischen den Spielern setzt. Wer damit etwas anfangen kann, findet hier eine hübsche, cthuloide Variante eines wenig komplexen Würfelspiels.
Die Ratten im Gemäuer
Würfelspiel für 3 bis 6 Spieler ab 12 Jahren
Henning Poehl
Sphinx Spiele 2024
EAN: n. a.
Sprache: Deutsch
Preis: 12,95 EUR
bei cthulhu-webshop.de bestellen