Kurzabenteuer im Reikland

Selbst im beschaulichen Reikland erwarten den Reisenden viele Gefahren. Ob an einer Schleuse, in einem Gasthaus oder sogar in einem Tempel – man kann überall in Bedrängnis kommen. Mit fünf kurzen Abenteuern kann man seine Spieler zwischen größeren Abenteuern oder während einer Kampagne mal einen Abend beschäftigen. Gerade innerhalb einer Kampagne bieten sie auch eine willkommene Abwechslung.

von Ansgar Imme

Der deutsche Verlag von „Warhammer Fantasy“ – Ulisses Spiele – hält munter den Takt. Fast jeden Monat erscheint in 2024 eine Publikation zur 4. Edition. Mal ist es ein Teil zur Kampagne „Der Innere Feind“, ein anderes Mal eine kleine Spielhilfe. Zeitgleich zum vierten Teil der Kampagne (wird demnächst hier auch vorgestellt) erschien eine kleine Sammlung von Abenteuern im Reikland. Der Autor ist wieder einmal Dave Allen, der bei der 4. Edition schon häufiger in Erscheinung trat.

Auf 36 vollfarbigen Seiten findet man fünf kurze Abenteuer, die zwar im Reikland angesiedelt sind, aber alle auch gut in andere Gegenden des Imperiums verlegt werden können. Die Bezeichnung Abenteuer ist dabei eher übertrieben, da es sich vielmehr um etwas ausführlichere Szenarios handelt, die mehrere Seiten umfassen. Alle fünf widmen sich dabei jeweils einem Gebäude aus der bereits erschienenen Spielhilfe „Gebäude des Reiklands“ und nutzen dieses als Basis für die Handlung. Die Spielhilfe selbst benötigt man dabei nicht, da Grundriss und wichtigste Personen jeweils vorgestellt werden. Trotzdem ist sie natürlich hilfreich, wenn man manches ausführlicher darstellen möchte.

Im ersten Szenario „Komm und ertrinke mit mir“ erreichen die Abenteurer eine Schleuse und müssen beim Verlassen feststellen, dass sie ihre Reise wieder dorthin führt, so als ob sie im Kreis gefahren wären. Dazu kriechen Untote aus dem Kanal, an dem die Schleuse liegt. Als sich die Abenteurer in das Haus der Schleusenwärterin retten, stellen sie fest, dass auch dort nicht alles normal ist, sondern es zu spuken scheint und Aufklärung Not tut.

„Eingesperrt“ sind die Abenteurer in der zweiten Geschichte. Während einer Übernachtung in einem Gasthaus trifft ein sigmaritischer Hexenjäger ein, der alle Anwesenden als Sünder betrachtet und das Gebäude niederbrennen will. Es liegt an den Charakteren, dies abzuwenden und die gleichzeitig im Gebäude stattfindenden seltsamen Ereignisse zu ergründen.

„Die Belagerung des Tempels in Walen“ erleben die Figuren, als Tiermenschen ein Dorf angreifen und alle in der Kirche als einzig sicherem Ort aus Stein Schutz suchen. Doch die Tiermenschen wollen das Dorf verschonen, wenn ihnen ein bestimmter Dorfbewohner ausgeliefert wird. Doch warum gerade dieser?

Im Gegensatz zu den ersten drei Szenarios mit ernsten und teils tragischen Themen erleben zumindest die Spieler in „Zügelt euren Enthusiasmus“ eine leicht bizarre Geschichte, in der Käsespezialitäten und deren Hersteller in Übersreik die Hauptrolle spielen. Ein ominöser Todesfall, ein abgebranntes Haus und Darmerkrankungen – daran kann nur der Verzehr von Käse schuld sein. Natürlich ...

Den Abschluss des Abenteuerbandes bildet die Bitte eines Gutsherrn. „Ein Schaf im Wolfspelz“ könnte der Fürst von Fahle aus dem Talabecland sein, der sich nach einer Verletzung in einem Gehöft einquartiert hat, deren Besitzer er für eine Verletzung verantwortlich macht. Doch immer wenn er geheilt scheint und um Abreise gebeten wird, wendet er sich gegen den Gutsbesitzer und droht mit Konsequenzen. Was steckt dahinter und was haben die Prophezeiungen der Großmutter aus dem Gehöft damit zu tun?

Der Kurzabenteuerband macht insgesamt einen guten Eindruck und springt ohne viel Federlesen direkt in das erste Abenteuer. Platz wird hier – außer manchmal mit Ausnahme zu ausführlicher Spielwerte der Nichtspielercharaktere – überhaupt nicht verschwendet. Die jeweiligen Abenteuer sind dagegen gut und schnell nutzbar und bieten sich auch kurzfristig als Alternative an, wenn man an einem Spielabend etwas überbrücken muss. Die Ausarbeitung ist vollkommen ausreichend, die Handlung nicht zu komplex und die Anzahl der Figuren entsprechend auch überschaubar. Trotzdem sind Pläne der Orte und Illustrationen in guter Qualität vorhanden, schmälern aber kaum den Text.

Natürlich darf man nicht zu viel erwarten. Bei fünf Abenteuern auf 36 Seiten ist die Handlung eben meist recht linear gestaltet. Ausbaumöglichkeiten ergeben sich am ehesten im zweiten und vierten Szenario. Die Auswahl und Anordnung der Szenarios hätte aber ausgewogener sein können. In den ersten drei Abenteuern geht es immer um eine Art von Belagerung oder Einsperrung an einem Ort, auch wenn die Hintergründe und der Ablauf dann unterschiedlich sind. Die Ideen dahinter sind interessant und könnten teilweise sogar noch als Anknüpfungspunkt genutzt werden. Gerade da sich die drei ersten Szenarios von der Grundidee ähneln, gewinnen die beiden hinteren Szenarios an Wert, zudem dort die Ideen innovativer wirken. Vor allem das Käse-Szenario ist so überzogen, dass man beim Lesen schon ins Lachen kommt, obwohl es ganz bittere Konsequenzen hatte. Insgesamt sind alle Abenteuer aber im klassischen „Warhammer“-Stil mit düsteren, tragischen und humorvollen Elementen gehalten.

Fazit: Wer komplexe, ausführliche Handlungen mit Personen mit tiefgreifenden Motiven erwartet, ist hier natürlich falsch. Man bekommt aber gut ausgearbeitete, kurze Szenarios, die meist einer linearen Handlung folgen und schnell am Spieltisch um- und einsetzbar sind. Mit oft wenig Mehraufwand kann man die Abenteuer sogar in anderen Fantasy-Systemen nutzen. Für den Preis macht man auf jeden Fall überhaupt nichts falsch und bekommt Material für mehrere Spielabende.

Kurzabenteuer im Reikland
Abenteuer-Anthologie
Dave Allen
Ulisses Spiele 2024
ISBN: n. a.
36 S., PDF, deutsch
Preis: 4,99  EUR

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