Joker – Killer Smile

Lächeln bitte! Kaum ein Grinsen ist so markant wie das von Gothams schlimmsten Schurken, dem Joker. Wir werden schon auf dem Coverbild des Comics von dem grinsenden, maskenhaften Gesicht begrüßt! Begrüßt zu einer gefährlichen Lektüre. Denn dass die Begegnung mit dem Joker bei allen Beteiligten Spuren hinterlässt und nicht alles so trivial ist, wie es zunächst erscheint, darf man hier selbst miterleben. Schaurig verstörend!

von Daniel Pabst

Der Comic „Joker – Killer Smile“ ist Teil des „DC Black Labels“. Diese im Jahre 2018 gegründete Comic-Reihe richtet sich mit düsteren Geschichten an ein reiferes Publikum, als es die Kinofilme des DC-Universums tun. Die Serie zeichnet sich aber nicht nur durch den finsteren Stil der Comics aus. Jede der Geschichten ist in sich abgeschlossen, was den Autoren mehr kreative Freiheiten verleiht. Zudem sind die Geschichten unabhängig von den anderen Titeln zu lesen, was zusätzlich für den besonderen „Thrill“ und reichlich Abwechslung sorgt. So wird nebenbei auch einer unerfahreneren Leserschaft der Einstieg in die Comic-Welt erleichtert, da man im Vorfeld nicht Hunderte an Comics gelesen haben muss, um das „ganze“ Erlebnis zu genießen.

„Joker – Killer Smile“ wurde erdacht von Jeff Lemire, der sich als Autor mit Titeln wie „Sweet Tooth“, „The Nobody“, „Trillium“ oder „Cosmic Detective“ einen Namen gemacht hat. Die Zeichnungen stammen von Andrea Sorrentino. Von seinem Können konnte man sich bereits in den Werken „God of War“, „Ich, der Vampir“ oder „Green Arrow Megaband“ beeindrucken lassen. Dass Lemire und Sorrentino bestens zusammenarbeiten können, zeigt sich in ihrer Horror-Science-Fiction-Serie „Gideon Falls“, die mit einem Eisner Award prämiert wurde und zu der eine eigene TV-Serie geplant ist. Farben des Comics kommen von Jordie Bellaire. Ins Deutsche übersetzt wurde die Geschichte durch Josef Rother. „Joker – Killer Smile“ erschien 2021 bei Panini Comics, umfasst 156 Seiten als Hardcover-Edition und erscheint in DIN-A4-Größe.

Bevor die Geschichte beginnt, erhält man ein Vorwort von Christian Endres, der eine Art Inhaltsangabe liefert. Wer ein ungefiltertes Leseerlebnis möchte, der sollte diese Einleitung überspringen und erst am Ende lesen. In der Einleitung widmet sich Endres zudem in einem Satz auch dem Comic „Batman – Killing Joke“ von Alan Moore und Brian Bolland, welcher stets einen der vordersten Plätze aller erschienenen „Batman“-Comics einnimmt und absolut fesselt. In „Joker – Killer Smile“ wird damit geworben, dass sich nicht allein Joker und Batman gegenüberstehen, sondern eine dritte Person hinzutritt: der Psychiater Dr. Ben Arnell. Was also steckt hinter der nun folgenden Therapie des Killerclowns und welchen Platz könnte dieser Comic in der „Batman“-Comic-Welt in Zukunft einnehmen?

Der Comic teilt sich in vier Bücher. Die ersten drei enthalten die Geschichte: „Joker – Killer Smile 1-3“, Buch vier liefert die Geschichte: „Batman: The Smile Killer 1“. Dabei könnte man Buch vier als Bonusgeschichte betrachten, die sich inhaltlich aber genauso gut als Fortsetzung von „Joker – Killer Smile“ eignet. Daher wohl auch die fehlende Trennung von den ersten drei Büchern, da sie sich an das „Ende“ von Buch drei anschließt.

Nun aber zum Inhalt! Den Joker zu stoppen und anschließend zum Guten zu bekehren, ist eine Aufgabe, der sich selbst Batman, der Dunkle Ritter im DC-Universum, seit nunmehr als 80 Jahren mit wenig Erfolg widmet. Dies hält jedoch den Psychiater Dr. Ben Arnell nicht davon ab, sich selbst an dieser Mammutaufgabe zu versuchen. Doch mit Psychologie in das Gehirn des verrückten Kriminellen einzudringen, ist ein gefährliches Unterfangen. Der Joker, gefangen im Arkham Asylum, scheint völlig resistent gegen Arnells Bemühungen. Schlimmer noch, so langsam scheint es, als ob der Doktor und sein Patient die Rollen tauschen. Mehr und mehr misstraut der Psychiater seinen eigenen Wahrnehmungen. Die Umwelt merkt diese Wandlung, und doch fühlt sich Arnell unverstanden, und bittet um mehr Zeit, um den Joker zu „heilen“. Dieser aber hat ihn bereits in die „zweite Welt“ abdriften lassen. Eine Welt fernab der Realität?

Dass sich Ärzte daran versuchen, die Psyche und die damit verbundene Manie des Jokers zu entschlüsseln, dabei aber selbst kläglich scheitern, ist ein Motiv, welches man mit der Zeit schon häufiger zu lesen, beziehungsweise zu sehen bekam. So startete die populäre Harley Quinn als Therapeutin in Arkham Asylum, wo sie sich der Behandlung von Verbrechern wie dem Joker widmete. Mittlerweile assistiert sie dem Joker als Liebhaberin und wichtigste, getreue Komplizin. Was also ist das besonderes Etwas an „Joker – Killer Smile“?

Im Zuge des Lesens verabschiedet man sich von der Vorstellung, dass alles, was man liest, auch so „stimmt“. Die Realität des Protagonisten erscheint unwirklich, und es stellt sich die Frage, wie der inhaftierte und damit sicher verwahrte Joker dem Sohn von Arnell ein Malbuch zukommen lassen oder einen tödlichen Witz mitteilen konnte, der im Übrigen ganz dem Humor des Jokers gewidmet ist: „Warum fressen Kannibalen keine Clowns? – Weil die komisch schmecken!“. So also betritt man während des Lesens eine „zweite Ebene“ hinter dem Erzählten und ist gespannt auf die Auflösung. Dies ist spannend und insgesamt überzeugend, macht den Comic aber allein nicht besonders außergewöhnlich.

Besonders lesenswert ist „Joker – Killer Smile“ aber dann doch! Denn die Zeichnungen und Farben sind hier derart knallig und innovativ, dass dieser Comic zu einem speziellen „Horrortrip“ wird. Dies wird bereits auf der zweiten Seite des Comics deutlich. Die Panel-Anordnung wird hier zerbrochen und zeigt grün-lilafarbene Ballons über Gotham, gefolgt von Textfeldern, in denen uns der Joker einen Einblick in seinen Wahnsinn und auch den Inhalt der Ballons gewährt. Die Panels werden im Folgenden weiter mit dem klassischen Aufbau brechen, und lassen schön-anzusehende – wenn auch teilweise sehr brutale – Szenerien entstehen. Die Zeichnungen sind dazu mal in den grün-lila-Tönen gehalten, dann wieder erschreckend blutrot. Es entwickelt sich zunehmend ein Sog, der das Lesen der 156 Seiten beschleunigt und wodurch die Zeichnungen zur Entschlüsselung der „Welt“ des Psychiaters mehr und mehr beitragen. Besonders kreativ und herausstechend ist der Abdruck des Malbuchs mit dem Titel: „Mr Smiles and the happy village“ (wird im Comic übersetzt durch: „Mister Grins und das glückliche Dorf“). Hier kommt das DIN-A4-Format des Comics ins Spiel. Man hat in der Geschichte eine weitere großflächige Geschichte, die vom Äußeren an eine Kindergeschichte erinnern vermag, sogleich aber einen Clown mit Kettensäge zeigt, untertitelt mit: „Treten Sie näher! Treten Sie näher“.

Nach dem „Ende“ der drei Bücher, sehen wir auf einer Seite das Konterfei von Batman. Es folgt „Buch vier“ und die Geschichte „Batman: The Smile Killer 1“. In dieser spielt Batman wieder die Hauptrolle. Dennoch können wir beim Lesen dieser Geschichte nie sicher sein, wie sie für ihn ausgehen wird, da es sich ja um eine Black Label Geschichte handelt. Wer ist überhaupt schon dieser Batman? Etwas zu überraschend ist diese Geschichte dann aber, da sie, trotz der Anknüpfungen an die Geschichte um den Psychiater Arnell, nicht ganz reinpasst in diesen Comic-Band. So füllt sie die Seiten und ist erneut von den Zeichnungen beeindruckend, nimmt aber ein wenig das berauschende Gefühl der vorigen Geschichte, es sei denn, man möchte unbedingt „Batmans“ Persönlichkeit durch seine hier dargestellte Kindheit ergründen.  

Sehr schön ist der Abdruck der Variant-Covers von Kaare Andrews am Ende des Bandes. Ebenfalls schön ist, dass man Charakterstudien, ein ungenutztes Artwork von Andrea Sorrentino, Promo-Artwork sowie zwei alternative (schwarz-weiß) Sequenzen erhält. Das Original-Cover von Andrea Sorrentino, welches bei Panini Comics als Titelbild der „Joker – Killer Smile Variant“ Version erschienen ist, findet sich auch hier, nur eben nicht als Cover, sondern zu Beginn auf einer Extra-Seite als ganzseitiges Bild. Auch das ist gemessen am Verkaufspreis ein sehr netter Bonus. Das Cover dieses Bandes ist das erste Variant-Cover von Kaare Andrews.

Leseprobe

Fazit:
Gemessen an dem hohen Standard, den der hochgelobte Comic: „Batman – Killing Joke“ vorgibt, fällt das Fazit für die Geschichte von Jeff Lemire gemischt aus. An manchen Stellen fühlt man sich schlicht an Szenen aus „Batman – Killing Joke“ erinnert, was als Reminiszenz gesehen werden kann oder einfach als wenig innovativ. Dafür ist der Zeichenstil mit den Farben innovativ und durchgehend fantastisch, sodass „Joker – Killer Smile“ schon jetzt – bildlich gesehen – zu den Comic-Highlights im Jahre 2021 zählt und daher absolut zu empfehlen ist.


Joker – Killer Smile
Comic
Jeff Lemire, Andrea Sorrentino
Panini Comics 2021
ISBN: 9783741622359
156 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,00

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