Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler (Remastered / Let's Play)

2018, also stolze 34 Jahre nach der ersten Veröffentlichung, lädt der aktuelle Verleger des „Schwarzen Auges“, Ulisses Spiele, uns dazu ein, die Anfänge – also die erste Edition von „Das Schwarze Auge“ – erneut zu genießen. Da darf natürlich auch das erste Abenteuer, „Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler“, nicht fehlen.

von André Frenzer

Angespornt durch die Erfolge der hauseigenen „DSA1“-Let’s-Plays, die sich auf YouTube einer regen Beliebtheit erfreuen, wagte Ulisses Spiele im Sommer des Jahres 2017 ein Crowdfunding, mit dem das uralte Material aus dem Jahre 1984 erneut aufgelegt werden sollte. Neben den ursprünglichen Regelwerken wurde auch eine „Let’s Play“-Variante vorgestellt. Hier sollten die originalen Texte und Bilder aus dem Jahr 1984 versammelt werden, allerdings versehen mit ironisch-bissigen Kommentaren der Let’s-Play-Gruppe und illustriert mit modernen Chibi-Bildern von Nadine Schäkel. Das Crowdfunding wurde ein voller Erfolg und so wurde auch immer weiteres Zusatzmaterial freigeschaltet – allen voran das erste Gruppenabenteuer für „Das Schwarze Auge“, nämlich „Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler“.

Wie Abenteuer-Autor und „Das Schwarze Auge“-Miterfinder Werner Fuchs einmal kommentierte, entstand das erste Abenteuer nicht nur unter dem enormen Zeitdruck von wenigen Wochen, sondern auch im nahezu luftleeren Raum – denn das Setting Aventurien war zu diesem Zeitpunkt kaum durchdacht. Doch das muss ja alles nicht zum Nachteil gereichen. Werfen wir einen vorurteilsfreien Blick auf das Modul.

Das Abenteuer führt die Helden in die Nähe der Koschberge in das kleine Örtchen Gratenfels. Hier wollen sie im namensgebenden Wirtshaus zum Schwarzen Keiler ihr Nachtlager beziehen. Leider geraten sie unversehens in einen Konflikt mit der örtlichen Obrigkeit, denn der ansässige Graf Greifax von Gratenfels sucht die Schenke auf. Da er ein äußerst paranoider Mann ist, der hinter jedem Fremden einen Verräter und Spion vermutet, wird die gesamte Heldengruppe flugs gefangengenommen und in den Keller gesperrt. Mithilfe der Dienstmagd Leti kann die Gruppe jedoch in ein unterirdisches Gangsystem entkommen. Der sich nun anschließende Dungeon ist von wahrhaft beeindruckender Größe. Das zugehörige Kartenmaterial umfasst etliche Räume. Der Dungeon verfügt über mehrere Ausgänge, davon einige äußerst schwierig zu finden und über verschiedene „Stimmungen“, denn es handelt sich teils um in den Felsen gehauene Stollen, teils aber auch um natürliche Höhlen. Die Räumlichkeiten sind geprägt von Rätseln und Kampfsituationen und bleiben damit spannend.

Nach dieser recht nüchternen Inhaltsangabe sei ein kritischer Blick erlaubt: „Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler“ ist ein sehr frühes Rollenspielabenteuer und auch wenn man eine verklärte, nostalgische Sichtweise auf das Abenteuer werfen mag, so hat es doch einige Schwächen mitgebracht. Der gesamte Einstieg bis zum Betreten des unterirdischen Gangsystems verläuft komplett auf Schienen, ohne jegliche Ausweichmöglichkeit der Gruppe. Die „Meister“-Tipps, die im Laufe der Einleitung gegeben werden, spornen sogar unumwunden zur Gängelung der Spielgruppe an. Und auch einmal im Dungeon angekommen ist nicht alles Gold, was nostalgisch glänzt. Zu unausgewogen ist die wirre Gegner-Zusammenstellung – warum noch einmal kämpfen die Orks an der Seite von Söldnern an der Seite von Echsenmenschen unter dem Kommando eines Troll-Oberaufsehers? Dazu kommen einige Designschnitzer wie ein „sofort tödlicher“ Skorpionstich, was natürlich nicht gerade spielspaßfördernd ist.

All dieser Kritik zum Trotz: „Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler“ hat durchaus Charme. Und es gibt auch einige wirklich gut designte Fallen und Rätsel zu lösen. Insbesondere die verschiedenen Ausgänge und damit völlig unterschiedlichen Enden des Abenteuers wissen zu gefallen und auch an Optionen für soziale Interaktionen mit einigen der Höhlenbewohner wurde gedacht. Und wer wirklich einmal „Retro“-Gefühle in seiner Spielgruppe schüren möchte, der nimmt natürlich auch die ungewöhnliche Dungeon-Ökonomie und die tödlichen Fallen in Kauf – denn so war es nun mal, damals, als wir noch nichts anderes hatten.

Das Design orientiert sich – genau wie die Neuauflage des Grundregelwerks – an der originalen Ausgabe von 1984 und ist damit übersichtlich und schnörkellos. Auch die Illustrationen von Bryan Talbot haben die Zeit überdauert und sind hervorragend gealtert, wie ich zugeben muss. Die in der mir vorliegenden „Let’s Play“-Variante enthaltenen Kommentare der Let’s-Play-Gruppe sind humorvoll und zeugen von einer gewissen Liebe zur Nostalgie. Und die neu angefertigten Chibi-Charaktere sind wirklich knuffig anzuschauen. Technisch habe ich damit nichts zu meckern.

Fazit: Wer einmal einen Dungeon „wie früher“ erleben möchte, mit seiner Spielgruppe in Erinnerungen schwelgen will oder einfach einmal sehen möchte, wie damals alles begann, der sollte hier unbedingt zugreifen. Mit ein wenig Zusatzarbeit lässt sich der im Grundprinzip hervorragend angelegte Dungeon aber auch an „moderne“ Bedürfnisse anpassen.

Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler (Das Schwarze Auge 1)
Abenteuerband
Werner Fuchs
Ulisses Spiele 2018
ISBN: 978-3957528933
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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