Ringbote spielt: Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler

Es war das Jahr 1984, als Ulrich Kiesows Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ das Licht der Welt erblickte. Seither hat Deutschlands bekanntestes Rollenspiel zahllose Rollenspieler akquiriert und in seinen Bann gezogen. 2018 lädt der aktuelle Verlag, Ulisses Spiele, uns nun ein, die Anfänge erneut zu genießen. Und der Ringbote folgte der Einladung.

von André Frenzer

Angespornt durch die Erfolge der hauseigenen „DSA1“-Let’s-Plays, die sich auf YouTube einer regen Beliebtheit erfreuen, wagte Ulisses Spiele im Sommer des Jahres 2017 ein Crowdfunding, mit dem das uralte Material aus dem Jahre 1984 erneut aufgelegt werden sollte. Das Crowdfunding wurde ein voller Erfolg und so wurde auch immer weiteres Zusatzmaterial freigeschaltet – darunter zahlreiche Abenteuer aus den frühen Tagen des „Schwarzen Auges“. In den vergangenen Wochen konnten wir euch in der einen oder anderen „Retro“-Rezension bereits einige Produkte aus dem Crowdfunding nahebringen. Und da mir die Beschäftigung mit dem Material nicht nur die eine oder andere nostalgische Träne in die Augen trieb, sondern auch allgemein viel Freude bereitete, entschied ich mich dazu, zu einem besonderen Retro-Spieleabend einzuladen.

Ein paar Worte zur Vorbereitung

Ein wohl nicht zu verachtender Vorteil der alten „Das Schwarze Auge“-Retro-Abenteuer ist wohl, dass sie ohne viel Vorbereitungsaufwand zu leiten sind. Ich hatte mich rasch für „Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler“ entschieden, da ich unbedingt das erste, offizielle Begleitabenteuer leiten wollte. Ich las die komplette Dungeonbeschreibung einmal durch, sichtete anschließend kurz das Zusatzmaterial und machte mich dann daran, alles für den Spielabend vorzubereiten.

Eine tolle Unterstützung war da das durch das Crowdfunding entstandene Zusatzmaterial. Da die Einführungsszene des „Keilers“ sehr eng geführt ist und nur theoretischen Handlungsspielraum für die Heldengruppe zulässt – böse Zungen könnten hier Worte wie „Spielleiterwillkür“, „Gängelung“ oder gar „Railroading“ in den Mund nehmen, wenn es diese Begriffe denn 1984 schon gegen hätte –, entschied ich mich dazu, gleich mit offenen Karten zu spielen. Ich verwendete als Intro den von Verlagsleiter Markus Plötz mit großem Elan eingelesenen Vorlesetext, in dem Markus auch gleich die zweifelhaften Spielleitertipps mit vertont hat. Außerdem druckte ich jedem Spieler ein Ausmalbild aus dem wunderschönen Chibi-Malbuch aus – immerhin musste ich ja während den zu erwartenden Attacke-Parade-Orgien für eine sinnvolle Beschäftigung sorgen. Zu guter Letzt kopierte ich noch einen Haufen Abenteurer-Heldenbögen aus dem Zusatzheft, um mir die – zwar unglaublich stilvolle aber leider auch Zeit kostende – Heldenwürfelei am Spielabend zu sparen.

Ein wenig abseits fand ich dann auch einen guten Tipp für die passende Musikuntermalung. Im Rahmen ihrer „Old School Renaissance“-Reihe hatte der „System Matters“-Podcast als Intromelodie Teile des frei verfügbaren Albums „Songs From An Unmade World 2“ des mir bis dato völlig unbekannten Künstlers „Visager“ verwendet. Das gesamte Album spielt mit typischen old-school-Videospielklängen, die wir noch von alten NES-Zeiten kennen und wirkt wie für ein altes Fantasy-Videospiel geschrieben. Damit hatte ich die perfekte Musikuntermalung für den Abend – und ihr könnt das komplette Album hinter folgendem Link finden: freemusicarchive.org/music/Visager/Songs_From_An_Unmade_World_2/

Kurze Zusammenfassung der Handlung

Die Helden heuern als Begleitschutz eines reisenden Händlers an und gelangen so in das nahe den Koschbergen gelegene Dörfchen Gratenfels. Hier kehren sie im gemütlich anmutenden Wirtshaus „Zum Schwarzen Keiler“ ein, nur um nach einigen Humpen Bier in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten. Denn der örtliche Herrscher, Graf Baldur Greifax, besucht ebenfalls die Schänke. Das wäre noch kein Problem, wäre der Graf nicht ein streitsüchtiger und herrischer Paranoider, der hinter jedem Fremden einen Spion oder Attentäter vermutet und flugs die gesamte Heldengruppe gefangen nehmen lässt.

Fein säuberlich verschnürt warten die Helden also im Keller des Wirtshauses auf ihre morgendliche Hinrichtung, als ihnen die Schankmagd zur Hilfe eilt und sie durch einen Geheimgang entkommen können. Nun müssen sie sich allerdings durch ein nicht gerade kleines unterirdisches Gewölbe schlagen, dessen wahre Ausmaße sie kaum ermessen können. Schon bald stoßen sie auf die friedlichen und die nicht ganz so friedlichen Bewohner der unterirdischen Anlage und ein Kampf ums nackte Überleben entbrennt …

Verlauf

Was ich hier besonders dramatisch versucht habe darzustellen, ist tatsächlich ein äußerst klassischer Dungeoncrawl mit einer gesunden Portion Humor. Gerade, wenn man bereits den einen oder anderen modernen Dungeon erlebt hat, ist es eine augenzwinkernde Freude, die doch recht ungewöhnliche Dungeonökonomie, die eine oder andere fragwürdige Designentscheidung und den puren Hauch der Nostalgie zu erleben. Außerdem wurde die ganze Zeit mit großer Akribie der bereitliegende „Plan des Schicksals“ gezeichnet, um jeden Schritt der Abenteurer festzuhalten.

Meine Gruppe wandte sich zuerst nach Norden, traf auf einige arbeitende Zwerge und versuchte mit Verhandlungsgeschick und Drohgebärden mehr über die Mine herauszufinden. Nachdem man einige marodierende Orkwachen erledigt hatte, fand sich auch recht schnell der vermauerte Durchbruch im Nordosten der Mine. Bereits nach einer erstaunlich kurzen Spielzeit – wir waren vielleicht zwei Stunden unterwegs – standen die Helden bereits im Freiheit versprechenden Licht der aufgehenden Morgensonne.

Doch es sollte anders kommen. Da meine Gruppe einen Heidenspaß an dem Dungeon hatte, entschloss man sich kurzerhand dazu, nicht dem Lockruf der Weite zu erliegen, sondern umzukehren, um die noch nicht erforschten Gebiete des Dungeons zu erkunden. Beziehungsweise zu „säubern“, wie es eine meiner Spielerinnen feinfühlig ausdrückte. Man wandte sich nun also nach Süden und konnte – einige Würfelorgien später – einen halben Neandertalerstamm niedermachen. Erst als der von den Urzeitmenschen gefangen gehaltene Tatzelwurm beinahe losgelassen wurde, erkannte die Gruppe, dass es ab jetzt wohl nur noch gefährlicher werden konnte. Nach insgesamt rund fünf Stunden Spielzeit und wohl dem gerade einmal zur Hälfte erkundeten Dungeon entschieden sich die Helden, nun doch ihr Heil in der Flucht zu suchen.

Ein Fazit

Nun, hat sich der Abend gelohnt? Macht es Sinn, das von Ulisses liebevoll aufbereitete „Kaiser Retro“-Material wirklich noch einmal an den Spieltisch zu bringen? Auf jeden Fall. Meine Gruppe hatte wirklich ihren Spaß in dem gelungenen Dungeon aus Werner Fuchs? Feder und mit nur wenigen zusätzlichen Handgriffen konnte ich einen gelungenen Spieleabend gestalten. Vielleicht wird „Das Schwarze Auge“ in seiner ersten Edition kein Dauerbrenner in meiner Spielrunde; für einen vergnüglichen Ausflug in nostalgisch verklärte Zeiten ist es aber immer wieder empfehlenswert.