Gruselkabinett 180: Das unbewohnte Haus

In der 180. Folge der „Gruselkabinett“-Reihe widmet sich Mastermind Marc Gruppe einem echten Klassiker – in doppelter Hinsicht. Denn sowohl den Autor Algernon Blackwood als auch seine Kurzgeschichte „Das leere Haus“ sollte jeder Fan klassischer Gruselliteratur kennen.

von Jens Krohnen

Algernon Blackwood gehört unzweifelhaft zu den großen Künstlern im Bereich der unheimlichen Literatur. Horror-Ikone H. P. Lovecraft bescheinigte Blackwood in seinem Essay „Die Literatur der Angst“: „Der hohe Rang von Blackwoods Genie steht außer Frage, denn niemand ist bisher dem Geschick, der Ernsthaftigkeit und minuziösen Genauigkeit, mit denen er die Untertöne des Seltsamen in gewöhnlichen Dingen und Erfahrungen festhält, auch nur nahegekommen, geschweige denn dem Verständnis für das Übernatürliche, mit dem er Schritt für Schritt die Empfindungen und Wahrnehmungen aufbaut, die von der Wirklichkeit in eine übersinnliche Welt oder Vision führen.“ Dennoch haben Lovecrafts und Blackwoods Werk nur wenig gemein. Während Lovecrafts Horror die Verneinung alles Wissenschaftlichen und den Weg in den Wahnsinn beinhaltet, zieht Blackwood das Unheimliche aus der Natur und der eigenen Einbildungskraft. Insbesondere in seinem Meisterwerk „Die Weiden“ wird dies mehr als deutlich.

Doch genug der Geschichtsstunde. Widmen wir uns also endlich der 180. Episode des „Gruselkabinett“. Vorlage für „Das unbewohnte Haus“ bildet Blackwoods Kurzgeschichte „Das leere Haus“. Die Handlung ist tatsächlich äußerst schnell erzählt: Am großen Platz in der alten Stadt steht ein leeres, gemiedenes Haus. Seit hier ein Mord geschah, hält es kein Mieter länger als wenige Tage dort aus, bevor sie überstürzt die Flucht antreten. Nun hat sich eine abenteuerlustige alte Dame – im Hörspiel konsequent als „Tante Julia“ bezeichnet – die Schlüssel zu diesem Spukhaus besorgt und überredet ihren Neffen, Jim Shorthouse, dazu, mit ihr gemeinsam dort eine Nacht zu verbringen. Ob das so eine schlaue Idee ist?

Musste ich der Vorgängerepisode noch einen schwachen Spannungsbogen und zu viele vorweggenommene Ereignisse attestieren, so meistert „Das unbewohnte Haus“ diese Fallstricken deutlich besser. Die gesamte Handlung ist in der Gegenwartsperspektive angelegt und so folgen wir Tante Julia und ihrem Neffen live und in Farbe auf ihren gruseligen Abenteuerausflug. Der Erzähler – sehr souverän: Hörspiellegende Peter Weis – führt uns in die Gedankenwelten des jungen Protagonisten und beschreibt auch eindrücklich die gruselige Szenerie. So entsteht tatsächlich eine beklemmende Atmosphäre, welche durch die gewählten Sound- und Toneffekte noch hervorragend unterstützt wird. Nimmt sich der eigentliche Spuk für den Zuhörer recht harmlos aus, so ist es doch die Melange aus Anspannung der Protagonisten, erzählerischer Dichte und guten Effekten, welche die Spannungskurve bis zum – leider viel zu plötzlichen – Ende hochhalten.

Ich habe bereits lobend über die technische Umsetzung gesprochen. Doch auch die beiden Sprecher, welche die Protagonisten in Szene setzen – Glenn Goltz und Kathrin Ackermann – tragen maßgeblich zur dichten Atmosphäre dieses Hörspiels bei. So nimmt man ihnen ihre Achterbahnfahrt der Gefühle tatsächlich ab. Das Cover durfte ein weiteres Mal Altmeister Ertugrul Edirne beisteuern, und es reiht sich in die qualitativ hochwertige Covermotivik der Reihe nahtlos ein.

Fazit: „Das unbewohnte Haus“ basiert auf einer starken Vorlage und wurde ebenso stark als atmosphärisch dichtes Hör-Kammerspiel vertont. Empfehlenswert.

Gruselkabinett 180: Das unbewohnte Haus
Hörspiel nach einer Kurzgeschichte von Algernon Blackwood
Marc Gruppe
Titania Medien 2022
ISBN: 978-3-7857-8428-0
1 CD, ca. 60 min., deutsch
Preis: EUR 7,99

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