Gruselkabinett 184: Das Haar der Sklavin

Wie ein Rausch aus „Tausend und einer Nacht“, so klingt die Beschreibung der Handlung, welche uns das Backcover der 184. Ausgabe des „Gruselkabinetts“ präsentiert. Aber: Weiß „Das Haar der Sklavin“ auch zu gruseln? Wir hören einmal rein.

von Jens Krohnen

Die 1822 geborene und bereits 1856 wieder verstorbene Autorin Bertha Antoinette Henriette Meyer veröffentlichte unter ihrem Pseudonym drei Romane sowie verschiedene Aufsätze und Gedichte. 1851 erschien ihr Buch „Traumfahrt in das Land des Aufgangs: Morgenländische Märchen“, und es davon auszugehen, dass Marc Gruppe hier die Geschichte „Das Haar der Sklavin“ gefunden hat. Worum geht es nun genau?

Der verarmte Weber Hassan ist von Gram gebeugt: War er einst ein angesehener und wohlhabender Weber, so ist er durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in die Armut abgerutscht. Als er seinen Vetter in Konstantinopel besucht, um von ihm ein Darlehen zu erbitten, hat er ein einschneidendes Erlebnis: Er wohnt dem Begräbnis einer wunderschönen Sklavin bei, deren goldenes Haar ihn komplett in seinen Bann zieht. Angetrieben von seiner Sehnsucht, endlich wieder ein angesehener Mann zu sein, trifft er eine folgenschwere Entscheidung und beschließt, das Haar an sich zu nehmen, um daraus einen ganz besonderen Teppich zu weben. Er ahnt nicht, was er damit auslöst …

Bevor ich mich der Kritik der Handlung widme, möchte ich zunächst die technische Umsetzung dieser Ausgabe des „Gruselkabinetts“ loben. Zum einen gelingt es der gesamten Sprecherriege, zwar einen gewissen arabischen Akzent in ihre Stimme zu mischen, dabei jedoch nicht in allzu alberne Klischees abzudriften. Das ermöglicht dem Zuhörer ein angenehm tiefes Eintauchen in die Handlung. Zum anderen sind die gewählten Toneffekte abermals von bester Qualität, und auch die sich im Hintergrund haltenden Musikstücke untermalen die Geschichte gekonnt unaufdringlich. Besonders hervorheben möchte ich die Leistung von Eva Michaelis, welche der Sklavin mit dem goldenen Haar ihre Stimme leiht. Zwar beschränkt sich Essica – so der Name der Sklavin – auf flehendes Bitten, doch wird das von Michaelis so herzerweichend und eindringlich dargebracht, dass man als Zuhörer am liebsten selbst eingreifen möchte, um Essica ihren letzten Wunsch zu erfüllen.

Während ich technisch damit – wie so oft beim „Gruselkabinett“ – voll zufrieden bin, so muss ich leider zusammenfassend sagen, dass es sich bei „Das Haar der Sklavin“ zwar durchaus um eine Geistergeschichte handelt – gruselig ist diese aber mitnichten. Natürlich möchte man nicht unbedingt in des Webers Haut stecken, wenn er das erste Mal von der Toten heimgesucht wird, doch schlussendlich gestaltet sich die Handlung harmlos und ab einem gewissen Punkt auch sehr vorausschaubar. Damit ist „Das Haar der Sklavin“ nicht die beste Vorlage für eine Ausgabe des „Gruselkabinetts“, auch wenn die Geschichte schön vertont und ansprechend präsentiert wurde.

Das Cover wurde passend und qualitativ hochwertig einmal mehr von Johannes Belach beigesteuert. Es reiht sich gut in das bisherige Design der Reihe ein.

Fazit: „Das Haar der Sklavin“ ist ein geisterhaftes Märchen wie aus „Tausend und einer Nacht“, präsentiert in einem technisch einwandfreien Gewand und vorgetragen von überzeugenden Sprechern. Einzig Grusel will sich beim Hören nicht einstellen – da gibt es ganz andere Kaliber in der Reihe. Für Sammler kein Fehlkauf, Gelegenheitshörer auf der Suche nach Gruselgeschichten finden passendere Ausgaben der Reihe.

Gruselkabinett 184: Das Haar der Sklavin
Hörspiel nach Bertha Werder
Marc Gruppe
Titania Medien 2023
ISBN: 978-3785785331
1 CD, ca. 47 min., deutsch
Preis: 8,99 EUR

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