Gruselkabinett 171: Das Gespensterschiff

„Das Gespensterschiff“ greift – wenig überraschend – das beliebte Motiv des Geisterschiffes auf. Derartige Geschichten haben wir doch schon alle gehört – oder?

von André Frenzer

Der 1802 geborene Wilhelm Hauff gehört trotz seines kurzen Lebens – er starb mit gerade einmal 24 Jahren an Typhus – zu den bekannteren Schriftstellern der deutschen Romantik. Immerhin war der zur schwäbischen Dichterschule gehörende Hauff Autor des vierbändigen „Märchenalmanachs“ und damit Schöpfer der Erzählung „Das Wirtshaus zum Spessart“. Die von Marc Gruppe gewählte Geschichte „Das Gespensterschiff“ stammt allerdings aus dem ersten „Almanach“, in dem Hauff orientalische Märchen wiedergab.

In dieser Erzählung transponiert Hauff das Sagenmotiv des Fliegenden Holländers in einen orientalisch-islamischen Kontext. 1825 macht sich der junge Achmet auf, um in der Fremde sein Glück zu suchen. Gemeinsam mit seinem Diener und Freund Ibrahim besteigt er ein Schiff nach Indien. Kurz, bevor sich ihr Schiff einem brausenden Sturm gegenübersieht, begegnen sie einem geheimnisvollen Segler mit johlender Besatzung. Der Kapitän vermeint den Tod persönlich erkannt zu haben und tatsächlich sinkt Achmets Schiff im Sturm. Nur er und Ibrahim können sich an Bord des seltsamen Seglers retten. Die folgenden Tage und Nächte werden für die Schiffbrüchigen zu einem Alptraum. Denn der geheimnisvolle Segler beherbergt nur Leichen. Und doch sind in den Nächten Geräusche zu hören …

„Das Gespensterschiff“ erfindet das Motiv des Geisterschiffes keineswegs neu. Und doch weiß die Zusammenstellung der einzelnen Rezepturkomponenten recht gut zu gefallen. Zum einen ist da der orientalische Anstrich – Koranverse und die Ratschläge des weisen Oheims inklusive. Zum anderen wird die Geschichte zu einem interessanten Ende gebracht, was wiederum auf den Einfallsreichtum der Protagonisten zurückzuführen ist.

Die technische Umsetzung ist – wie üblich im Rahmen der Reihe des „Gruselkabinetts“ – sehr gut gelungen. Dabei sind es diesmal insbesondere die Toneffekte, welche eine dichte Atmosphäre zu erzeugen wissen. Den Sprecherleistungen stehe ich diesmal ein wenig zwiegespaltener gegenüber: Während Jannik Endemann sehr souverän den Handlungsträger Achmet gibt, verleiht Bernd Kreibich seinem Ibrahim einen derart klischeehaften Akzent, dass es schon fast nervt. Und Thomas Balou Martin macht die Rolle des toten Kapitano hörbar Spaß – doch auch hier wird in meinen Ohren ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Dennoch funktioniert das Ensemble als Ganzes wieder hervorragend.

Fazit: Hauff hat eine überzeugende Variante des Geisterschiff-Motivs geschaffen, welche von Marc Gruppe wiederum überzeugend als Hörspiel umgesetzt wurde. Dabei wurde werkgetreu zitiert und mit viel Liebe zum Detail gearbeitet. Trotz einiger gewöhnungsbedürftiger Sprechrollen empfehlenswert.

Gruselkabinett 171: Das Gespensterschiff

Hörspiel nach Wilhelm Hauff
Marc Gruppe
Titania Medien 2021
ISBN: 978-3785783191
1 CD, ca. 57 min., deutsch
Preis: EUR 7,99

bei amazon.de bestellen