Everdell: Spirecrest

In den Bergen von Spirecrest, im Süden unseres Lieblingstals, warten Abenteuer darauf, erlebt zu werden. Starten wir also unsere Wanderung über den Gebirgskamm, um den anderen Bewohnern von „Everdell“ von unserer mutigen Expedition durch die Berge berichten zu können.

von Oli Clemens

„Spirecrest“ ist eine von mittlerweile drei verfügbaren, deutschen Erweiterungen für das knuffige Kennerspiel „Everdell“, bei dem wir in einen Wald unsere eigene Stadt bauen. Auf den ersten Blick in die Schachtel finden wir einen neuen Gebirge-Spielplan, mit dem wir unkompliziert unser Grundspiel nach unten erweitern. Damit brauchen wir nochmal circa 40 Zentimeter mehr Platz auf unserem Spieltisch. In diesem neuen Teil der Spielfläche finden wir einen Wanderweg über ein Gebirge. Außerdem ist auf ihm genug Platz, um die neuen Wetter- und Entdeckungskarten sowie Kartenstücke darauf abzulegen. Da wir in der Erweiterung mehr Material haben, als wir für eine Partie brauchen, ist direkt der Wiederspielwert für mehrere Runden garantiert, bis man alles gesehen hat.

Was beim Öffnen der Schachtel mein Herz schneller schlagen lässt, sind die mehr als 50 neuen Tier-Meeple in der „Spirecrest“-Erweiterung. Gleich fallen die 8 Riesenwesen ins Auge. Sie sind tatsächlich ein Stück größer als die normalen Meeple, mit denen wir im Spiel die Ressourcen organisieren, und damit unverwechselbar. Außerdem gibt es jedes dieser Wesen nur einmal. Vor allem gefallen mir der Bär und das Wildschwein, aber auch der Elch, der Pfau und die anderen Wesen sind einfach wunderbar gestaltet. Jede Figur besitzt eine einzigartige Fähigkeit. Ob sie ins Spiel kommen werden, hängt vom Kartenglück ab. Auf den Rücken der Tierwesen passen kleine Sättel, damit unsere Arbeiter-Meeple auf ihnen reiten können. Außerdem finden wir in der Schachtel vier neue Arbeiter-Tierarten in vier neuen Farben, nämlich die Füchse, die Eulen, die Eidechsen und die Maulwürfe. Natürlich liefert „Spirecrest“ auch gleich die farblich passenden neuen Frosch-Botschafter, um mit ihnen die „Pearlbrook“-Erweiterung spielen zu können.



Neu sind auch die Hasen-Spielfiguren, mit denen wir uns auf unsere Abenteuerreise durch das Gebirge machen werden. Passend haben sie einen Wanderstock in der Hand und einen Rucksack auf dem Rücken. Ehrlich, wer das Spielmaterial von „Everdell“ nicht zuckersüß findet, muss ein Herz aus Stein haben.

Die Integration der Erweiterung ins Grundspiel geht ganz schnell. Alle stellen die Hasen-Reisenden in der eigenen Spielfarbe an den Start des Wanderwegs. Die Entdeckungskarten werden gemischt und verdeckt auf dem Spielplan abgelegt. Je nach Personenzahl kommen Kartenstücke auf die Abschnitte des Wanderwegs. Für jede Jahreszeit wird eine Wetterkarte verdeckt abgelegt. Die sorgt dafür, dass das friedfertige Sammeln von Ressourcen ein bisschen fordernder wird. Beispielsweise darf man je nach Karteneffekt weniger Ressourcen nehmen, beim Ausspielen mehr bezahlen oder muss auf den vollen Umfang einer Aktion verzichten. Das spürt man schon beim Hamstern von Materialien. Der Effekt der Wetterkarte gilt immer nur für Spieler, solange sie sich in der entsprechenden Jahreszeit befinden. Wechseln sie beispielsweise vom Winter in den Frühling, gilt ab dann die Bedingung der Frühlingskarte.



„Spirecrest“ scheint übrigens genau für den bisher eher unspektakulären Wechsel von Jahreszeiten gemacht worden zu sein. Im Grundspiel galt bisher einfach nur: Arbeiter zurücknehmen und die Anweisungen auf dem Baum ausführen. Die Erweiterung wertet diesen Vorgang auf. Nacheinander laufen folgende Phasen ab:

Zuerst darf man sich eines der Kartenstücke aus der offenen Auslage nehmen. Damit fällt man eine wichtige Entscheidung, ob man zum Ende des Spiels noch Zusatzpunkte sammeln kann, weil man sich dann sozusagen auf seine persönliche Abschlussexpedition begibt. Dabei wird geprüft, ob man die Kosten, die auf den Kartenstücken zu sehen sind, bezahlen kann, und zwar der Reihe nach, wie sich Kartenstücke im Verlauf des Spiels zusammengesetzt haben. In der Regel muss man dann was aus dem eigenen Vorrat abgeben, wie etwa Ressourcen oder Karten. Kann man das, gibt’s Punkte. So eine Abschluss-Expedition besteht aus insgesamt drei Kartenstücken und kann bei guter Planung zum Ende im Schnitt noch etwa 10 Extrapunkte bringen. Das lohnt sich.

In der nächsten Phase werden drei Karten vom Entdeckungsstapel umgedreht. Eine davon darf man sich nehmen. Je nachdem, für welche Karte man sich entscheidet, ist die Karte kostenlos oder muss mit Ressourcen bezahlt werden. Dabei haben verschiedene Karten auch verschiedene Effekte. Einige bringen ebenfalls zum Schluss zusätzliche Siegpunkte, andere garantieren einen dauerhaften Bonus. Durch die Karten können auch neue Einsetz-Orte auftauchen, Sofort-Effekte aktiviert werden oder – und jetzt wissen wir auch gleich, warum in dem Spiel die riesigen Zier-Meeple liegen – dir ab sofort ein Riesenwesen als Reittier für einen deiner Arbeiter zu Verfügung stehen. Jedes Tier verleiht eine einzigartige Fertigkeit. Dazu wird einer der Meeple mit einem kleinen Sattel auf dem Rücken fixiert. Fortan kann also durch das Spiel geritten werden. Die Fähigkeiten der Reittiere sind wirklich vielseitig und eigentlich ziemlich ausgeglichen, und trotzdem wird man bei dem ein oder anderen Tier einen Effekt stärker im Spiel spüren.



Im Anschluss wird der Hasen-Reisende auf die nächste Station seiner Reise durch das „Spirecrest“-Gebirge gesetzt und noch eine neue Wetterbedingung aktiviert, die fortan für alle Spieler in dieser Jahreszeit zählen wird.
 
Der Ablauf dieser Phase ist ganz klar gegliedert und dauert alles in allem höchstens zwei Minuten. Insgesamt wird also die Partie „Everdell“ mit „Spirecrest“-Erweiterung kaum länger, aber auf jeden Fall interessanter! Natürlich liefert die Anleitung auch wieder alles, was man wissen muss, wenn man sich solo gegen Fusselwürz durchsetzen will.

Insgesamt sind die Regeln schnell gelesen und verstanden. Die Anleitung ist wieder bunt, klar gegliedert und schenkt uns sogar noch ein Glossar, wenn man sich mal unsicher ist, was die Karten im Detail bewirken. Ganz am Ende findet man wieder zusätzliches „Everdell“-Wissen und kann im vierseitigen Tagebuch des Torrin Mümmelmann schmökern. Das hat gar nichts mit den Spielmechaniken oder den Regeln zu tun, macht es uns aber wieder einfach, ganz tief in diese märchenhafte Welt einzutauchen.



Das tolle Material der „Spirecrest“-Erweiterung, bestehend aus Tierfiguren, Karten und Kartenplättchen, liegt fein säuberlich verstaut in einem Inlay und spart uns das unübersichtliche Zip-Tüten-Chaos anderer Spiele.

Fazit: „Everdell“ ist für mich mehr als ein Brettspiel, weil es mir ein besonderes Gefühl von Behaglichkeit mit einem Flair eines Märchens schenkt. Bei „Spirecrest“ haben wir nun auch noch eine Prise Abenteuerlust, denn der Weg über die Berge ist jedes Mal anders. Durch die ständig wechselnde Kartenauslage sind die Partien stets abwechslungsreich. Dabei wirkt die Erweiterung auf keinen Fall sperrig oder aufgesetzt, sondern schmiegt sich sanft als zusätzliche Phase beim Wechsel der Jahreszeit an. „Spirecrest“ ist für mich nun ein fester Bestandteil, wann immer ich „Everdell“ spielen werde.

Everdell: Spirecrest
Brettspielerweiterung für 1 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
James A. Wilson
Pegasus Spiele 2022
EAN: 4250231729164
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 59,99

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