Die Stadt der Singenden Flamme

H. P. Lovecraft, der Meister der unheimlich-phantastischen Geschichten, war einer der eifrigsten Leser des US-amerikanischen Autors Clark Ashton Smith (CAS) (1893-1961), dessen frühe Erzählungen, vor allem aus dem Bereich der Dark Fantasy, in dem Band „Die Stadt der Singenden Flamme: Gesammelte Erzählungen Band 1“ 2011 im „Festa“-Verlag erschienen sind. Mit diesem Band eröffnet der Verlag eine Serie von Veröffentlichungen aller Erzählungen von CAS in sechs Bänden, erschienen innerhalb der Reihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“.

von Markus Kolbeck

Inhalt

Der 396-seitige Hardcover Band mit Schutzumschlag und Lesebändchen ist in zwei Abschnitte unterteilt: Erster ist „Die vergessenen Welten des Klarkash-Ton“ mit einem gleichnamigen, vorangestellten Essay von Stephen Jones und einem Briefauszug „Über Fantasy“; und zweiterer ist „Hyperborea“ mit einem einleitenden Kommentar mit dem Titel „Das Hyperborea von Clark Ashton Smith“ von Will Murray.

Der Band enthält 19 Kurzgeschichten unterschiedlicher literarischer Couleur und umfasst eine Bandbreite von Fantasy über Science-Fiction und Dark Fantasy bis hin zu manchmal auch etwas drastischerem Horror. Die kürzeste Geschichte ist gerade einmal eine Seite lang: „Die Muse von Hyperborea“. Science-Fiction ist nur mit einer Kurzgeschichte vertreten: „Der Schrecken der Venus“.

Es sind eigentlich zu viele Storys, um sie alle aufzuzählen, doch soll der Inhalt der ersten kurz wiedergegeben werden: „Die Stadt der Singenden Flamme“, namensgebend für das ganze Buch. Der Autor Giles Angarth lässt einem anderen Schriftsteller, Philip Hastane, ein Tagebuch mit den Aufzeichnungen seiner Erlebnisse in der Sierra Nevada zukommen. Hastane fängt das Tagebuch an zu lesen, auch weil Angarth als vermisst gilt. Angarth hat sonderbare Felssäulen entdeckt, die sich als Dimensionstor erweisen. Er erforscht die fremdartige Gegend und stößt auf eine mysteriöse Stadt, bevölkert mit den unglaublichsten und exotischsten Wesen. Er pendelt noch ein paar Mal zwischen unserer Dimension und der fremdartigen Existenzebene, als er im Zentrum der Stadt auf eine heilige Flamme trifft, deren Verehrung sich die Stadtbewohner hingeben. Nach einer Weile der Ehrerbietung stürzen sich die Pilger voller Verzückung in die Flamme und werden augenscheinlich verzehrt. Angarth kann dem Sirenen-Gesang der Flamme entkommen, da er sich die Ohren aus Vorsicht mit Watte verstopft hat. Daraufhin enden die Tagebucheinträge. Hastane, der das Tagebuch zu ende gelesen hat, macht sich in der Folgegeschichte „Jenseits der Singenden Flamme“ daran, Angarths Verschwinden und das Geheimnis der Singenden Flamme zu erkunden.

Noch ein paar Worte zum zweiten Abschnitt des Buches, den „Hyperborea“-Geschichten: Das fiktive Hyperborea ist ein Urkontinent der Erde und ist nicht mit dem griechischen Hyperboräa identisch. Hyperborea ist im Erdzeitalter des Pleistozän vor rund 1,5 bis 2,0 Millionen Jahren angesiedelt. Es sind noch weitere Kontinente bekannt, wie Mu, außerdem Königreiche wie Mhu Thulan, Städte wie Commorion und mysteriöse Bücher wie das „Buch des Eibon“, eines Hexenmeisters. Der „Hyperborea“-Zyklus ist Teil des Cthulhu-Mythos, den Lovecraft ins Leben gerufen hat. Auch bei Smith kommen Große Alte und Götter vor, wie Kthulhut (bei Lovecraft als Cthulhu bekannt), Zhothaqquah (Tsathoggua), Yok-Zothoth (Yog-Sothoth) und Ubbo-Sathla. In den Geschichten von Smith sind unter anderem Könige, Hexenmeister, Meisterdiebe und Seherinnen die Protagonist*innen.

Am Schluss sind noch Anmerkungen zu den Erzählungen von Scott Connors und Ron Hilger abgedruckt. Darin wird auf die Vorgeschichte und die Veröffentlichung der Geschichten eingegangen, etwas, das vor allem Literaturexperten interessieren dürfte. Ich fand die Anmerkungen nicht so erquickend im Gegensatz zu den beiden Essays, womit ich zur Kritik komme.

Kritik

Lovecraft hat über CAS geschrieben: „Niemand schildert den kosmischen Schrecken so gut wie Clark Ashton Smith. Was echte dämonische Ausstrahlung und Ideenreichtum anbelangt, wird Mr. Smith wohl von keinem lebenden oder toten Schriftsteller übertroffen.“ Diese Einschätzung sagt schon viel über die literarische Qualität des Autors, einem der Großen der Phantastik, aus!

Die Kurzgeschichten sind alle reich an Fantasie und Geheimnissen. Die Geschöpfe sind oft skurril, oft auch bizarr und es stellt sich beim Lesen – wie von diesem Genre gefordert – oftmals der berühmte Sense of Wonder ein. Smith geht an die Grenzen des Vorstellbaren und schießt ein Feuerwerk der Fantasie ab! Man darf aber bei dem Format einer Kurzgeschichte bei CAS keine großen Handlungsbogen oder eine ausgearbeitete Charakterentwicklung der Protagonisten erwarten.

Das Buch liest sich flüssig und das sprachliche Niveau ist angenehm. Der Horror ist meist zurückhaltend eingesetzt, mit wenigen Ausnahmen wie in der Kurzgeschichte „Das Manuskript des Athammaus“. Beim Lesen wird einem klar, dass man es neben H. P. Lovecraft mit einem weiteren wichtigen Vertreter der Phantastik zu tun hat! Es eröffnen sich neue Welten an Ideen, Geschöpfen und Geschehnissen. Da der erste Teil des Bandes etwas weniger gelungen ist, als die Geschichten, die sich um Hyperborea drehen, schätze ich Smith als ein klein weniger ausgeprägt ein in der literarischen Qualität als Lovecraft. Der Preis von 28,- € kann für ein Hardcover dieses Umfangs (knapp 400 Seiten) mit ein paar schwarz-weißen Abbildungen von CAS und seinen Skulpturen als angemessen gelten.

Fazit: Ich habe das Buch „Die Stadt der Singenden Flamme“ von Clark Ashton Smith wirklich gerne und mit Vergnügen gelesen. Der Band sprüht vor Fantasie und Ideen. Der Autor muss sich nicht hinter H. P. Lovecraft verstecken! Schade, dass er heute kaum mehr bekannt ist, sein Werk ist wohl eher nicht massentauglich. Der erste Teil ist gut, der zweite Teil sehr gut, mit den enthaltenen Abbildungen gebe ich ein Gesamturteil von sehr gut! Ich kann das Werk allen Interessierten an dunkler Phantastik, an Lovecraft oder Lesern der Reihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ empfehlen!

Die Stadt der Singenden Flamme
Horror-Erzählungen
Clark Ashton Smith
Festa-Verlag 2011
ISBN: 978-3-86552-083-8
396 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 28,-

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