Das rote Zimmer – Lovecrafts dunkle Idole II

Nachdem bereits 2002 „Lovecrafts dunkle Idole“ als erster Band der Reihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ im „Festa“-Verlag erschienen war, wurde 2010 „Das rote Zimmer – Lovecrafts dunkle Idole II“ als 25. Band der Reihe mit Frank Festa als Herausgeber veröffentlicht. Hier bekommt man einen sehr interessanten Querschnitt durch die phantastische Autorenschaft von Lovecrafts Zeit. Es waren allesamt seine Lieblingsautoren und er hat sie in seinem Essay „Supernatural Horror in Literature“ (deutsch u. a.: „Die Literatur der Angst“) erwähnt.

von Markus Kolbeck

H. P. Lovecraft


Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) war ein zeitlebens wenig erfolgreicher Horror-Autor und konnte kaum von seiner Schreibarbeit leben. Erst in den letzten Jahrzehnten gelangte er zu Ruhm und großer Anerkennung. Er hat den „Cthulhu Mythos“ erfunden mit literarischen Fiktionen wie dem legendären „Necronomicon“, Städten wie Arkham und Innsmouth, schrecklichen Göttern und Großen Alten (wie Cthulhu selbst) und ihren unsäglichen Dienerrassen. Der Autor hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seine Schriftstellerkollegen in ihren Gehversuchen zu unterstützen. Bei den in diesem Band versammelten Autoren war dies aber nicht nötig. Lovecraft ist heute aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken!

Inhalt

Der 352-seitige Hardcover-Band ist quasi um das Doppelte länger als noch „Lovecrafts dunkle Idole“. Letzterer umfasste zehn Geschichten, „Das rote Zimmer“ umfasst vierzehn neue Kurzgeschichten von anderen Autoren. Die Storys sind alle im Bereich der Dark Fantasy oder des Horrors angesiedelt, etwa ist „Die Werwölfin“ von Clemence Housman im Bereich der Dark Fantasy und „Das Haus des Wurmes“ von Mearle Prout im Horror angesiedelt. „Die Werwölfin“ ist mit rund 50 Seiten eine der längsten, zusammen mit „Die weißen Gestalten“ von Arthur Machen, und eine der besten! Eine der schlechtesten ist „Die Leichenräuber“ von Robert Louis Stevenson (auch wenn das ein berühmter Name ist), da die Geschichte zwar gut aufgemacht ist, aber ein unbefriedigendes Ende hat. Die berühmteste Geschichte dürfte das düster-poetische „Die Auslöschung des Hauses Usher“ von Edgar Allan Poe sein, die man aber schon kennen kann. Der Band umfasst eine weite Bandbreite an behandelten Themen – wie afrikanische Mythen, Traummanifestationen, einen Werwolf, Leichenräuber usw.

Die vierzehn Kurzgeschichten sind zusammen mit Autor, Titel und Erscheinungsjahr:

1. H. G. Wells: „Das rote Zimmer“ (1896)
2. Clemence Housman: „Die Werwölfin“ (1895)
3. John Buchan: „Das grüne Gnu“ (1927)
4. H. F. Arnold: „Telegramm in der Nacht“ (1926)
5. Mearle Prout: „Das Haus des Wurmes“ (1933)
6. M. L. Humphreys: „Das obere Stockwerk“ (1923)
7. Théophile Gautier: „Der Mumienfuß“ (1840)
8. Arthur J. Burks: „Die Glocken des Ozeans“ (1927)
9. Robert Louis Stevenson: „Die Leichenräuber“ (1884)
10. Arthur Machen: „Die weißen Gestalten“ (1904)
11. Edward Lucas White: „Lukundoo“ (1907)
12. Edgar Allan Poe: „Die Auslöschung des Hauses Usher“ (1839)
13. Catherine Lucile Moore: „Der Kuss des Schwarzen Gottes“ (1934)
14. Lord Dunsany: „Die erschütternde Geschichte von Thangobrind, dem Juwelendieb“ (1912)

Vorangestellt wird den Geschichten ein kurzes Vorwort von Frank Festa und ein „Brief von H. P. Lovecraft an Fritz Leiber Jun.“. Jeder dieser Storys unmittelbar vorausgehend sind ein paar kurze Notizen zur Person und dem Werk des jeweiligen Autors, manchmal gibt es auch ein Porträtfoto.

„Das rote Zimmer“

Eine Inhaltsangabe für alle vierzehn Kurzgeschichten würde zu viel Platz einnehmen, sodass ich mich begnüge, die erste kurz zu schildern. Die für den Band namensgebende Geschichte heißt „Das rote  Zimmer“: Ein nicht namentlich genannter Erzähler sitzt in einem Wohnzimmer in einem älteren, geräumigen Haus und unterhält sich mit Haushälterin und den zwei Hausverwaltern. Man rät ihm dringend davon ab, das rote Zimmer im Haus aufzusuchen und darin zu übernachten. Jedoch ist der Erzähler Skeptiker und glaubt nicht an das Übernatürliche. Er wird schnell eines besseren belehrt! Er legt sich in dem Zimmer zur Ruhe, und schon bald gehen die Kerzen eine nach der anderen aus. Er zündet sie immer wieder an, doch eine ungesehene Kraft löscht sie wieder aus. Der Mann beginnt ernsthaft, sich vor dem Dunkeln zu fürchten und malt sich schreckliche Dinge in der Finsternis aus. Am nächsten Tag spricht er wieder mit der Haushälterin und den Hausverwaltern und gesteht, dass er zwar kein Gespenst gesehen hat, jedoch etwas viel Schlimmeres. Er ist einem der größten Feinde des Menschen begegnet: der Angst!

Kritik

„Das rote Zimmer“ ist keine Gespenstergeschichte im klassischen Sinne, es ist vielmehr eine Spukgeschichte, was nicht genau dasselbe ist. Wer unverhohlenen Grusel oder gar Horror mag, ist hier eher falsch. Der Einsatz der Spukelemente ist zurückhaltend eingesetzt, weiß aber einen subtilen Schauer über den Rücken zu jagen. Insgesamt sind die Kurzgeschichten in diesem Band ebenfalls selten blanker Horror oder gar durch Grausamkeiten gekennzeichnet. Es gibt aber Ausnahmen, etwa „Die Werwölfin“. Ich fand es ungemein interessant, die Autoren, die Lovecraft liebte, selbst zu  lesen, auch mal wieder die Geschichte von Poe in neuem Licht. Es sind viele heute unbekannte Schriftsteller darunter, aber auch ein paar illustre Namen, die man immer noch kennen kann wie H. G. Wells (bekannt geworden durch Romane wie „Die Zeitmaschine“, „Die Insel des Dr. Moreau“ und „Der Krieg der Welten“), Robert Louis Stevenson (bekannt durch „Die Schatzinsel“ und „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“), Arthur Machen (wohl weniger bekannt, den Namen kann man aber kennen), Edgar Allan Poe (bekannt durch „Das Pendel“ und weitere unheimliche Geschichten) und Lord Dunsany (über Lovecraft wieder in Erinnerung gerufen, bekannt als Autor von Fantasy und Krimis). Wer subtilere Dark Fantasy und meist etwas zurückhaltenden Horror mag, ist hier richtig! Bei der gegebenen Aufmachung und dem Umfang ist auch der Preis von 28,- Euro noch angemessen.

Ausblick

Die 47-bändige Reihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ ist ausgelaufen und wird nicht mehr neu aufgelegt. Teilweise sind die Ausgaben bereits vergriffen und oftmals nur zu Mondpreisen erhältlich. Die Reihe wurde als „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens Limited“ mit neuen Bänden neu gestartet. Die „Limited“-Reihe ist nur beim Verlag erhältlich und nicht im Buchhandel.

Fazit: Allzu blutrünstig muss es nicht immer zugehen, was angenehm bei „Das rote Zimmer – Lovecrafts dunkle Idole II“ auffällt. So ist der Band auch gut zu lesen und macht eigentlich immer Freude. Auch die etwas schlechteren Geschichten sind nicht ganz schlecht und haben die ein oder andere gute Seite. H. P. Lovecraft hatte schon einen guten Geschmack, was die Auswahl der Autoren unter seinen Lieblingsschriftstellern anbelangt. Wohlgemerkt, sie sind keine Nachahmer von Lovecraft (wie manch andere), sondern gingen ihre eigenen Wege, was sehr positiv hervorzuheben ist. Wer eine Auswahl an Autoren seiner Zeit lesen will, kann hier zugreifen!

Das rote Zimmer – Lovecrafts dunkle Idole II

Horrorkurzgeschichten
Hrsg.: Frank Festa
Festa-Verlag 2010
ISBN: 978-3-86552-088-3
352 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 28,00

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