Die Powder-Mage-Chroniken: Im Schatten des Feldmarschalls

Warum ist Tamas so distanziert? Wie haben sich Vlora und Taniel kennen gelernt? Was verbindet Ka-poel mit Fatrasta? Diesen und anderen Fragen wird in Kurzgeschichten im „Powder Mage“-Universum nachgegangen. Es eröffnen sich weitere Einblicke in diese phantastische Welt der Magier und der feudalen Gesellschaft einer vorindustriellen Zeit.

von Lars Jeske

Ich vermute jeder begeisterte Leser der „Powder Mage Chroniken“ von Brian McClellan war neben den handwerklich sehr gut ausgearbeiteten und glaubhaften Charakteren auch von dem Setting der Welt begeistert. Adro mit seiner Kultur, Geschichte und den angrenzenden Ländern mit ihren langjährigen Verwicklungen konnten immer nur in Auszügen passend in das aktuelle Geschehen der drei dicken Bände eingeflochten werden. Ein ums andere Mal ertappt man sich dabei, dass man bei Anspielungen der Protagonisten mehr über die jeweiligen Begebenheiten erfahren wollte.

Glücklicherweise ist ein kleiner Bonusband aus dieser Welt entstanden und nunmehr ebenfalls auf Deutsch erhältlich. Besteht die Trilogie jeweils aus mächtigen Bänden um die 700 Seiten, gibt es nun einen vergleichsweise dünnen Schmöker von rund 200 Seiten. „Im Schatten des Feldmarschalls“ vereint sechs Kurzgeschichten aus der Welt des „Powder Mage“-Universums, die allesamt während der Roman-Trilogie geschrieben wurden. In der Zeitline spielen diese jedoch vorrangig vor dem ersten Band „Blutschur“ und bringen uns die dortigen Handlungsträger näher, ohne wesentliche Handlungsstränge aus dem Hauptwerk vorwegzunehmen.

Die erste Geschichte „Himmelfahrtskommando“ stellt, nicht überraschend, Feldmarschall Tamas in den Mittelpunkt. Wobei dies inkorrekt ist, denn zur Zeit der Handlung war er noch Oberst. Die Episode spielt inmitten der Gurlischen Kriege und schildert die Geschehnisse der Belagerung einer wichtigen Festung. Schwerpunkt ist hierbei wie so oft jedoch nicht der kriegerische Akt, sondern das weitere Ausdifferenzieren der Charaktere, um sie besser kennenzulernen. Ebenso wird das Umfeld des Obersts und dessen Werdegang und Rückhalt in den verschiedenen Bevölkerungsschichten beleuchtet. Alles, was man an der Romanfigur Tamas im Laufe der tausenden Buchseiten schätzen gelernt hat, zeigt sich auch hier. Es ist eine wohlwollende Charakterstudie, die zeigt, dass er sich auch damals nicht verbogen hat und seinen eigenen Kopf besaß, den er zu nutzen wusste. Umso bewundernswerter, dass er sich seine Integrität in all den Jahren an der Front bewahren konnte.

So kalkuliert und zielstrebig bleibt er auch in der wichtigen Geschichte „Die grünäugige Viper“, welche sich mit einem der dunkelsten Kapitel seiner Vergangenheit beschäftigt. In den anderen Kurzgeschichten gibt es ebenso einschneidende oder wegweisende Episoden anderer Charaktere der Trilogie, über welche wir somit noch mehr Hintergrundwissen bekommen. Der Leser ist beispielsweise hautnah dabei, wenn sich Vlora, Taniel und Bo erstmalig begegnen und es gibt eine tolle Episode über Olem. Als letzte Geschichte geht es um die sagenumwobene Belagerung von Tilpur, in welcher auch Tamas eine entscheidende Rolle spielte.

„Im Schatten des Feldmarschalls“ ist ein für die Leser lohnendes Sammelsurium an kurzen Geschichten, welche wichtige Punkte im Leben der Protagonisten der Romanreihe ausgiebig thematisieren. Selbstverständlich wirken diese Geschichten noch besser, wenn man bereits die „Powder Mage“-Trilogie kennt und somit mit den Charakteren etwas anfangen kann. Man erlebt deren Anfänge und das ganze Drumherum, und ihre spätere Rolle im Weltenplan wirkt dadurch noch intensiver. Selbstverständlich wird erklärt, was Pulvermagier sind und was es mit Privilegierten auf sich hat. Kresimir wird nur kurz erwähnt und wie schnell ein Degen sprechen kann, verdeutlicht auch die Epoche, ohne gezielt näher darauf einzugehen.

So für sich genommen, wirken diese Schlaglichter von jeweils um die 40 Seiten meiner Meinung nach besser, als wenn sie als Rückblicke in der Trilogie aufgetaucht wären. Thematisch hätte es zwar gepasst, aber hätte den Fokus vom Wesentlichen fortgerissen und die Intensität in den Romanen gebrochen. So kann man sich die Karte eines der Romane noch einmal anschauen (hier ist leider keine mit abgedruckt, obwohl es hilfreich wäre) und kurz erneut in dieses Universum abtauchen. Auch optisch passt dieses Buch sehr gut zur Trilogie. Das Cover ist ebenso stimmungsvoll und Buchhöhe sowie die verwendeten Schriftarten sie die gleichen.

Fazit: Für alle Fans der Serie und die, die nicht genug vom „Powder Mage“-Universum bekommen können, ist diese Ergänzung uneingeschränkt zu empfehlen. Die kurzen und knackigen Geschichten sind überaus kurzweilig und durch ihren zeitlichen Rahmen auch gut für Neuleser geeignet. Durch diese können sie herauszufinden, ob ihnen der Schreibstil und die Art, Geschichten erzählt zu bekommen, zusagt. Johannes Neubert hat hierbei wiederum eine tadellose Übersetzung verfasst und das Lektorat war erfolgreich, somit gibt es nichts zu beanstanden. – Außer, dass man wieder alles viel zu schnell ausgelesen hat. Doch „Das Feuer der Revolution“ knistert bereits am Horizont …

Die Powder-Mage-Chroniken: Im Schatten des Feldmarschalls
Fantasy-Roman
Brian McClellan
Cross Cult 2021
ISBN: 978-3-96658-319-0
210 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 10,00

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