von Pointman
So der Text auf der Rückseite der zweiten Edition des klassischen Dungeonspiels von Fantasy Flight Games. Tja und so richtig stimmt das schon gar nicht mehr, denn die Dungeons sind maximal noch die Hälfte des ganzen Spiels. Auch so hat sich einiges verändert. Die Spielzeit ist kürzer geworden und die Box kleiner. Spaß macht es aber immer noch, der Abstieg ins Dunkel.
Das Spielmaterial
Das Material des Spiels ist recht gut. Wer Fantasy Flight beziehungsweise Heidelberger kennt, dürfte hier nicht überrascht werden. Die Bodenplatten sind haltbar und sehr schön individuell gestaltet, jeweils doppelseitig (eine Seite der Bodenplatten ist für Abenteuer an der Oberwelt, die andere Seite für unterirdische Missionen).
Die Plastik-Miniaturen kommen mir etwas besser vor als die aus der ersten Edition, etwas detailreicher. Insgesamt sind keine Figuren dabei, die zusammengebaut werden müssen. Dementsprechend auch keine richtigen „Großfiguren“ wie etwa der Drache oder Dämon der ersten Version.
Die Hauptgegner, die sogenannten Hauptmänner, sind lediglich als Pappmarker vertreten. Das ist schon ein wenig schade; die „normalen“ Monster groß als Plastikfiguren auf dem Spielplan und die Endgegner zweidimensional am Boden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man alle Hauptmänner als Zinnfiguren separat erwerben kann. ;-)
Die zweite Edition ist vom Material her etwas weniger großzügig ausgestattet als die „alte“ Version. Es sind etwa halb so viele Miniaturen (Helden wie Monster) dabei. Die Bodenteile sind jedoch wesentlich individueller und ansehnlicher. Soweit gut in der Box vorsortiert, ist es aber auch einfacher und schöner aufzubauen.
Das Material der ersten Version ist übrigens mit dem separat erhältlichen „Upgrade Kit“ ebenfalls zu verwenden. Damit sind jedoch nur die Miniaturen der Helden und Monster gemeint; alle anderen Materialien sind in der zweiten Edition nicht zu verwenden.
Der Spielmechanismus
Das Spiel ist für bis zu fünf Spielern geeignet. Ein Spieler übernimmt die Rolle des Overlords oder desjenigen, der die Monster führt und die Geschichte vorgibt. Die anderen vier Spieler übernehmen die Heldengruppe. Das Spielziel ist je Mission unterschiedlich. Es kommt nicht darauf an, besonders viele Monster oder Helden zu töten, sondern jeweils ein missionsspezifisches Ziel zu erfüllen. Dies macht jedes Spiel recht individuell. Jedes Szenario ist üblicherweise in zwei Missionen oder „Akte“ aufgeteilt, wobei sich Erfolge und Misserfolge in der einen Mission jeweils auf die nächste auswirken. Einkaufen und seine Charaktere verbessern kann man aber erst zwischen den Szenarien im Kampagnenspiel.
Der Grundablauf gliedert sich in zwei Phasen, die der Helden und die des Overlords. In der Heldenphase können die Spieler frei entscheiden, in welcher Reihenfolge sie agieren wollen. Typischerweise hat der Held zwei Aktionen, die er beliebig aus den Optionen Bewegen, Angreifen, Tür öffnen oder Fertigkeit einsetzen auswählen und kombinieren kann. Als zusätzliche Optionen kann ein Held noch Erschöpfung ansammeln, um weiter zu gehen oder bestimmte Fertigkeiten zu nutzten.
Der Kampf läuft über verschieden farbige Würfel, die jeweils mit Symbolen/Zahlen gekennzeichnet sind. Der Angreifer würfelt, zählt die gewürfelten Wunden zusammen und addiert eventuelle Spezialeffekte, die er durch ebenfalls auf den Würfeln markierte Blitze aktivieren kann (hier gibt es zusätzlichen Schaden, Betäuben oder Panzerdurchdringung, je nach Waffe oder Charaktereigenschaften). Der Gegner hat dann ein bestimmte Anzahl von Rüstungswürfeln, mit denen er Wunden abfangen kann. Bei Fernwaffen ist es ähnlich einfach. Der Mechanismus ist simpel und trotzdem sehr anschaulich. Eventuell etwas mehr vom Zufall abhängig, als bei der ersten Version.
Wem das alles sehr bekannt vorkommt, der hat die erste Version schon mal gespielt. Tatsächlich ist vieles sehr ähnlich zur ersten Edition, aber das System ist deutlich verschlankt worden. Es gibt aber nun auch Proben auf Werte wie „Wissen“ oder „Geistesgegenwart“, was einiges mehr an Möglichkeit für das Spiel bietet.
Wenn früher die Werte der Spielfiguren (etwa Rüstung) grundsätzlich das Spiel bestimmt haben und einige Charaktere offensichtlich besser waren als andere, so ist das in der zweiten Version nicht mehr der Fall. Der Unterschied zwischen den Helden entsteht durch ihre Heldenfertigkeit, die sie immer wieder einsetzten können, und ihre „Heldentat“, die sie einmal pro Mission einsetzen können. Ein weitere Unterschied kommt dann durch die gewählten Berufe (Dieb, Ritter, Geweihter usw.). Die sucht sich jeder Spieler mit Einschränkungen selber aus. Grisban der Durstige (siehe Bild; Bemalung: Phantasos Studio) als Berserker ist etwas völlig anderes als Grisban der Durstige als Ritter. Vorbei sind also die Zeiten, in denen der Overlord immer wieder den schwachen Magier umbringen musste, um seine Siegpunkte zu bekommen. Ein Pluspunkt gegenüber der alten Version. Die Helden sind nach dem ersten Anschein tatsächlich eher gleichwertig, werden aber auch erst im Kampagnenspiel mit selbst gewählten, zusätzlichen Eigenschaften richtig individuell. Hier ist es dann auch erst möglich, Gegenstände vom Markt zu kaufen und bessere Ausrüstung als die Anfangsausrüstung zu erwerben.
Die Overlordphase ist dann vom gruppenweisen Aktivieren der Monster gekennzeichnet beziehungsweise vom Ausspielen gemeiner Ereigniskarten. Hier ist wieder zu bemerken, dass die neue Version wesentlich schneller gespielt werden kann. Die Aktionen sind vereinheitlicht und leicht zu merken. Man weiß recht genau, was man bereits an Figuren aktiviert hat und was nicht. Die vielen unterschiedlichen Punktekosten der ersten Version sind Vergangenheit.
Szenarien
Es gibt 20 Szenarien, die üblicherweise in zwei Missionen unterteilt sind. Die Pläne der Szenarien sind eher klein und übersichtlich gehalten. Diese Szenarien bilden auch die Kampagne, für die es auf der Rückseite des Abenteuerbuches auch eine Land-/Weltkarte gibt, auf der man sich entscheiden muss, wie man über Land zu den einzelnen Orten reist. Je nach Route passieren dann unterschiedliche Dinge auf der Reise (positiv oder negativ).
Inhalt
2 Regelhefte (1x Regeln, 1x Abenteuer-/Kampagnenbuch)
8 Heldenfiguren
31 Monsterfiguren
9x Würfel
205 Bodenteile (Spielplan)
152 kleine Karten
84 große Karten
Wie spielt es sich?
Mir gefällt das Spiel ziemlich gut, was nicht nur an den eher kleinen und damit schnellen Missionen liegt, sondern auch an dem stromlinienförmigen Spielsystem. Es funktioniert und ist spannend. Der wahre Spielspaß kommt aber erst im Kampagnenspiel, wenn die Charaktere neue Fähigkeiten erhalten und Ausrüstung auf dem Markt erwerben können. Bei der Spieldauer (1 bis 2 Stunden pro Mission, 20 Stunden für die ganze Kampagne) ist ein Kampagnenspiel aber durchaus machbar. Die Kampagne ist nicht linear, das heißt je nachdem wer welches Szenario gewinnt, verändert sich das nächste Szenario beziehungsweise es wird ein anderes gespielt. So erhöht sich der Wiederspielwert des Ganzen.
Fazit: Insgesamt ist die zweite Edition von „Descent“ ein schönes, einfaches Bier-&-Brezel-Spiel, zwar ohne die taktischen Herausforderungen der ersten Version, aber dafür wesentlich fairer. Mit dem nicht linearen Kampagnenspiel gleich in Grundbox ist es eigentlich alles, was sich der durchschnittliche Rollenspieler von einem Brettspiel wünscht. Die Regeln sind in fünfzehn bis 20 Minuten erklärt; das macht es möglich, das Spiel auch mal spontan zu spielen. Um es allerdings richtig auszunutzen, muss man schon etwas häufiger spielen und den Kampagnenmodus in Angriff nehmen. Ich würde sagen: Eineinhalb von zwei Daumen nach oben. Also, Bier auf den Tisch, Äxte scharf machen und dem Overlord in die Suppe spucken.
Descent: Die Reise ins Dunkel (2nd Edition)
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler
Corey Konieczka, Daniel Clark, Adam Sadler
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2012
EAN: 4015566012240
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 69,95
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